ADB:Braun, Paul von
*): Paul von B., hervorragender Verwaltungsbeamter, königlich bairischer Staatsminister a. D., Staatsrath und Regierungspräsident der Pfalz, geboren am 16. September 1820 zu Kitzingen am Main, † am 26. Februar 1892 in Speier. Sein Vater war Apotheker in Kitzingen, ein Bruder von ihm mit dem Vornamen Friedrich hat die Feldzüge von 1866 und 1870/71 mitgemacht und wurde als Major quiescirt († 1886). B. erhielt im Hause seines Vaters eine sorgfältige Erziehung, besuchte die Lateinschule in Kitzingen und das Gymnasium in Würzburg, das er 1839 mit der ersten Note absolvirte. Er studirte hierauf Jurisprudenz an den Universitäten Würzburg und Heidelberg und gehörte dem Corps Mönania in Würzburg an. 1844 bestand er die Universitätsschlußprüfung in Würzburg, prakticirte hierauf am Landgericht (jetzt Amtsgericht) Kitzingen und am Stadtgericht Würzburg. 1846 bestand er die juristische Staatsprüfung mit der ersten Note als der erste unter allen Candidaten; damit eröffnete sich ihm eine glänzende Laufbahn. 1847/48 prakticirte er an der kgl. Regierung von Unterfranken in Würzburg, 1848 erlangte er den Acceß bei der kgl. Regierung von Schwaben in Augsburg, 1850 wurde er zum Regierungssecretär in Augsburg ernannt, 1852 zum Regierungsassessor daselbst befördert, 1856 erfolgte seine Berufung als Geheimer Secretär in das kgl. Staatsministerium des Handels und der öffentlichen Arbeiten in München. 1859 wurde er zum Ministerialassessor (= Regierungsrath) und 1866 zum Ministerialrath im Handelsministerium befördert. 1869 wurde er zum Staatsminister des Innern und Staatsrath im ordentlichen Dienst und 1871 zum Staatsrath im außerordentlichen Dienst und Regierungspräsidenten der Pfalz ernannt. 1867 war B. in Anerkennung seiner vorzüglichen Dienste durch Verleihung des Ritterkreuzes des Verdienstordens der bairischen Krone ausgezeichnet und dadurch in den Adelstand des Königreichs erhoben worden.
BraunB. war in allen Aemtern ein vorzüglicher Arbeiter, weshalb er so rasch [673] zu den höchsten Stellen emporstieg und schon mit 49 Jahren Minister wurde. Als Ministerialassessor erhielt er unter dem Ministerium Frhr. v. Schrenck einen ehrenvollen Auftrag, den er zur vollsten Zufriedenheit seiner Vorgesetzten erledigte. Das bairische Gewerbegesetz von 1825 war in der Erwägung erlassen, daß der Einführung der Gewerbefreiheit noch erhebliche Bedenken entgegenstünden, und in der Absicht, die Hindernisse des Kunstfleißes zu beseitigen, die Ausbildung in den Gewerben zu fördern. und die inländische Industrie zu einer höheren Stufe der Vollkommenheit zu erheben. Allein die Fesseln, die dem Gewerbe noch anhafteten, hemmten den Aufschwung und waren begabten und strebsamen Handwerksmeistern in ihrem Fortkommen sehr hinderlich. Da faßten 1861 beide Kammern des Landtages den Gesammtbeschluß, an den König die Bitte zu richten, bis zum Zustandekommen eines neuen Gewerbegesetzes das Gesetz von 1825 in der seinem Geiste entsprechenden Weise zu vollziehen, und im Landtagsabschiede vom 10. November 1861 stellte der König das in Aussicht. B. wurde mit der Sache betraut. Bald erschien „Das Gewerbs-Gesetz für das Königreich Bayern diesseit des Rheines vom 11. September 1825 nebst der