ADB:Degenfeld, Christoph Martin Freiherr von

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Artikel „Degenfeld, Christoph Martin Freiherr von“ von Albert von Pfister in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 5 (1877), S. 23–26, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Degenfeld,_Christoph_Martin_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 27. Dezember 2024, 12:50 Uhr UTC)
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Degenfeld: Christoph Martin, Freiherr v. D., geb. im J. 1599 zu Eybach, dem Stammsitz seiner Familie, welche, ursprünglich in der Schweiz lebend, seit Mitte des 13. Jahrhunderts als begütert in Schwaben genannt wird, erhielt sammt seinen beiden älteren Brüdern nach dem frühen Tode seines Vaters unter Vormundschaft eine sehr sorgfältige Erziehung auf verschiedenen Universitäten und [24] durch Reisen. Nach Vollendung des Bildungsgangs trat er mit seinem Bruder Christoph Wolfgang in kaiserliche Dienste und kämpfte zunächst unter Wallenstein in Ungarn gegen den Fürsten Gabor. Später kam er als Rittmeister unter Tilly’s Befehle zu stehen im Feldzug gegen Graf Ernst von Mansfeld, zeichnete sich besonders bei Wimpfen und Höchst durch ritterliche Thaten aus und wurde deshalb vom Kaiser mit vielen Gnaden bedacht; es ward ihm insbesondere durch Diplom gestattet, das uralte Prädicat Freiherr, welches vor längerer Zeit der Familie verloren gegangen war, wieder zu führen. In der Folge diente der Freiherr unter Spinola in den Niederlanden und gegen König Christian von Dänemark. Darauf zog er sich auf seine Güter zurück, welche im J. 1631 nach dem Tode seiner beiden kinderlosen Brüder an ihn fielen. Aber nicht lange litt es ihn hier. Er war nach Abdankung seines Regiments aus kaiserlichen Diensten mit vielen Ehren entlassen und war somit zunächst an keines Herren Dienst mehr gebunden.

Trotzdem er Protestant war – die Degenfeld waren schon vor Mitte des 16. Jahrhunderts zur Reformation übergetreten –, hatte er, einmal in kaiserlichem Dienst befindlich und dort verpflichtet, gegen seine Glaubensgenossen gekämpft. Jetzt folgte er dem Zuge seines Herzens und trat in die Dienste des Schwedenkönigs, der eben den deutschen Boden betreten hatte und dessen Name damals der gefeiertste unter allen Kriegshelden war. Im J. 1632 stellte D. zwei Reiterregimenter auf, deren Oberst er wurde. An den Schlachten bei Nürnberg und Lützen nahm er rühmlichen Antheil. Später hatte er einige selbständige Unternehmungen in Schwaben auszuführen; so die Belagerung von Villingen, bei welcher Gelegenheit er den würtembergischen Major Wiederhold kennen und hochachten lernte. Trotz der Mißwirthschaft im schwedischen Lager nach König Gustavs Tode unter seinen Generalen schien doch die Sache der Evangelischen gut vorwärts zu gehen. D. für seine Person gerieth aber in Unmuth über den Verfall der alten schwedischen Kriegszucht und verließ, außerdem mit dem hochfahrenden General Panner in Spannung gekommen, den schwedischen Dienst noch vor der Nördlinger Schlacht.

