ADB:Du Bos, Carl (2. Artikel)

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Artikel „Du Thil, Freiherr Karl Wilhelm Heinrich du Bos“ von Wilhelm Diehl in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 48 (1904), S. 215–217, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Du_Bos,_Carl_(2._Artikel)&oldid=- (Version vom 26. April 2024, 17:11 Uhr UTC)
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Du Thil: Freiherr Karl Wilhelm Heinrich du Bos du Th.[WS 1], hessischer Staatsminister, ist als Sprößling einer altadeligen Hugenottenfamilie am 22. April 1777 zu Braunfels geboren. Seinen ersten Unterricht empfing er von Privatlehrern im Hause seines Vaters, eines früheren Stabsofficiers in holländischen Diensten und nachmaligen Adjutanten des Herzogs von Braunschweig. Mit dem 10. Lebensjahre wurde er mit seinem (im Feldzug von 1806 verstorbenen) Bruder in eine Pension nach Neufchatel geschickt, in der er 2½ Jahre verblieb, dann kam er nach der Confirmation im Elternhause in die hohe Karlsschule nach Stuttgart, um hierauf, kaum 16 Jahre alt, die Universität Tübingen zu beziehen. Hier wie in Göttingen, wohin er nach 2 Jahren übersiedelte, studirte er mit großem Eifer und Erfolg Jurisprudenz. Nach Absolvirung des Studiums wurde er nach verschiedenen Versuchen, ihn für den preußischen Staatsdienst zu gewinnen, und einem ¾jährigen Cursus am Reichskammergericht in Wetzlar am 2. August 1799 fürstlich solms-braunfelsischer Assessor und am 16. März 1801 wirklicher Regierungsrath des ebengenannten kleinen Landes. Von besonderer Bedeutung für die Entwicklung seines Lebensganges war sein 1802 erfolgter Uebertritt in hessen-darmstädtische Dienste. Es waren verschiedene Verhältnisse, die ihn dazu trieben. Einmal war er schon von seinem Großvater her Unterthan der hessischen Landgrafen, nämlich durch den Besitz des Gutes Graß in der Wetterau. Andererseits war er durch seine Bekanntschaft mit dem hessischen Gesandten, General v. Pappenheim, die er auf einer Urlaubsreise in Paris machte, und ein späteres Bekanntwerden mit dem Minister v. Barkhaus, enger mit Hessen verknüpft worden. Diese Thatsachen überwogen die durch die Abstammung seiner Mutter, einer Tochter des nassauischen Oberjägermeisters Frhrn. Röder v. Diersburg, nahegelegte und gelegentlich auch ausgesprochene Aufforderung, in nassauische Dienste [216] überzugehen. So kam es, daß er am 19. August 1802 „in gnädigster Erwägung seiner guten Eigenschaften“ einstweilen zum hessischen Kammerherrn ernannt, am 14. September seine Entlassung aus braunfelsischen Diensten nehmen konnte, um am 8. Juni 1803 als Regierungsrath in hessischen Staatsdienst zu treten. In dieser Stellung nahm er an den Verhandlungen der Reichsdeputation von 1802 auf 1803 theil, wurde am 13. October 1803 zum staatsrechtsgelehrten Mitglied des Regierungscollegs der Provinz Starkenburg und am 17. Januar 1804 zum Mitglied der Oberpostdirection berufen. Der Sturz des deutschen Reiches im J. 1806 sah ihn noch in dieser Stellung. Bald nachher bat er jedoch um seine Entlassung. Sie wurde ihm, weil aus Anlaß einer „vorhabenden“ zweijährigen Reise erbeten, auch (und zwar unter sehr gnädigen Aeußerungen und mit dem Wunsche des Wiedereintritts in den Dienst) am 20. August 1807 gewährt. Hatte er schon früher, namentlich bei seinem Pariser und Regensburger Aufenthalt, mannichfache Beziehungen zu den führenden Geistern der Politik der europäischen Staaten angeknüpft, so geschah dies jetzt in noch umfassenderer Weise. Ziel und Zweck der Reise war lediglich das Streben, Länder, Höfe, Völker und Diplomaten der übrigen europäischen Staaten kennen zu lernen. Hieraus erklärt es sich auch, daß mit der Rückkehr du Thil’s in die Heimat im J. 1809 sofort auch seine größere politische Laufbahn begann. Seit August 1809 Legationsrath, seit 1811 Hofmarschall und Geheimer Rath, hatte er das Glück, seine Bedeutung zum ersten Mal in einer, auch weiteren Kreisen erkennbaren Weise im J. 1813 offenbaren zu können. Seinem Einfluß und seiner Entschlossenheit ist es zu danken, daß Hessen nach der Schlacht bei Leipzig, den französischen Drohungen zum Trotz, den Verbündeten beitrat (Vertrag von Dornigheim) und so noch vor Thoresschluß sich das Recht der Fortexistenz sicherte. Trotzdem war diese That nur ein Vorläufer. Die wirkliche Glanzperiode du Thil’s beginnt erst mit seinem Eintritt ins hessische Staatsministerium. Seit 24. December 1813 Referendar in dieser Behörde, rückte er (seit 1818 wirkl. Geheimrath und Excellenz, seit 1820 lebenslängliches Mitglied der ersten Kammer) am 14. Juni 1820 in die Stelle eines Staatsministers und Gesandten am Bundestag ein, wirkte von 1821 bis 1829 als hessischer Finanzminister und (nach v. Grolmann’s Tod) von 1829 bis 1848 als dirigirender Staatsminister mit dem schon 1821 übernommenen Auftrag eines Ministers des Gr. Hauses und des Aeußeren sowie dem (an Stelle des 1829 abgegebenen Finanzministeriums) neu übernommenen Auftrag eines Ministers des Innern und der Justiz. Nach seinem im J. 1848 nach zweimaligem erfolglosen Nachsuchen (1840 und 1844) endlich ermöglichten Rücktritt lebte er noch 11 Jahre in Darmstadt. Er starb daselbst am 17. Mai 1859 und wurde unter großer Betheiligung auf dem dortigen Friedhof beigesetzt.