Vollzugs-Instruction vom 21. April 1862 und den dazu gehörigen Verordnungen und oberpolizeilichen Vorschriften“. Hierzu veröffentlichte B. am 21. April 1862 die von ihm verfaßte „Beleuchtung der Vollzugs-Instruction zum Gewerbsgesetze von 1825“. Allein mit dieser Abschlagszahlung waren die jüngeren und begabten Handwerksmeister nicht zufrieden; sie verlangten, daß man ihnen überall im Lande die freie Ausübung ihres Gewerbes gestatte, weil „sie sich zu lebenslänglicher Dienstbarkeit verurtheilt und verhindert sahen, ihre Fähigkeit und Kraft zur Begründung selbständiger Lebensverhältnisse zu benützen“. Selbst in Oesterreich war die Einführung der Gewerbefreiheit vorbereitet und im linksrheinischen Baiern (Pfalz) war sie zum Segen der Provinz schon seit der französischen Revolution eingeführt. Die bereits ansässigen Meister dagegen berechneten ihren Schaden im Falle der Einführung der Gewerbefreiheit auf 68 Millionen Gulden. Doch die Zeit drängte mit unwiderstehlicher Gewalt vorwärts. Der damalige Handelsminister v. Schlör war ein einsichtsvoller Mann und beauftragte den unterdessen zum Ministerialrath beförderten B., ein neues Gewerbe-Gesetz auf freiheitlicher Grundlage auszuarbeiten. Der Gesetzentwurf wurde in beiden Kammern angenommen und erhielt am 30. Januar 1868 die Genehmigung des Königs; das Gesetz trat am 1. Mai 1868 in Kraft. Alle Staatsangehörigen waren jetzt zum Betrieb von Gewerben im ganzen Königreich berechtigt. Dadurch ist B. der Schöpfer der Gewerbefreiheit in Baiern geworden. Auch das Referat für das technische Unterrichtswesen, das mit dem Gewerbewesen im Zusammenhang steht, führte B. in exakter und mustergültiger Weise.
Mit der glatten Durchführung des überaus wichtigen Gewerbegesetzes hatte B. gezeigt, daß er den schwersten Aufgaben im modernen Staate gewachsen war, und sich die Wege zu einer Ministerstelle gebahnt, und als Herr v. Hörmann am 9. December 1869 zurücktrat, wurde B. am 20. December 1869 zum Minister des Innern ernannt. Als solcher veranlaßte er den Erlaß der Allerhöchsten Verordnung vom 28. Juli 1870, die Errichtung von Bürgerwehren (Civil-Sicherheitsinstitut) betreffend, nachdem ein bezüglicher Gesetzentwurf in der Kammer nicht mehr zur Berathung gelangt war, die damaligen Kriegsläufte aber solche Bürgerwehren zu erfordern schienen. Es wurde den Städten und Märkten gestattet, zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit im Gemeindebezirke freiwillige oder auch aus [674] den zum Gemeindedienste Verpflichteten taugliche Männer zur Theilnahme zu berufen. Die Verordnung konnte unter Umständen sehr nützlich wirken.
Von dem damaligen bairischen Ministerpräsidenten Fürsten v. Hohenlohe, dem späteren Reichskanzler, ist bekannt, daß er von der Verkündigung der päpstlichen Unfehlbarkeit Schlimmes für die innere Selbständigkeit der überwiegend katholischen Staaten, insbesondere Baierns, befürchtete. B. soll als Minister des Innern in der kirchlichen Frage auf entschiedenes Vorgehen gedrungen haben (vgl. Allgemeine Zeitung von 1871, S. 4094), doch Hohenlohe wich schon am 8. März 1870 dem Ansturm der „Patrioten“, und sein Nachfolger Graf v. Bray, war ein conservativer Mann, der in kirchlichen Dingen sich passiv verhielt.
