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Artikel „Consentius, Otto“ von Ernst Consentius in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 47 (1903), S. 515–517, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Consentius,_Otto&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 16:10 Uhr UTC)
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Consentius: Rudolf Otto C. wurde am 25. December 1813 zu Konitz (Reg.-Bez. Marienwerder) geboren und starb als großherzoglich badischer Hofschauspieler a. D. am 13. Januar 1887 zu Karlsruhe. Als er zwei Jahr alt war verlor C. seinen Vater, der Steuerrath gewesen, und im zwölften Jahre auch seine Mutter. Reiche Verwandte nahmen den Knaben zu sich, und er besuchte in Königsberg i. Pr. das Gymnasium, konnte aber dort seine Ausbildung nicht beenden, da die Verwandten, geleitet von einem pietistischen Prediger, ihre Hand von ihm zurückzogen. Seine Pupillengelder deckten die Kosten der Gymnasial- und Universitätszeit nicht. C. sollte deshalb Officier werden und trat bei einem Königsberger Infanterieregiment als Avantageur ein; erhielt auch das Patent als Fähnrich. Bald ging er zur Artillerie über und besuchte im Herbst 1834 die Artillerie- und Ingenieurschule in Berlin. Hier in Berlin lernte C. die dramatische Dichtkunst von der Bühne her kennen und das reizte ihn, sich schriftstellerisch, vornehmlich als Dramatiker zu bethätigen. Er entschloß sich Schauspieler zu werden. Ob er dazu eine hervorragende Befähigung hätte, war ihm von untergeordneter Bedeutung. Die Erfordernisse der Bühne wollte er mit eigenen Augen sehen. – Von Berlin ging er nach Dresden, wo Ludwieg Tieck auf ihn großen Einfluß üben sollte, und weiter wandernd über Halle durch Thüringen, Frankfurt und Mainz nach Wiesbaden, wo er seine Tragödie „Jesus“ – eine Folge seiner pietistischen Erziehung in Königsberg – beendete. Im Herbst 1839 kam er nach Stuttgart und ließ hier sein Drama drucken: „Jesus. Eine Tragödie“. (J. A. Gärtner, 1840.)

Wenn C. seinen Helden auch nicht als Gott auffaßte, so lag ihm doch jede frivole Behandlung fern. Es war ein Versuch den Gegenstand zu gestalten: Jesus in einem menschlichen Liebesverhältniß zu Magdalena, und Judas der Satan, der Jesus vergebens in seine Gewalt zwingen will. Sobald der Druck beendet war, beschlagnahmte die Polizei den „Jesus“ (6. December 1839) und dem Verfasser wurde der Proceß wegen Gotteslästerung gemacht. Nach zwei Jahren kam der Spruch des Gerichtes; der „Jesus“ wurde auf der Feuerbacher Heide verbrannt, und C. mußte für drei Monate den Hohen-Asberg beziehen. In Stuttgart war mancher freisinnige Schriftsteller, so David Friedrich Strauß und Dr. Karl Müller (Otfrid Mylius) dem Verfasser des „Jesus“ wohlgesinnt gewesen. Er schrieb hier seine „Königin Brunhild. Historisches Trauerspiel in fünf Acten“ (Karlsruhe 1842), die er Ludwig Tieck mit einem offenen Briefe, der von des Dichters Einwirkung auf C. Zeugniß gibt, widmete. Die Zeit der Merovinger wollte C. darstellen und erhob über einen einzelnen Helden den Geist der Geschichte, welcher die vielgegliederte Handlung, die ein ungemeines Personal erfordert, bewegt.

Als C. vom Hohen-Asberg kam, fand er armseligen Verdienst als Schreiber, bis er Stuttgart und seine Gläubiger verließ, nach Karlsruhe ging, wo er durch den Baron v. Auffenberg im Herbst 1843 ein Engagement als Chorist am Karlsruher Hoftheater erhielt. Vierzig Jahre gehörte C. als [516] actives Mitglied dieser Bühne an; seine Gage stieg von 250 Gulden mit den Jahren auf 1200, und statt in der Oper wurde er im Schauspiel beschäftigt. In kleineren Rollen bewährte er sich als wohl verwendbar, spielte im „Nathan“, Al Hafi oder den Patriarchen, in den „Räubern“ den Pastor Moser, im „Zerbrochenen Krug“ den Schreiber Licht, im „Wallenstein“ den Seni.

Tieferen Ideengehalt als im „Jesus“ suchte C. in einem religiösen Epos „Nostradamus“ auszusprechen. Die kirchliche Entwicklung von Jahrhunderten faßte er in den visionären Fiebertraum einer Nacht zusammen. – Wenn die Anfänge des Epos in die Stuttgarter Zeit zurück reichen, so brachte für den Fortgang die Revolution im Badenschen dem an Kampf und Aufruhr reichen Gedicht manche Motive. 1850 war das Werk vollendet. Aber bei aller Fülle der Gedanken fordert das Gedicht zu energischen Kürzungen auf. In Rußland wurde diese tiefsinnigere Gestaltung des „Jesus“, als sie erschien (1881), verboten.