Diese kehrte mit ihren Folgen sofort, in Süddeutschland wenigstens, alle Verhältnisse um. Schwaben wurde von kaiserlichen Völkern überschwemmt und mit so vielen anderen gingen auch die Degenfeldischen Güter verloren. Der Freiherr flüchtete mit seiner Familie nach Straßburg, wo ihm Anträge gemacht wurden, in französische Dienste zu treten. Er ließ sich auch bereit dazu finden und stellte zwei Reiterregimenter auf, zu welchen seine früheren deutschen Reiter gerne herbeiströmten. Im J. 1635 erhielt er die hohe Stellung eines colonel général de la cavallerie étrangère und damit das Commando über 16 Regimenter, mit welchen er sich bei mehreren Gelegenheiten auszeichnete. Doch veranlaßten ihn Intriguen und die Anfechtungen von Neidern 1642 den französischen Dienst zu verlassen und zu versuchen, ob er nicht durch kaiserliche Gnade wieder in den Besitz seiner Erbgüter gelangen könnte. Er betrieb diese Unterhandlungen von Genf aus, wo ihm zugleich Anträge gemacht wurden, unter sehr vortheilhaften Bedingungen in Dienste der Republik Venedig zu treten, welcher sehr daran gelegen war, einen so berühmten Kriegsmann für sich zu gewinnen. D. nahm an und der bald ausbrechende Krieg mit den Türken wies ihn auf eine glänzende kriegerische Laufbahn hin. Zum Generalgouverneur von Dalmatien und Albanien ernannt, landete er, von seinem ältesten Sohne Ferdinand begleitet, im August 1645 in Zara. Trotz der knapp zugemessenen Streitkräfte, welche die argwöhnische Politik der Venetianer ihren commandirenden Generalen verwilligte, gelang es dem Geschick und der persönlichen, aufmunternden Tapferkeit des Generalgouverneurs doch, überall, wo er auftrat, in den Jahren 1645 [25] und 1646 entscheidende Erfolge über die Türken davonzutragen. Außer den Italienern und Morlaken zog sein Name auch viele Deutsche und Franzosen in den Kriegsdienst nach Dalmatien und diesen fremden Truppen war es insbesondere zu danken, daß die überlegenen Streitkräfte der Türken überall geschlagen wurden. – Zunächst galt es Zara und Sebenigo zu entsetzen. Dann wurde weiter ins Innere des Landes vorgedrungen und es gelang, den Türken außer vielen kleineren Plätzen und Burgen Hemoniko, Urana, Scardona abzunehmen. Endlich vertheidigte der Freiherr mit außerordentlichem Geschick und größter Bravour Sebenigo gegen die mit großer Uebermacht vordringenden Türken und schlug diese trotz seiner geringen Streitkräfte zurück. Dadurch rettete er ganz Dalmatien. Venedig überhäufte ihn mit Ehrenbezeugungen. Eine Medaille wurde auf die Beschirmung Dalmatiens geschlagen und diese dem Freiherrn an einer 3½ Pfund schweren goldenen Kette verehrt. Wo er sich zeigte in den dalmatinischen Städten, strömte ihm das Volk entgegen, mit dem Rufe: Viva S. Marco e il Barone! 1648 kehrte er nach Venedig zurück und im nächsten Jahr, in welchem seine siebenjährige Capitulation zu Ende ging, erbat er sich seinen Abschied, der ihm auch unter den höchsten Ehrenbezeugungen verwilligt wurde.

Seine Gesundheit hatte angefangen zu leiden unter den vielen Strapazen und bei dem ungewohnten Klima; seine Güter in Schwaben, vernachlässigt und halb zerstört, erforderten nothwendig seine Anwesenheit. – Nach glücklicher Ankunft in Eybach ging er daran, Güter und Gebäude in guten Stand zu setzen; allein seine angegriffene Gesundheit ließ ihn des Wiedergewonnenen kaum recht froh werden. Zudem starb am 26. August 1651 seine herzlich geliebte Gattin, welcher der vielgeprüfte Kriegsmann selbst, nachdem er lange körperliche Leiden mit der größten Standhaftigkeit und Gelassenheit ertragen hatte, am 13. Oct. 1653 im Tode nachfolgte. Aber lebendig blieb sein großartiger Geist in einer Reihe von 10 Kindern; insbesondere lebte sein kriegerisches Feuer fort in seinen sechs Söhnen.

Verheirathet hatte sich der Freiherr, nachdem er kaiserliche Dienste verlassen hatte, mit Anna Maria Adelmann von Adelmannsfelden, einer Dame, geziert mit allen christlich-adelichen Tugenden. Ein trautes Heimwesen wußte sie dem unstet umhergetriebenen Gatten zu bewahren; den Kindern, welche des Vaters so oft entbehrten, war sie die sorgfältigste Erzieherin.