In Braun’s Ministerzeit fielen sodann die für unsere deutschen Geschicke so überaus wichtigen Kriegsjahre 1870/71. B. zeigte sich damals als bairischer Minister dem großen Momente gewachsen, mit einem gewissen Stolze sagte er mir einst zum Beweise seiner deutschen Gesinnung: „Mein Name steht unter den Versailler Verträgen“. In Baiern walteten derzeit eigenthümliche Verhältnisse. Der große siegreiche Krieg hatte den Patriotismus der ganzen Bevölkerung mächtig entfacht, in den deutschen Reichstag wurden 30 Liberale und nur 18 vom Centrum gewählt; hätte man derzeit die Abgeordnetenkammer aufgelöst, die den deutschen Bündnißverträgen erst am 21. Januar 1871 mit größtem Widerstreben zustimmte, nachdem bereits am 18. Januar 1871 der deutsche Kaiser in Versailles proklamirt worden war, so wäre eine entschieden liberale Kammer gewählt worden; allein die Liberalen, denen man in der inneren Politik zuneigte, schienen den leitenden Kreisen allzu nachgiebig gegen Preußen zu sein, wogegen man die „Patrioten“ als Particularisten ausspielte. Die Ministerien hatten dabei keine lange Dauer, Graf v. Bray wollte, nachdem er den Eintritt Baierns in das deutsche Reich bewerkstelligt hatte, auf seinen ihm angenehmen Wiener Gesandtschaftsposten zurückkehren und erhielt schon am 22. Juli 1871 seine Entlassung. An seine Stelle trat Graf v. Hegnenberg-Dux, der unterm 21. August 1871 zum Ministerpräsidenten ernannt, den Versuch machen sollte, zwischen den beiden, fast gleich starken Parteien zu vermitteln. Da B. die mehrfachen Schwenkungen im Innern nicht mitmachen wollte, bat er um seine Entlassung, die ihm vom 23. August 1871 an „in wohlgefälliger Anerkennung seiner mit regem Pflichteifer und vollster Hingebung geleisteten ersprießlichen Dienste“ unter Verleihung des Großcomthurkreuzes des Ordens vom hl. Michael gewährt wurde. Nicht ganz zwei Jahre war B. Minister gewesen, aber in der wichtigsten Zeit des ganzen Jahrhunderts. Sein Rücktritt war wohl das Beste, was er thun konnte; denn in der Abgeordnetenkammer tobte der Kampf der fast gleich starken Parteien, mit denen nur schwer etwas Positives geschaffen werden konnte. B. war eine vornehme, friedliebende Natur, dessen größte Freude es war, im Einvernehmen mit den gesetzgebenden Factoren möglichst viel Gutes für das Land zu schaffen; als Minister aber hätte er seine Arbeitskraft durch Kämpfe mit den Parteien aufzehren müssen. Sein Nachfolger dagegen, der seitherige Regierungspräsident der Pfalz Herr v. Pfeufer, war eine mehr kampfesfreudige Natur, der entschlossen war, gestützt auf das Vertrauen des Königs, unbekümmert um die Gunst und die Sonderinteressen der Parteien, die Rechte der Krone zu wahren und das Wohl der Gesammtheit zu fördern.
An Stelle von Pfeufer wurde B. unterm 30. September 1871 vom 1. October 1871 an zum Regierungspräsidenten der Pfalz ernannt; am 15. October traf er zur Uebernahme seines neuen Amtes in der Provinzhauptstadt Speier ein. Daß B. zum Präsidenten der Pfalz ernannt wurde, [675] war ein unverkennbares Zeichen des Allerhöchsten Vertrauens. Es galt die vor 1870 viel gefährdete Provinz fester mit Baiern zu verknüpfen, auch hatte die Pfalz aus der Zeit der französischen Herrschaft noch viele Sonderrechte und Eigenthümlichkeiten bewahrt, die man schonen mußte, und die Pfälzer waren ein begabtes, gebildetes, Freiheit liebendes und vorwärts strebendes Volk, die jetzt viel lieber zu Baiern gehörten, nachdem dieses an das große deutsche Vaterland angeschlossen war. In der Pfalz war die Erinnerung an die Reactionszeit noch sehr lebendig, da der 1850 ernannte Regierungspräsident v. Hohe erst 1866 seiner Stelle enthoben worden war; doch war die Regierung in der Pfalz seit 1859 viel wohlwollender geworden. Hier fand nun B. mit seinem einsichtsvollen und volksfreundlichen Wesen und seiner großen Schaffensfreudigkeit ein überaus fruchtbares Feld der Thätigkeit. Vortrefflich führte er sich ein in der ersten Sitzung des Landrathes, die er am 2. November 1871 in Speier eröffnete mit dem Hinweise, daß er kein Fremdling in ihrer Mitte sei, indem er in seinen früheren Stellungen jahrelang mit dem Referate über die Verhandlungen des Landrathes betraut gewesen und ihnen stets mit großer Vorliebe gefolgt sei, weil sie umsichtig, gründlich und objectiv