ADB:Cocceji, Heinrich Freiherr von

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Artikel „Cocceji, Heinrich von“ von Roderich von Stintzing in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 4 (1876), S. 372–373, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Cocceji,_Heinrich_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 11:18 Uhr UTC)
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Cocceji: Heinrich v. C., Jurist, geb. zu Bremen 25. März 1644, † zu Frankfurt a. O. 18. Aug. 1719, wendete sich, nachdem er seine Schulbildung in seiner Vaterstadt empfangen, im J. 1667 nach Leyden, um die Rechte zu studiren, und disputirte hier 1669 über seine Dissertation „De momentaria possessione etc.“, ging dann 1670 nach London, wo sein Muttersbruder H. v. Oldenburg als Secretär der königl. Gesellschaft der Wissenschaften lebte, beschäftigte sich mit Physik und Philosophie und erlangte 1670 in Oxford die juristische Doctorwürde. Im folgenden Jahre besuchte er Frankreich und kam, in der Absicht sich nach Speier an das Reichskammergericht zu begeben, nach Heidelberg. Hier zog er durch die öffentliche Vertheidigung seiner Abhandlung „De proportionibus“ die Aufmerksamkeit des Kurfürsten Karl Ludwig auf sich, ward zum Professor des Natur- und Völkerrechts, als S. Pufendorf’s Nachfolger ernannt, erhielt dann die Professur des Lehnrechts und 1680 auch die der Pandekten; ward 1682 kurfürstlicher geh. Staatsrath und Beisitzer des kurfürstlichen Revisionsgerichts. Die ihm von seiner Vaterstadt angetragene Rathsherrenstelle, Berufungen nach Utrecht und Frankfurt a. O. lehnt er ab. Nach der Capitulation Heidelbergs 1688 flüchtet er nach Würtemberg, folgt dann einer Berufung nach Utrecht, kehrt aber schon 1690 nach Deutschland zurück, durch Kurfürst Friedrich von Brandenburg zum Professor primarius in Frankfurt a. O. ernannt. Er blieb in dieser amtlichen Stellung bis zu seinem Tode, durch seinen Landesherrn, der inzwischen die Königswürde angenommen hatte, zum Geh. Rath und in den erblichen Adelsstand erhoben. – Seit dem J. 1673 bis zum J. 1720 war er mit Marie Salome Howard, Tochter des würtembergischen Kanzlers Howard, Herrn v. Dirsheim, verheirathet. Drei Söhne wurden ihm noch in Heidelberg geboren, von denen der älteste Friedrich Heinrich als Oberstlieutenant in pfälzischen Diensten 1703 bei Roermonde fiel. Die beiden jüngern Johann Gottfried (später Geh. Rath an der Regierung in Magdeburg) und Samuel (geb. 1679), der Erbe [373] des väterlichen Ruhmes, disputirten im J. 1699 zu Frankfurt a. O. öffentlich unter dem Präsidium ihres Vaters, welcher den letzteren im Januar 1703 zum Doctor promovirte. Neben seiner ausgedehnten akademischen und litterarischen Thätigkeit ist C. sowol in pfälzischen, wie in preußischen Diensten zu Staatsgeschäften verwendet worden; er wurde u. a. 1702 wegen der Oranischen Erbschaft nach dem Haag geschickt und hat für die verschiedensten Höfe Staatsschriften verfaßt, welche sich in seinen „Deductiones, consilia et responsa in causis illustrium“ gesammelt finden. Seine große wissenschaftliche Bedeutung liegt auf dem Gebiete des Naturrechts und des öffentlichen Rechts. In jenem bekämpft er die Principien des H. Grotius und Pufendorf’s, indem er als Grundquelle alles Rechts nicht die Socialität, sondern unmittelbar den befehlenden und erlaubenden Willen Gottes angesehen wissen will. Sein System, welches er niemals publicirt hat, ist nur durch seine Vorlesungen verbreitet und durch die Inaugural-Disputation seines Sohnes Samuel zu weiterer Geltung gebracht worden. Kurz vor seinem Tode (1719) erschienen dann seine „Autonomia justitiae gentium“ und der „Prodromus juris gentium“. – Für das öffentliche Recht ist er epochemachend deswegen, weil er in seiner „Juris publici prudentia“ 1695 zuerst ein selbständiges System aufstellte. Er gründet dasselbe nicht auf römische, noch auf naturrechtliche Principien, sondern erklärt in den Prolegomenis: „Quod in caeteris juris disciplinis ratio praestat, id in jure publico Germaniae historia.“ Demgemäß sucht er das deutsche Staatsrecht aus der deutschen Geschichte zu begründen,und wenn er auch dabei oft willkürlich zu Werke geht (wie z. B. in seiner berühmten Herleitung der Eintheilung in 10 Kreise aus den altdeutschen, bei Plinius, Strabo und Tacitus genannten Völkerschaften), so hat er doch durch Ablösung des deutschen Staatsrechts von den Grundlagen des römischen Rechts wesentlich in der durch Conring eröffneten Richtung mit gewirkt. Auf dem Gebiete des Privatrechts vertritt er dagegen mit großer Entschiedenheit die Geltung des römischen Rechts gegen die Theorie der neuen germanistischen Richtung. – Schriften: die kleineren gesammelt in „Exercitationum curiosarum Vol. 1. 2.“, Lemgoviae 1722. 4. „Deductiones, consilia et responsa in causis illustrium“, Lemgoviae 1725, 1728. 2 voll. fol. „Juris publici prudentia“, Francof. ad V. 1695. 1700. 1705. 1718. 1723. „Hypomnemata juris feudalis“ Francof. ad V. 1693, 1702, 1707. „Hypomnemata juris ad seriem Institutionum“, Francof. 1698. „Autonomia juris gentium“, Francof. 1718. „Prodromus justitiae gentium“, Francof. 1719. „Grotius illustratus“, voll. 4. Vratislaw. 1744–52. fol. herausgegeben von Samuel Cocceji mit dessen introductio und observationes. Spätere Ausgaben: Lausanne 1751. 5 voll. 4. Genf 1755. fol.

Vgl. Fata et merita H. de Cocceji vor Exercitat. curios. Vol. 1, danach Moser, Niceron, Pütter.