ADB:Bismarck, Friedrich Graf von

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Artikel „Bismarck, Friedrich Wilhelm von“ von Maximilian Jähns in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 2 (1875), S. 678–680, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Bismarck,_Friedrich_Graf_von&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 00:35 Uhr UTC)
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Bismarck: Friedrich Wilhelm (Graf) von B., entstammt dem rheinischen Zweige der schönhausischen Linie des Bismarck’schen Geschlechts, wurde 28. Juli 1783 zu Windheim in Westfalen geboren und starb zu Constanz 18. Juni 1860. 13 Jahre alt trat er in das 14. hannoversche Infanterie-Regiment, und nach der Auflösung dieses Corps durch die Lauenburger Capitulation nahm er Dienste bei dem Herzoge von Nassau-Usingen. Hier entspann sich ein Liebesverhältniß zwischen B. und des Herzogs Tochter, der Landgräfin Auguste Amalie, geschiedenen Landgräfin von Hessen-Homburg, und der junge Mann sah sich in Folge dessen veranlaßt, den Hof von Bieberich zu verlassen und in die englisch-deutsche Legion einzutreten. In ihren Reihen betheiligte er sich an den Expeditionen gegen Holland (1805) und Kopenhagen (1807) und verließ dann wegen eines Duells den englischen Dienst. Um diese Zeit gab der Herzog von Nassau den Bitten seiner Tochter nach und vermählte sie mit B. Dieser trat nun als Escadron-Chef in würtembergische Dienste und wurde 1809 dem Corps Massena’s zugetheilt, focht also jetzt auf den Seiten seiner früheren Feinde. In dem Gefecht von Riedau (1. Mai 1809) zeichnete B. sich durch einen verwegenen Angriff auf die Oesterreicher derart aus, daß ihn der Marschall dem Kaiser vorstellte und dieser ihm eigenhändig das Kreuz der Ehrenlegion gab. B. hat seit jener Zeit Napoleon eine fast maßlose Verehrung gewidmet; selbst aber hatte er den Ruf eines hervorragenden Reiterführers erworben. Während des russischen Feldzuges befand er sich bei Ney’s Corps, machte alle Gefechte desselben mit und in der blutigen Schlacht von Borodino, in welcher ihm drei Pferde unter dem Leibe erschossen wurden, übernahm er nach dem Fall zweier Stabsofficiere den Befehl des Regiments Prinz Adam, das auf ein Sechstel der ursprünglichen Stärke zusammengeschmolzen war. Vom Nervenfieber niedergeworfen machte er in einer offenen Droschke den verhängnißvollen Rückzug von Moskau mit und rettete sich an der Beresina, indem er trotz seiner Schwäche zu Pferde stieg. In solcher Lage erhielt er den Auftrag, den Rest des würtembergischen Contingents in das Vaterland zurückzuführen, und traf mit diesen Trümmern im Februar 1813 zu Stuttgart ein. Hier wurde B. zum Commandeur [679] des ersten Chevauxlegersregiments ernannt, wohnte als solcher in Bertrand’s Corps der Schlacht von Bautzen bei, schlug bei Seiffersdorf (26. Mai) einen russischen Ueberfall zurück und nahm dann an dem Herbstfeldzuge mit den Schlachten von Dennewitz, Wartenburg und Leipzig theil. In letzterer Schlacht gefangen genommen, wurde B., als Würtemberg nun zu den Verbündeten übertrat und Prinz Adam das Commando der Reiterdivision erhielt, Chef des Generalstabs bei diesem Prinzen. Als solcher wohnte er im J. 1814 den Schlachten von La Rothière, Montereau, Arcis und Paris bei und entwickelte ein hervorragendes Talent, größere Reitermassen zu führen. Während des Feldzugs 1815 war er Generalquartiermeister der Reiterei bei dem damaligen Kronprinzen und zeichnete sich bei den Gefechten von Weißenburg und Hagenau aus. – Im April 1816 wurde B. in den würtembergischen Grafenstand erhoben und nach dem Regierungsantritt König Wilhelms I. begann er jene litterarische und organisatorische