die Berathungsgegenstände gewürdigt und sich redlich bestrebt hätten, allen Bedürfnissen der Pfalz gerecht zu werden und mit ihrer musterhaften Opferwilligkeit der Kreisregierung die erforderlichen Mittel gewährt hätten; er schätze sich glücklich, nunmehr auch persönlich mit ihnen verkehren zu können. Die Pflege des Unterrichtes, der die Grundlage der wahren Freiheit, der Civilisation und des Wohlstandes bilde, betrachte er als eine besonders wichtige und ihm besonders willkommene Aufgabe. Die Förderung des materiellen Wohles und die Entwicklung eines regen geistigen Lebens möge das gemeinsame Ziel sein. Frei von der Gefahr, bei jeder politischen Verwicklung mit Frankreich Kriegsschauplatz zu werden, stehe dem Aufblühen der Landwirthschaft und Gewerbe, der Erweiterung des Fabrikbetriebes, der Ausdehnung des Handels kein Hemmniß mehr im Wege. Im einheitlichen Zusammenwirken mit dem Landrathe finde er die Bürgschaft einer den landesväterlichen Absichten des Königs entsprechenden Verwaltung. Mit diesen trefflichen Worten hatte sich B. die Landräthe gewonnen, und dieser Geist des gegenseitigen Einvernehmens und Vertrauens waltete während seiner ganzen mehr als zwanzig Jahre währenden Regierungszeit zum Wohle der Pfalz. Die Landrathspräsidenten erkannten wiederholt am Schlusse der Berathungen an, daß die Kreisregierung in hohem Grade den Wünschen der Bevölkerung entspreche (1880), sowie daß sie unermüdlich bestrebt sei, Bestehendes zu bessern und Gutes neu zu schaffen ununterbrochen und allenthalben (1881). So wurde die Verbindung der Pfalz mit dem räumlich getrennten Baiern immer fester und inniger, und als der Prinz-Regent Luitpold 1888 der Pfalz seinen ersten Besuch abstattete, wurde er überall aufs glänzendste und herzlichste empfangen; für diese Aufnahme hatte B. durch seine jahrelange ausgezeichnete Thätigkeit zum Wohle der Pfalz den Boden bereitet.
Aus der großartigen amtlichen wie außeramtlichen Wirksamkeit Braun’s in der Pfalz möge nur Nachstehendes hervorgehoben werden, das vielfach nur durch sein Eingreifen erreicht wurde. Wie er in seiner Antrittsrede angekündigt, sorgte er für das Schulwesen auf alle Weise. Die Volksschule war ihm besonders am Herzen gelegen. Recht nachtheilig wirkte in der Pfalz der Lehrermangel, den man nur durch bessere Bezahlung der Lehrer heben konnte, was auf Betreiben Braun’s von Seiten des Kreises nach Kräften geschah. Dem Verein dienstuntauglicher Schullehrer wurde ein jährlicher Zuschuß von 15 000 Mark gewährt, ebenso erhielt die Schullehrer-Wittwen- und Waisencasse [676] Beiträge. Die geistliche Schulaufsicht genügte nicht, es wurde deshalb 1873 ein fachmännisch gebildeter Kreisschulinspector für die technische Hebung des Volksschulwesens angestellt; schon im ersten Jahre fanden 97 außerordentliche Schulvisitationen statt, 1877 kamen drei weitere Kreisschulinspectoren dazu. Für jedes Bezirksamt wurde ein Bezirkshauptlehrer für Fortbildung des Lehrerpersonals ernannt. Bezirkslehrer-Bibliotheken wurden gegründet, viele neue Schulgebäude aufgeführt, eine neue Schul- und Lehrerordnung 1884 erlassen.
Dem Mittelschulwesen wandte B. die gleiche Fürsorge zu, war er doch Referent für das technische Unterrichtswesen im Ministerium gewesen. 1871 gab es fünf dreiclassige Gewerbeschulen in der Pfalz, die 1877 zu sechsclassigen Realschulen erweitert wurden mit der Berechtigung, den Absolventen Zeugnisse für die Ableistung des einjährig-freiwilligen Militärdienstes auszustellen. Zu den Realschulen in Speier, Neustadt, Landau, Kaiserslautern und Zweibrücken kamen 1886 Ludwigshafen und 1888 Pirmasens hinzu. Mit der Kreisrealschule Kaiserslautern wurde eine mechanische Werkstätte zur Heranbildung von Vorarbeitern, Werkmeistern, Monteuren u. s. w. verbunden. Den Rectoren der Realschulen, die bisher nur Functionäre waren, wurde 1892 ein höherer Rang und pragmatisches Gehalt als den ihnen unterstellten Lehrern verliehen, ja die Vorstände der größeren Schulen erhielten 1909 sogar den Rang und Gehalt von Regierungsräthen. Lateinschulen (= fünfclassige Untergymnasien) gab es 19 im Kreise, von denen sechs nach 1870 entstanden. Die mit Obergymnasien verbundenen in Kaiserslautern, Landau und Neustadt wurden 1896 auf Staatskosten übernommen und dadurch der Kreis entlastet.
