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Artikel „Bidenbach“ von Christian Palmer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 2 (1875), S. 616–617, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Bidenbach&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 03:04 Uhr UTC)
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Bidenbach: der Name einer berühmten würtembergischen Theologenfamilie im 16. Jahrhundert. Siehe Fischlin, Memoria etc. P. I. p. 142 und p. 168. P. II. p. 32. Es sind zuvörderst drei Brüder, die wir zu nennen haben. Der älteste, Eberhard, ist geboren zu Grünberg in Hessen 2. Juli 1528. Nach der Schlacht bei Lauffen, also in seinem sechsten Jahre, wurde sein Vater vom Landgrafen Philipp dem Herzog Ulrich abgetreten, der ihn als Decan nach Brackenheim setzte. Der Sohn ward 1552 Diaconus in Herrenberg, schon als solcher 1557 von Tübingen aus mit der theologischen Doctorwürde bekleidet, 1558 Decan in Vaihingen, später General-Superintendent und Abt zu Bebenhausen, zugleich herzoglicher Rath. Im J. 1594 nahm er als Delegirter an dem Reichstag in Regensburg Theil. Mit dem jüngeren Brentz, seinem Schwager (Brentz’ Tochter, Sophie, war seine Frau), gab er die Werke seines Schwiegervaters heraus, schrieb auch die Vorrede zum II. Bande derselben. Gerühmt wurde seine Mildtätigkeit. Er † in Bebenhausen 24. April 1597.

Der Bruder desselben, Balthasar, ebenfalls noch in Grünberg geboren 1533, war zuerst Decan in Blaubeuren, dann 1562 Hofprediger und Assessor des Kirchenraths in Stuttgart, 1570 Nachfolger des Brentz als Propst zu Stuttgart. Mit Beurlin und Jakob Andreä war auch er bei dem Gespräch in Poitiers, darauf erhielt er in Paris durch Andreä die theologische Doctorwürde. Im J. 1575 hatte er mit Lucas Osiander die formula concordiae, soweit sie unter Andreä’s Händen bis dahin gediehen war, zu revidiren, nachdem er schon 1568 zu ähnlichem Zweck eine Formel mit Osiander abgefaßt hatte. Bekannt ist, daß er auf dem Religionsgespräch in Maulbronn im Januar 1576 eine Hauptrolle [617] spielte. Er starb 1578, nachdem er unter Anfällen von Melancholie schwer gelitten hatte. Sein Nekrolog von Herzog Christoph wird als Hauptquelle für die Lebensgeschichte dieses Fürsten gebraucht. Es sind im Druck von ihm Predigten, Briefe und eine praktische Auslegung der Bücher Samuels erschienen.

Der dritte dieser Brüder, Wilhelm, geb 1538, ward noch in jungen Jahren Professor an der Artistenfacultät in Tübingen, 1559 Pfarrer zu St. Leonhard in Stuttgart, 1563 Dr. theol., Prediger an der Stiftskirche daselbst (also College des Brentz), herzoglicher Rath und Mitglied des Kirchenraths. Da ihm die Geschäfte des Kirchenregiments wenig Zeit zu theologischen Studien ließen, worüber er sich beschwerte, so hatte er große Lust, 1569 einen Ruf als Professor und Prediger nach Straßburg anzunehmen; allein Herzog Christoph’s Bitten und die Vormünder des minderjährigen Herzogs Ludwig ließen ihn nicht fort. Auch er, wie sein Bruder Balthasar, litt an Melancholie; er stürzte (man kann kaum glauben, durch Zufall, weshalb die Calvinisten Böses davon sagten) von einem Thurm herab und † 6. April 1572 zu Bebenhausen bei seinem Bruder. Die Leichenrede auf Herzog Christoph hat er gehalten. Was er Litterarisches hinterließ, waren vornehmlich Streitschriften gegen die Jesuiten.

Endlich ist noch ein jüngerer B., Felix, der Sohn des Wilhelm, anzureihen, der geb. 8. Sept. 1564 in Stuttgart, 1586 Diaconus in Waiblingen, 1590 Diaconus in Stuttgart, 1592 hezoglicher Rath und Mitglied des Kirchenraths, 1604 Dr. theol., 1606 Abt in Adelberg, dann in Maulbronn, als solcher zugleich General-Superintendent und Mitglied der Landschaft wat. Im J. 1601 sandte ihn Herzog Friedrich mit dem Kanzler Andres Osiander nach Regensburg. Bei einem amtlichen Besuch in Bebenhausen traf ihn während einer Sitzung mit dem dortigen Theologen ein Schlagfluß, der sein Leben endigte 7. Jan. 1612; dort liegt er begraben. Seine Gattin war eine Enkelin von Brentz. Es existirt von ihm ein Band theologischer Bedenken, ferner einige praktische Handbücher für Pastoren, homiletische Dispositionen über Bibeltexte u. dgl. Das Bedeutendste aber ist sein Tractat „De causis matrimonialibus“, eine eherechtliche Abhandlung, die er merkwürdiger Weise zuerst nur als Anhang zu einem homiletischen Hülfsbuche für Hochzeits-Predigten („Promptuarium connubiale“) 1605 erscheinen ließ, die aber 1608 als besondere Schrift in neuer Bearbeitung herauskam. In ihr sind nicht nur die früheren im evangelischen Würtemberg geltenden Ehegesetze, namentlich die Eheordnung von 1595 enthalten, sondern auch diejenigen Fälle behandelt, für welche noch keine gesetzliche Norm bestand, für deren Entscheidung sich aber in der eherichterlichen obersten Behörde, deren Mitglied der Verfasser bis 1606 gewesen war, eine Praxis gebildet hatte; die Schrift führt das Motto: „Praeceptum non habeo, consilium autem do.“ Sie ist als Document und Quelle für die sehr allmähliche Bildung eines evangelischen Eherechts heute noch wichtig. (Näheres zur Charakterisirung derselben s. bei Hauber, Recht und Brauch der evangelisch-lutherischen Kirche in Würtemberg, Stuttg. 1856. II. S. 19.)