Thätigkeit auf dem Gebiet des Reiterwesens, welche ihm vorzugsweise den Namen gemacht. Er hielt 1818 „Vorlesungen über die Taktik der Reuterei“ (Karlsruhe 1818, 1819, 3. Aufl. 1826), gab 1819 die „Elemente der Bewegungskunst eines Reuterregiments“ heraus (Karlsruhe, 2. Aufl. 1826) und wurde in demselben Jahre als Generalmajor und Brigadier mit der Reorganisation der würtembergischen Cavallerie betraut. Er gliederte die Züge nicht wie bisher in Beritte von drei oder vier Rotten, sondern in Halbzüge und die Schwadron in fünf Züge, von denen der eine als Elite- und Schützenzug hinter der Front formirt ward. – Unter Beibehaltung seines Commandos der Reiterbrigade und nach Ernennung zum lebenslänglichen Mitgliede der Kammer der Standesherren bekleidete B. seit 1820 an verschiedenen Höfen Gesandtschaftsposten: zunächst in Karlsruhe, dann, seit 1825, zwanzig Jahre lang den Posten zugleich in Dresden, Berlin und Hannover und endlich wieder den in Karlsruhe. Er schrieb während dieser Zeit: „Der Feldherr nach dem Vorbilde der Alten“ (Karlsruhe 1820), „Felddienst der Reuterei“ (Karlsr. 1821), „System der Reuterei“ (Berlin 1822), „Felddienstinstruction für Reuter und Schützen“ (Karlsr. 1821), „System der Reuterei“ (Berlin 1822), „Schützensystem der Reuterei“ (Stuttgart 1824), „Reuterbibliothek“, sechs Bändchen (Karlsr. 1825–31) und endlich die „Ideen-Taktik der Reuterei“ (Karlsr. 1829). In diesen Werken Bismarck’s spricht sich neben ausgezeichnetem praktischem Verständniß des Cavalleriewesens doch eine seltsame Neigung zum Sublimiren und Theoretisiren aus, die oft wunderliche Formen annimmt, zumal wenn sie sich mit dem Ausdruck seiner nicht geringen persönlichen Eitelkeit verbindet. Charakteristisch dafür ist z. B. die Widmung seiner „Reuter-Bibliothek“ an „das Urbild seines Ideals!“ (B. schreibt fälschlich stets „Reuterei“, d. i. „Cavallerie“ im Gegensatz zu „Reiterei“, d. i. „Art zu Reiten“.) Die „Reuter-Bibliothek“ ist übrigens reich an werthvollen Nachrichten über das Cavalleriewesen, und namentlich zeichnet sich die mit Begeisterung geschriebene Lebensschilderung des Generals von Seydlitz vortheilhaft aus. Sie ist auch gesondert erschienen („Die königlich preußische Reuterei unter Friedrich dem Großen oder der General der Cavallerie Freiherr von Seydlitz“, Karlsruhe 1837). – Schwach sind Bismarck’s Arbeiten allgemein-kriegswissenschaftlichen Inhalts, für die es ihm durchaus an philosophischer und historischer Vorbildung fehlte; aber auch in den rein cavalleristischen Dingen schießt er nicht selten mit seinen Vorschlägen über das Ziel hinaus, so z. B. wenn er die Reiterei lediglich im Napoleonischen Sinne zu Massenangriffen verwenden und den Infanterie-Divisionen gar keine Reiterei beigeben will. Seine Forderung ausgedehnter Verwendung von Reiterschützen steht gerade gegenwärtig wieder im Vordergrunde des Discussion. – 1826 wurde B. nach Kopenhagen berufen zur Reorganisation der dänischen Cavallerie, über deren Stand im J. 1828 er in der „Reuter-Bibliothek“ Rechenschaft ablegt. 1830 wurde er zum [680] Generallieutenant und Commandanten der gesammten würtembergischen Reiterei befördert. 1835 berief ihn der Kaiser von Rußland zur Inspicierung der russischen Cavallerie nach Wosnesensk. – Am 18. Juli 1846 starb Bismarck’s Gemahlin, worauf er sich am 5. April 1848 mit Amalie Julie Thibaut wieder vermählte. Im Herbste 1848 legte er seine Aemter nieder und trat in den Ruhestand. Ein Jahr vorher hatte er „Aufzeichnungen“ (Karlsruhe 1847) herausgegeben, welche eine in vieler Hinsicht interessante memoirenartige Geschichte der Kriege des ersten Kaiserreichs enthalten, aber unangenehm wirken durch die maßlose Schwärmerei für Napoleon.