1874 wurde in Kaiserslautern, der damals größten und gewerbreichsten Stadt der Pfalz, für Heranbildung tüchtiger Bauhandwerker eine bald sehr besuchte Kreis-Baugewerkschule, zunächst mit zwei Cursen, errichtet, an die sich schon 1877 ein dritter und 1887 ein vierter aufsteigender Curs anschloß. 1880 fand die erste pfälzische Ausstellung von Lehrlingsarbeiten statt. Auch Schülerarbeiten von Oberclassen der Volksschulen wurden ausgestellt. Zur Förderung des Kunsthandwerkes, zur Hebung des Formenverständnisses und Geschmackes sowie der Thätigkeit und des Wohles der gewerblichen Bevölkerung wurde in den Jahren 1875–1881 ein Kunstgewerbemuseum in Kaiserslautern erbaut, Brauns eigenste Schöpfung und zugleich sein Schmerzenskind, dem er in seinem Testamente 110000 Mark vermachte. Der Rohbau kostete allein über 300 000 Mark. Dieses Museum trat in enge Verbindung mit der Baugewerkschule, deren Rector zugleich an der Spitze des Museums stand. Dem Gewerbe ließ B. überhaupt jegliche Förderung zu Theil werden. Zur Förderung des Handwerks in Stadt und Land diente auch die aus Anlaß des 700jährigen Regierungsjubiläums des Hauses Wittelsbach 1880 errichtete Wittelsbacher Landesstiftung, an deren Spitze ein Kreisstiftungsrath stand, dessen Vorsitz B. übernahm. Auch hiefür spendete er aus privaten Mitteln 10 000 Mark. Zur Hebung des pfälzischen Handels- und Gewerbestandes wurde 1877 eine pfälzische Handels- und Gewerbekammer in Ludwigshafen a. Rhein errichtet. Um für die weibliche Bevölkerung eine neue Erwerbsquelle zu schaffen, veranlaßte B. 1873 die Errichtung einer Frauenarbeitsschule in Speier, die bald von mehr als 100 Schülerinnen besucht war. Auf die Erhaltung bestehender und Errichtung neuer gewerblicher und landwirthschaftlicher Fortbildungsschulen und Winterabendschulen war er bedacht. In Steinfeld entstand 1878 eine Korbflechtschule. Die landwirthschaftliche Kreiswinterschule in Kaiserslautern wurde 1878 reorganisirt und 1887 erweitert; [677] sie war mit der dortigen Kreisrealschule verbunden. 1875 wurden Lehr- und Uebungscurse im Zeichnen und in der gewerblichen Buchführung für Zeichenlehrer an der Kreisgewerbschule Kaiserslautern eingerichtet. In Lambrecht wurde eine Webschule für Leinen-, Damast- und Baumwollweberei errichtet und diese 1880 als Gemeindeanstalt erklärt, die vom Kreise einen Zuschuß erhielt. In Kirchheimbolanden wurde 1884 eine Obst- und Weinbauschule gegründet. Auch den Arbeiterbildungsvereinen wandte B. namhafte Mittel zu.
