ADB:Bockshammer, Gustav Ferdinand

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Bockshammer, Gustav Ferdinand“ von Edmund Pfleiderer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 2 (1875), S. 791–792, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Bockshammer,_Gustav_Ferdinand&oldid=- (Version vom 26. Dezember 2024, 06:35 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Bocksdorf, Tammo von
Band 2 (1875), S. 791–792 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Nach Wikipedia-Artikel suchen
Gustav Ferdinand Bockshammer in Wikidata
GND-Nummer 101695055
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|2|791|792|Bockshammer, Gustav Ferdinand|Edmund Pfleiderer|ADB:Bockshammer, Gustav Ferdinand}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=101695055}}    

Bockshammer: Gustav Ferdinand B., geb. 13. Jan. 1784 zu Buttenhausen (Würtemberg), durchlief die Klosterschulen Blaubeuren und Bebenhausen und bezog 1801 das evangelische Seminar in Tübingen. Von 1806 an war er Pfarrvicar, theilweise im elterlichen Hause. 1810 kam er als Repetent nach Tübingen, um im selben Jahr die Pfarrstelle seines eben verstorbenen Vaters in Buttenhausen zu übernehmen. Er starb daselbst schon 1822 in der Blüthe der Jahre und vollen Kraft. Die beiden schön zusammenhängenden Schriften, welche seinen Namen rühmlich bekannt machten, sind: „Die Freiheit des menschlichen Willens“, 1821, und „Offenbarung und Theologie“, 1822. Der Standpunkt dieser mit höchst anziehender Wärme und Klarheit, ohne alle Flachheit, geschriebenen „Versuche“, wie sie der frische Verfasser selbst nennt, ist ein gemäßigter Schellingianismus, obwol ihr Urheber sich ausdrücklich auch für seine Person die „Freiheit“ der Forschung vorbehält. In der Freiheitslehre, die sich sachlich als Fortbildung der berühmten Schelling’schen Schrift darstellt, wird zunächst die theoretisch-abstracte (Hegel’sche) Fassung ethischer Begriffe abgewiesen, sodann aber auch an Schelling das allzu „naturgewächsartige“ Theogonische abzustreifen versucht. Genauer wird der sogenannte Prädeterminismus dieses Philosophen (und Kant’s) als nichts erklärende, das Problem nur zurückschiebende und jedenfalls keine empirische Freiheit gewährende Hypothese kritisirt. Letztere aber sucht der Verfasser, von der Betrachtung des Geistes und nicht der Natur ausgehend, zunächst als Thatsache darzuthun, indem er das ganze höhere Geistesleben (wie gleich das Selbstbewußtsein) als lediglich überempirische Geistesthaten oder Urwollungen mitten in der Empirie bezeichnet und dann sich auf das specifische Wesen der sittlichen Begriffe von Sollen, Schuld, Reue u. dgl. beruft, über die, als die wichtigsten, doch keine innere Selbsttäuschung möglich sei. Transcendental aber rechtfertigt sich diese empirisch-thatsächliche Freiheit, wenn anders Gott als der persönliche, sich selbst um des Geschöpfs willen ethisch beschränkende gefaßt, die Natur aber nicht als todter Mechanismus, sondern als schlummernder, zur Entbindung der Menschen sich sehnender, also dem freien Geistesleben in allwege offener Geist angesehen wird. – Das Böse ist mit der Freiheit als möglich gegeben und stellt als überreizte Sinnlichkeit eine Verkehrung der Principien, eine geistige Afterbildung vor. Seine Allgemeinheit und Angeborenheit ist der Verfasser nicht ungeneigt, in dem hierin schon von Kant begonnenen Conservatismus gegenüber der rationalistischen Aufklärung, wesentlich nach den Ideen der christlichen Lehre mit naturphilosophischer Unterlage zu erklären und mit den pietätsvoll geachteten Sagen aller Völker in Zusammenhang zu bringen. – Eng mit der ersten Schrift hängt die zweite über Offenbarung und Theologie zusammen, welche in die Linie des beginnenden speculativen Theismus und der Schleiermacher’schen Religionsphilosophie zu stellen ist. Der erste Theil über die Offenbarung kämpft gegen pantheistische Vergötterung, noch weit mehr aber, in der schon bekannten Weise, gegen mechanischdeistische Entgötterung und Entgeistung [792] der Natur. In lebensvollstem Theismus wird Gott als der persönlich unterschiedene, aber keineswegs geschiedene in ewige, continuirliche Beziehung zur Welt als seinem von ihm getragenen Bild gesetzt. Wie in der Freiheitslehre der wollende endliche Geist, so wird hier der, schließlich nach ethischen Principien sich bestimmende unendliche Geist als Anfang und Ende von Allem, als das beseelende, ob auch persönliche Allleben gefaßt. Hiermit ist durch die Grundanschauung einer continuirlichen Offenbarung der Boden auch für die speciell so genannte geebnet. Diesem Gott steht diese Natur und besonders der menschliche Geist störungslos offen. Nur geschieht seine specielle Einwirkung nach den Gesetzen alles Lebens stoßweise und in temporallocalem Gewand, blos geregelt durch einen ethischen, freilich nicht erst durch die Sünde hervorgerufenen göttlichen Erziehungsplan mit der Menschheit. Dieß wird nun weiter durch eine kurze Skizze religionsphilosophischer, beim Christenthum besonders verweilender Geschichtsbetrachtung erläutert. – Der zweite Theil zeigt Nothwendigkeit und Werth der Theologie als Wissenschaft, welche Philosophie (das „Natürliche“) und Geschichte (das „Positive“) in harmonischer Wechselwirkung zu verbinden habe. Denn nichts sei schlimmer, als der in ruhelosem „Schwanken der Wage“ bereits beginnende reactionäre Vernunfthaß! – Der vielverheißende Verfasser dieser zwei trefflichen, noch heute höchst empfehlenswerthen Arbeiten empfing auf dem frühen Sterbebett die längst verdiente, vorher durch theologische Parteiränke hingehaltene akademische Berufung.