Bald nach Vollendung der „Königin Brunhild“ fielen C. die alten griechischen Tragödien in die Hände. Fortan strebte er bei seinen Dramen darnach, Shakespeare’sche Charakteristik mit dem klaren, von keiner Episode unterbrochenen Aufbau der Handlung, wie ihn Sophokles zeigt, zu verbinden. Er suchte dabei den geschichtlichen Stoff zu concentriren und die dichterische Wahrheit über die bloße geschichtliche Treue zu stellen. Mit diesen Absichten wandte er sich dem „Alboin“ zu („Alboin, Trauerspiel in drei Acten.“ Bühnenmanuscript. Cannstatt 1862). Eduard Devrient, seit 1852 Director des Karlsruher Theaters, hatte das Drama im Manuscript gelesen und geurtheilt, daß es nicht den Druck verdiene. Trotzdem bewarb sich C. mit seinem Stücke um den 1859 gestifteten Schillerpreis. August Boeckh schlug Consentius’ Drama zur Krönung vor, und der „Alboin“ stand neben Hebbel’s „Nibelungen“, als der Preis vergeben werden sollte. Gustav Freytag, der in der Commission saß, schrieb an Eduard Devrient am 27. September 1863 über den „Alboin“: „Was sagen Sie zu dem Urtheil des Ausschusses über Consentius. Wenn es nach ihrem Herzen gegangen wäre, hätten sie dieses Stück prämiirt.“ Freytag stimmte gemeinsam mit Eduard Devrient dagegen. Devrient versagte dem Werke seines Schauspielers auch den Zugang zur Bühne. – Aus Gnade und Barmherzigkeit, wie es in Karlsruhe hieß, brachte er im Jahre 1867 (14. November) von C. den „Attila“ auf die Bretter. Der „Attila“ wurde zwei Mal aufgeführt und kam nie wieder vors Publicum, ebensowenig wie „Die Geige des Teufels“, ein kleines Ballet, zu dem C. das Libretto geschrieben. Sie errang am 18. Februar 1855 vor vollem Hause einen durchschlagenden Erfolg, der bei zwei darauf folgenden Aufführungen nicht abgeschwächt wurde.

Eduard Devrient war C. gegenüber kein fördernder Gönner, der ein Talent zu stützen suchte.

Den „Attila“ hatte der Großherzog von Weimar Karl Alexander rühmen hören; er forderte das Manuscript ein und gab seinem Intendanten, dem Herrn v. Loën, den Befehl, dies Stück in Weimar in Scene zu setzen; gleichwohl blieb der „Attila“ in Weimar unaufgeführt, wenn man auch dem Dichter ein Honorar von sechs Louis d’or für das „angenommene“ Stück anbot. „Alboin“ und „Attila“ bilden den Höhepunkt von Consentius’ Schaffen; daneben ist ein kleines, liebenswürdiges Stückchen „Ein Traum“ zu nennen, eine „dramatische Grille“. Während der Ferien 1876 verlor C. seine Frau nach langer, schwerer Krankheit. C. hatte Marie Bauer, eine Karlsruher Bürgerstochter, 1855 geheirathet, und manches lyrische Gedicht datirt aus jener Brautzeit, oder ist ihr gewidmet. In angestrengter Thätigkeit auf mathematischem Gebiete fand C. Trost für diesen Verlust. Er veröffentlichte [517] einzelne selbständige Studien („Beiträge zur Geometrie des Dreiecks“, Karlsruhe 1877; „Die Rückläufigkeit des Raumes ein Irrthum“, Leipzig und Karlsruhe 1881; „Usus est tyrannus, oder die Hinfälligkeit der Beweise für die Rückläufigkeit des Raumes“, Karlsruhe 1885) und Beiträge in Fachzeitschriften, hörte auch im Wintersemester 1878/79 mathematische Vorlesungen am Polytechnikum in Karlsruhe. Fast 70 Jahre alt faßte C. seine dichterische Entwicklung in vier Bänden „Dichtungen“ zusammen (Karlsruhe und Leipzig. Verlag von H. Reuther 1881, Bd. I, Gedichte; Bd. II, Alboin, Attila, Ein Traum; Bd. III, IV Nostradamus – 2. (Titel) Auflage, (Leipzig 1886). Diesen Bänden sandte der Greis einen fünften nach: „Neue Gedichte“ (Leipzig 1884 – Gedichte, 2. Auflage, Dresden und Leipzig 1901), dem er eine autobiographische Skizze voraussstellte.

Herbheit und ein stolzes Selbstbewußtsein ist dem Dichter bis zuletzt eigen gewesen, aber auch weiche, melancholische Klänge tönen in seinen Gedichten mit. Seine Talentlosigkeit, sich bei einflußreichen Persönlichkeiten beliebt zu machen, dazu das Gefühl des inneren Werthes, das er nicht verbarg, versagten ihm die Anerkennung Anderer, deren jeder Schaffende zu seiner gesunden Entwicklung bedarf.

Nekrolog von Eugen Kilian, Badische Landeszeitung 1887, Nr. 33, 35. – Badische Biographieen, herausgeg. von Friedr. v. Weech, Bd. IV, (1891), S. 66 ff. – Westermann’s Monatshefte, Heft 544, Januar 1902, S. 505 ff. – Die Gesellschaft, 18. Jahrg. 1902, Heft 9, S. 161 ff.