Wie auf die Hebung des Handwerks war er auf die der Landwirthschaft bedacht. Er richtete landwirthschaftlichen Wanderunterricht ein, der Anklang fand. Ueber zwanzig Jahre war er Vorsitzender des landwirthschaftlichen Kreisausschusses der Pfalz, und in seinem Testament bedachte er den landwirthschaftlichen Kreisverein mit 10 000 Mark. Da der Getreidebau wegen der zunehmenden Concurrenz des Auslandes nicht mehr recht lohnte, so suchte er die Viehzucht als eine bedeutende Quelle des Wohlstandes zu heben; für die Erhaltung der trefflichen einheimischen Donnersberger und Glanthaler Viehrasse that er, was in seinen Kräften stand. Es wurde 1874 eine Kreisthierschau veranstaltet und 1881 eine weitere in Speier aus Anlaß der 27. Wanderversammlung der bairischen Landwirthe, der auch Prinz Ludwig von Baiern beiwohnte. Stammzuchtbezirke wurden gebildet und Preiszuchtmärkte abgehalten. Für Hebung der Pferdezucht wurde 1874 ein Kreisgestüt in Zweibrücken errichtet, wozu der Staat zuletzt einen jährlichen Zuschuß von 34 000 Mark leistete; 1890 übernahm es der Staat ganz, wodurch der Kreis 30 000 Mark jährlich sparte. Um einen stärkeren Wagenschlag zu erzielen, wurden 1877 von auswärts Beschäler und Stuten bezogen und Beschälstationen errichtet. Zur Hebung der Pferdezucht wurden auch Pferderennen mit Preisvertheilung veranstaltet, zuerst in Zweibrücken, dann auch für die Vorderpfalz in Haßloch seit 1887. Der Pfälzische Rennverein in Zweibrücken richtete sein Augenmerk auf die Zucht von edleren Pferden. In Eichelscheid wurde 1881 ein Kreisfohlenhof errichtet, der bald sehr beliebt wurde; ein gleicher 1886 in Haßloch. Den Hufbeschlagschmieden wurden Stipendien gewährt und schließlich eine Hufbeschlagschmiede eingerichtet. 1891 fand die erste pfälzische Gartenbauausstellung statt, deren Protectorat B. übernahm. Seit 1869 war ein Kreis-Culturingenieur (Kreiswiesenbaumeister) angestellt, der viel für die richtige Bewässerung der Wiesenthäler und der Entwässerung der Rheinniederung that. Die ausgedehnten Waldungen der Pfalz, die 40% der ganzen Provinz bedecken, wurden in bestem Stand erhalten. Eine agriculturchemische Versuchsstation gegen Gefährdung der Weinberge durch Insekten wurde durch den landwirthschaftlichen Kreisausschuß ins Leben gerufen.
In Kaiserslautern wurde eine meteorologische Station errichtet. Daselbst wurde 1884 ein Molkereicurs abgehalten. 1884 wurde den pfälzischen Landwirthen gestattet, der bairischen Hagelversicherungsanstalt beizutreten, dagegen der Brandversicherungsanstalt erst 1890. Bei Wetterschäden, Hagelschlag, Wolkenbrüchen, Frost wurde wiederholt die Hülfe des Kreises in Anspruch genommen, so in den Jahren 1873, 1876 und 1883. Die Unfall- und Krankenversicherung der in land- und forstwirthschaftlichen Betrieben beschäftigten Personen nach dem Reichsgesetz von 1886 trat vom 1. Januar 1889 an in vollem Umfange in Kraft. Die Gründung einer pfälzischen Bodencreditbank wurde schon 1880 als Bedürfniß empfunden und beschäftigte die Regierung und den Landrath mehrere Jahre, bis 1886 die Pfälzische Hypothekenbank gegründet wurde. Der Rhein bereitete den Anwohnern in Hochwasserzeiten schwere Sorgen, einzelne Gemeinden suchten sich durch locale Dämme zu schützen, die aber zu schwach und niedrig waren; hier mußte der [678] Kreis, ja selbst das ganze Land mit eingreifen. 1872 stieg der Rhein plötzlich und gewaltig während des Fronleichnamfestes. Damals wurde wie 1876 die Ueberschwemmungsgefahr glücklich abgewendet, aber 1882 brachen die Rheindämme bei Oppau der Neckarmündung gegenüber, was gar nicht zu verwundern war; denn die gewaltigen Wassermassen, die der Neckar plötzlich von der Rauhen Alb herabführte, bedrohten selbst die Stadt Mannheim, die schnell ihre Dämme erhöhte. Damals mußte die Pfalz 902&000nbsp; Mark für Wiederherstellung und Verstärkung der Rheindämme aufwenden, wovon der Staat Baiern die Hälfte trug. 1234 Gebäude waren zerstört worden. Für Instandhaltung, Verbesserung und Neuherstellung von Straßen und Wegen wurde viel gethan, die Pfalz hat die meisten und besten Districtsstraßen Baierns. Auch für den Ausbau des pfälzischen Bahnnetzes wurde Sorge getragen, so 1876 für die Weiterführung der Rheinbahn von Germersheim bis an die elsässische Landesgrenze bei Lauterburg.
