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Artikel „Baius, Michael“ von Carl Ruland in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 1 (1875), S. 776–777, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Baius,_Michael&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 05:24 Uhr UTC)
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Baius: Michael B. (Bay), geboren 1513 zu Melin im Hennegau, † 16. Sept. 1589 als Professor der Theologie zu Löwen, hatte an dieser berühmten Hochschule seine gelehrte und zunächst theologische Bildung erlangt, ward bereits 1546 Vorsteher des Collegiums Standonk, 1549 Licentiat der Theologie und Vorsteher des päpstlichen Collegiums daselbst, 1550 Doctor und dann Professor der Theologie in Löwen. Das Vertrauen des Königs von Spanien Philipp II. berief ihn 1563 zu den letzten Sitzungen des Trienter Concils. Im J. 1575 wurde er auch Decan zu S. Peter in Löwen, Kanzler der Universität und Großinquisitor für die Niederlande. Er galt als Vater der Armen, denen er auch sein ganzes Vermögen hinterließ. Sein Name hat durch die Streitigkeiten über die Gnade eine gewisse Berühmtheit erlangt. Die Reformatoren, deren Meinungen bekanntlich in Flandern und den Niederlanden bedeutenden Eingang gefunden, behaupteten in Ansehung der Gnade und Vorerwählung nur der heil. Schrift und dem Augustin zu folgen. B. faßte nun den Entschluß, die Reformatoren durch und mit ihren eigenen Waffen zu bekämpfen, indem er mit Uebergehung der Scholastik das Studium der Theologie hauptsächlich auf die Bibel und unter den Vätern namentlich auf die Werke des Augustinus zurückführte. Seine Schriften, die zu Löwen erst einzeln, dann in zwei Sammlungen – („De meritis Libri II. De Prima hominis justitia et virtutibus impiorum Lib. II. De sacramentis in genere contra Calvinum; de Forma Baptismi“ 1565. – Ferner: „De libero hominis arbitrio, de charitate et justificatione libri III. de sacrificio, de peccato originis, de indulgentiis, de oratione pro defunctis“ 1566) erschienen, zeugen vom tiefsten Studium des Augustinus und geben überhaupt einen tiefen Denker kund. Die [777] Resultate des B. waren im Wesentlichen diese, daß Gott, der die Menschen gerecht und unschuldig geschaffen habe, sie auch vermöge seiner Güte und Gerechtigkeit zur himmlischen Seligkeit bestimmen mußte. Er mußte ihnen aber auch die dazu führenden Gaben verleihen, weil sie nothwendiger Weise zu jenem schuldlosen Stande gehörten. Ja, wenn der erste Mensch nicht gefallen wäre, so würde seine Seligkeit für ihn eine schuldige Belohnung, nicht eine Gnade gewesen. – Bezüglich der Erbsünde lehrte er: sie sei die herrschende Begierlichkeit, als solche eine wirkliche, sich wie ein physisches Uebel auf die Nachkommen fortpflanzende Sünde. Als ihre Folgen erklärte er: daß der freie Wille ohne die Gnade nur Kraft zum Sündigen habe, daß er keiner Versuchung widerstehen, keine Sünde vermeiden könne, daß Alles, was aus ihm hervorgehe, Sünde sei etc. Bezüglich der guten Werke stellte er die Sätze auf: sie verdienten uns die Belohnung der ewigen Seligkeit ohne Rücksicht auf die Verdienste Christi, jedes gute Werk verdiene seiner Natur nach die Seligkeit, wie jedes Böse seiner Natur nach die Verdammniß. Das Verdienst der Werke komme nicht von der heiligmachenden Gnade, sondern blos von dem Gehorsam gegen das Gesetz. Diese und andere Sätze fanden bei den Collegen des B. die heftigsten Anfechtungen. Sie zogen 18 seiner Sätze aus und sandten sie an die theologische Facultät nach Paris, welche sie verwarf. Der päpstliche Stuhl legte sich ins Mittel und Cardinal Granvella als Statthalter der Niederlande legte den streitenden Theilen Schweigen auf. Allein bald erneuten sich die Feindseligkeiten des Streites, man schickte 76 Sätze nach Rom, die Papst Pius V. auch wirklich verwarf, ohne jedoch auch nur den Namen des B. zu nennen, der überhaupt sich unterwerfend, in der Gnade des römischen Stuhles blieb; Gregor XIII. erließ 1580 an ihn ein sehr verbindliches Breve. Bedeutend waren übrigens die Folgen der über die Lehre des B. (Bajanismus genannt) entstandenen Streitigkeiten, die sich durch ein volles Jahrhundert hindurchzogen und eine zahlreiche Litteratur erzeugten.

Seine Vita in Mich. Bai, Opera: Coloniae Agripp. MDCXCVI. – Michael Baius und die Grundlegung des Jansenismus Fr. X. Linsenmann. Tübingen 1867. Belg. ill. I. 142