Du Thil’s Bedeutung läßt sich am besten unter den beiden Gesichtspunkten seiner Thätigkeit als Finanzminister und seines Wirkens als dirigirender Staatsminister darstellen. In erster Beziehung verdient besondere Erwähnung der Abschluß des hessisch-preußischen Zollvertrags vom 14. Februar 1828, in letzterer seine Fürsorge für die Hebung der geistigen Cultur des Hessenlandes. Es war ein für die damaligen Kleinstaaten Süddeutschlands unerhörtes und ohne Zweifel gewagtes Unternehmen, als d. T. sich zu Zollverhandlungen mit Preußen herbeiließ. Zwar drängten die ganzen Verhältnisse, besonders die schweren Schädigungen des von Preußen völlig eingeschlossenen sog. Hinterlandes, dessen Handel durch die hohen Zollsätze des preußischen Zollgesetzes von 1818 einfach lahm gelegt wurde, auf einen gütlichen Ausgleich hin. Aber d. T. nennt selbst die That auf seiner Seite eine That der Verzweiflung, und wir verstehen das, [217] wenn wir die ganze politische Lage dieser Tage mit in Betracht ziehen. Trotzdem war diese „Verzweiflungsthat“ die genialste That des hessischen Finanzministers. Sie wurde für beide Theile entgegen den Weissagungen der Particularisten ein Segen. Für Hessen durch die äußerst günstigen Bedingungen des Vertrages, der den Charakter einer Zollvereinigung unbeschadet der Selbständigkeit von Hessens Zollverwaltung annahm und durch den in ihm angewandten Modus der Vertheilung der Zolleinnahmen nach der Seelenzahl Hessen ungeheure finanzielle Vortheile brachte. Für Preußen dadurch, daß mit dieser That du Thil’s der Anfang des deutschen Zollvereins gewonnen, die Verfassung desselben geschaffen und einer der besten Wege zur Erzielung einer deutschen Einheit unter Preußens Führung gefunden war.

D. T. war aber nicht bloß dieser Blick aufs Große eigen, er zeigte seine Größe auch in der sorgfältigen Rücksicht auf die zu seiner Zeit weniger beachteten Factoren zur Erzielung einer Volkskraft. Wir denken dabei an die Organisationsarbeit, die er für die hessische Kirche und das hessische Schulwesen leistete. Hierfür sind nicht bloß die für die ganze gegenwärtige geistige Cultur des Hessenlandes grundlegenden Organisationsedicte der 30er Jahre Zeuge, obwohl sie allein genügen würden, dem Minister, der an Stelle einer princip- und damit haltlosen „Ordnung“ in Kirche und Schule etwas Positives setzte, einen bleibenden Namen zu machen, sondern auch all die Einzelanordnungen, welche den Hauptedicten Wege bahnten, unhaltbare Zustände (besonders hinsichtlich der socialen Stellung der Lehrer) beseitigten und, wenn auch leider manchmal ohne die nöthige Rücksicht auf das geschichtlich Gewordene, der geistigen Förderung des Volkes Nahrung zuführten. Da war kein Gebiet ausgeschlossen. Wie d. T. der Schule aufhalf durch Erhöhung der Ansprüche an die Lehrenden und Steigerung von deren Einkommen, so hat er z. B. auch auf dem Boden der Wissenschaft und Kunst fördernd gewirkt. Ja auch die Landwirthschaft erfuhr von ihm eine geistige Förderung. Die Gründung der landwirthschaftlichen Vereine, die u. a. auch die Pflicht haben mit den Errungenschaften der der Landwirthschaft nahestehenden Wissenschaften stets in enger Fühlung zu stehen, ist des Zeuge.

Als Charakter wird d. T. von seinen Zeitgenossen äußerst günstig beurtheilt. Insbesondere hebt man seine große Uneigennützigkeit hervor, die ihn eine Pensionirung mit vollem Gehalt als gegen die Staatsgesetze verstoßend ausschlagen ließ.

Darmst. Zeitung 1860 Nr. 137 u. 139. – W. Oncken in Künzel-Soldan, Das Großherzogthum Hessen (unter Benutzung der im Großh. Haus– und Staatsarchiv aufbewahrten, von du Thil selbst geschriebenen Denkwürdigkeiten).


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Über diese Person existiert in Band 5 ein weiterer Artikel.