Für die pfälzischen Wohlthätigkeitsanstalten sorgte B. in jeder Weise. Die Kreis-Armen- und Krankenanstalt in Frankenthal wurde wiederholt mit bedeutenden Kosten erweitert, 1887 wurde ein neues, schönes Krankenhaus für 550 Personen erbaut, das über 300 000 Mark kostete. Die mit ihm verbundene Kreis-Taubstummenanstalt wurde von ihm getrennt und ganz selbständig gestaltet 1885. Die Kreis-Irrenanstalt Klingenmünster war überfüllt und erhielt mehrere Erweiterungsbauten, schließlich aber mußte doch eine zweite derartige Anstalt erbaut werden, die Heil- und Pflegeanstalt Homburg, die 1909 fertig gestellt wurde. 1883 wurde auch der Bau eines Waisenhauses in Homburg angeregt und wurde zunächst ein Fonds angesammelt, der heute 534 000 Mark beträgt. Für den Unterhalt von Waisen und verlassenen Kindern gab der Kreis 1874 20 000 Gulden aus. Auf Braun’s Anregung hin wurde die Prinzregent-Luitpold-Stiftung für Nothstände in der Pfalz errichtet, für die er aus seinen privaten Mitteln 10 000 Mark spendete. Ende 1907 hatte diese ein Vermögen von 160 000 Mark. Dem Hospital in Speier schenkte B. 20 000 Mark. Für seine Kreisbeamten sorgte er nach Kräften; wiederholt wurden deren Gehaltsbezüge aufgebessert und den höheren Beamten pragmatische Rechte verliehen. 1880 wurde für die pfälzischen Kreisbediensteten und deren Hinterbliebene eine Unterstützungscasse errichtet, der er in seinem Testamente 5000 Mark vermachte. 1883 wurde eine Pensionscasse für die Districtsstraßenwärter gegründet. Sein eigenstes Werk war die Gründung des pfälzischen Dienstbotenstiftes, das 1876 zur Kreisanstalt erklärt wurde. Die in den niedersten Stellungen längere Jahre treu ausharrenden Personen sollten belohnt und ihr Alter sorgenfrei gestaltet werden. Zunächst wurde ein Capitalstock angesammelt, es sollten dann die Zinsen zur Gewährung von Aufmunterungspreisen, Aussteuerprämien, Präbenden und Geldgeschenken alljährlich verwendet werden. 1878 wurden zum ersten Male Preise vertheilt, 700 Bewerber hatten sich gemeldet, aber nur 900 Mark standen zur Verfügung. Mit jedem Jahre mehrten sich die Mittel, indem Gemeinden, Districte, Corporationen Beiträge leisteten; B. selbst schenkte dem Stift testamentarisch 10 000 Mark. Vorsitzender des Kreisausschusses war B. bis zu seinem Tode. Ende 1907 betrug das Vermögen 200 000 Mark, 1909 wurden 6520 Mark vertheilt. Auch die pfälzische Aussteueranstalt hat er gegründet und war Vorsitzender des Verwaltungsrathes. Der bairische Landeshülfsverein vom Rothen Kreuz, Zweigverband Pfalz, der 1870/71 so unendlich viel für die Pflege verwundeter und kranker Krieger gethan hatte, bestand weiter, da besonders in den ersten Jahren nach 1871 erneute Kriegsgefahr drohte. Ueber 20 Jahre war B. Vorsitzender des bezüglichen Kreisausschusses.