Der älteste Sohn, Ferdinand, war als siebzehnjähriger Knabe mit dem Vater nach Dalmatien gezogen, hatte aber das Unglück, durch einen Schuß vor der Festung Urana das Augenlicht zu verlieren. Dennoch gelang es dem erblindeten Mann durch rastlose geistige Thätigkeit und Regsamkeit beim Kurfürsten von der Pfalz hohe Ehrenstellen zu erringen und in treuer Fürsorge ein väterlicher Vormund zu werden für seine Geschwister sowol, als namentlich für die Kinder seiner Schwester, der Raugräfin Louise. Wegen eines Privatgeschäftes nach Venedig gerufen, starb er dort 1710. – Von den übrigen fünf Söhnen starb nur einer eines natürlichen Todes, der Stammhalter Maximilian. Die meisten der übrigen ruhen auf dem Felde ihrer Heldenthaten. Der zweite Sohn, Gustav, fiel als schwedischer Oberst beim Sturm auf Kopenhagen 1659. Der dritte, Adolf, in Venedigs Diensten stehend, erlag einer Wunde vor Kanea. Der nächste Sohn, Christoph, erhielt seines gefallenen Bruders Adolf Regiment auf Candia, wo er in einer Reihe von Gefechten manche Wunden erhielt, die ihm zwar erlaubten, ins Vaterland zurückzukehren, denen er aber doch 1685 erlag. (Kapff. Familienarchiv.)

Hannibal, Freiherr v. D., der jüngste Sohn des vorigen, geb. 1648, † 1691 als Generalcapitän der Republik Venedig zu Nauplia. In der Schule [26] des Kurfürsten Johann Georg III. von Sachsen, dessen kleines Heer damals den Ruf besonderer Kriegstüchtigkeit genoß, wurde D. gebildet; 1674–77 war er Oberst und Befehlshaber eines Fußregiments. Wie es die Sitte jener Zeit mit sich brachte, wechselten die höheren Befehlshaber nach Umständen ihre Herren, je nach rascherer Beförderung oder Gelegenheit zur Auszeichnung. So verließ denn auch D. das kursächsische Heer und trat in die Dienste des Kurfürsten von Baiern, von welchem er 1682 zum Feldmarschall-Lieutenant und Präsidenten des Hofkriegsraths ernannt wurde. Im folgenden Jahre befehligte er unter dem jugendlichen Max Emanuel die 12000 Mann baierischer Hülfstruppen wider die Türken und zeichnete sich beim Entsatze von Wien in hohem Grade aus. Nachdem mit der Einnahme von Gran der Feldzug abgeschlossen war und die baierischen Truppen nach Hause zogen, folgte D. einer Aufforderung der Republik Venedig, in deren Dienst schon sein Vater gestanden, und übernahm das Commando der für den beabsichtigten Feldzug gegen die Türken auf Morea bestimmten Landungstruppen; über ihm stand der Venetianer Morosini als Generalcapitän oder Befehlshaber der Land- und Seemacht. Im Jahre 1685 traf D. auf Morea ein, eroberte zuerst die Feste Koron und schlug hierauf mit seinem aus 8000 Mann und zwar zumeist deutschen Hülfstruppen, namentlich Sachsen bestehenden Heere die türkische Armee unter dem Kapudan-Pascha bei Kalamata dermaßen aufs Haupt, daß sie für dieses Jahr die Feindseligkeiten einstellte. Wegen fortwährender Zerwürfnisse mit Morosini nahm er jedoch im folgenden Jahre seinen Abschied, an seine Stelle trat Otto Graf v. Königsmark. Als jedoch Morosini Doge von Venedig geworden, als dessen Nachfolger Cornaro wie auch der tapfere Königsmark dem Fieber erlegen waren und der Nachfolger Cornaro’s, der Franzose Gadagne, sich der ihm gestellten Aufgabe nicht gewachsen fühlte, so erinnerte sich die Republik wieder Degenfeld’s und ernannte ihn 1691 im Frühjahr zu ihrem Generalcapitän gegen die Türken. Am 3. August verließ er mit neuen Truppen Venedig und traf am 4. September zu Nauplia ein. Doch schon am 12. October fiel auch er dem Fieber zum Opfer. Die Bestürzung über seinen Tod und die Rathlosigkeit wegen eines Ersatzes für D. soll in Venedig so groß gewesen sein, daß man sich gerne unter einigermaßen annehmbaren Bedingungen zum Frieden entschlossen hätte.

Der 15jährige Türkenkrieg 1683–99, Carlowitz 1699. Münich, Geschichte der baierischen Armee, München 1864.