[679] Nach 1871 hatten sich überall Kriegervereine gebildet, die sich zu Kriegs- und Landesverbänden zusammenschlossen. In der Pfalz bildete sich 1873 die Pfälzische Kampfgenossenschaft, die jetzt 30 000 Mitglieder, und in Baiern 1874 der Bairische Veteranenbund, der jetzt 170 000 Mitglieder zählt. Diesen Corporationen, welche die Pflege vaterländischer und monarchischer Gesinnung sowie die Unterstützung nothleidender Kameraden als ihren Hauptzweck bezeichneten, wandte B. sein ganzes Interesse zu und wurde deshalb 1886 zum Ehrenmitgliede des Bairischen Veteranenbundes ernannt. Ueber zwanzig Jahre war B. auch erster Vorsitzender des Historischen Vereins der Pfalz. Die überaus werthvollen Sammlungen, die viele römische Alterthümer enthalten, haben sich unter seiner Vorstandschaft verzehnfacht. Dieselben waren nothdürftig im Realschulgebäude in Speier untergebracht. B. erkannte die Nothwendigkeit der Herstellung eines eigenen Museums und versuchte die Stadt Speier zum Bau eines solchen zu bestimmen, doch diese schrak vor den bedeutenden Kosten zurück; endlich 1909 ist das Historische Museum der Pfalz vollendet, nachdem der Kreis und der Staat bedeutende Zuschüsse geleistet und viele Gönner reiche Beiträge Jahre lang gegeben haben. In drei Regierungspräsidialerlassen von 1875, 1877 und 1887 forderte B. die ihm unterstellten Behörden auf, über die Bodenschätze der Vorzeit zu wachen, daß sie nicht bei Ausgrabungen zerstört, verschleudert oder durch Händler in das Ausland verschleppt werden. Für die Erhaltung der Baudenkmale der Pfalz, der Ruinen, Klöster, Kirchen hat er manches gethan, so für Eußerthal, Dernbach, Enkenbach, Seebach bei Dürkheim. Die pfälzischen Baudenkmale wurden 1887 inventarisirt. Bei seinen vielen großartigen Leistungen bemühte er sich die Mittel der Provinz möglichst zu schonen. Die Pfalz hatte unter allen Kreisen Baierns die größten Umlagen; da galt es zu sparen, aber nicht in unrichtiger Weise, so daß absolut Nöthiges unausgeführt blieb und dadurch dauernde Nachtheile entstanden. Die Kreisumlagen betrugen in den Jahren 1853–1858: 53 % der Staatssteuern, 1859–1864: 50 %, 1865–1870: 45 %, 1872: 44 %, 1873: 52,5 %, 1882 nur 32,5 % (die geringste Umlage seit Jahrzehnten), 1885 stiegen sie wieder auf 39,8 %, aber unter B. nicht mehr über 40 %.
Am 1. October 1891 waren es 20 Jahre, daß B. an der Spitze der Kreisregierung der Pfalz stand; noch nie hatte ein Regierungspräsident die Provinz so lange und zugleich so trefflich verwaltet. Herr v. Stichaner war 15 Jahre (1817–1832) Präsident gewesen und Herr v. Hohe 16 Jahre (1850–1866), alle übrigen Präsidenten des 19. Jahrhunderts standen der Provinz höchstens fünf Jahre vor, zwei nur einige Monate. Der Tag wurde von der ganzen Pfalz großartig und in der herzlichsten Weise gefeiert (siehe Pfälzisches Museum von 1891, S. 42); bis zum 25. Dienstjahre wollte man bei dem hohen Alter des Jubilars nicht warten, und wie richtig dies war, sollte sich nur zu bald zeigen. Am 21. Februar 1892 wurde B. von der Influenza befallen; trotzdem widmete er sich noch am 23. den Pflichten seines Amtess. In der folgenden Nacht kam eine Lungenentzündung hinzu, die seinem Dasein schon nach zwei Tagen (am 26.) ein Ende machte; am 29. Februar wurde seine Leiche unter Theilnahme aus der ganzen Pfalz auf dem Friedhofe zu Speier beerdigt. B. blieb unvermählt, was er in höherem Alter bereute. An Orden und Auszeichnungen aller Art hat es ihm nicht gefehlt. Mehrere Städte verliehen ihm das Ehrenbürgerrecht, so Kaiserslautern 1890.
- Dr. J. J. H. Schmitt im Pfälzischen Museum von 1891, S. 33 u. 42 sowie 1892, S. 13 f. – „Bayerland“, 3. Jahrgang 1892, Nr. 26. – Kreisamtsblätter der Pfalz 1862–1892. – Mittheilungen Sr. Excellenz des kgl. Staatsrathes Carl v. Krazeisen im Staatsministerium des Innern [680] in München und von Braun’s Cousine Dorine Braun in Würzburg. – Mittheilungen des Historischen Vereins der Pfalz von 1872, III, S. 162 u. 1892, XVI, S. VII f u. 172 ff.
[672] *) Zu Bd. XLVII, S. 203.