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Artikel „Angilramnus“ von Ludwig Oelsner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 1 (1875), S. 460–461, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Angilram&oldid=- (Version vom 14. Oktober 2024, 22:15 Uhr UTC)
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Angilramnus, 25. Sept. 768 – 26. Oct. 791 Bischof von Metz, gehörte einer vornehmen Familie an, die ihn früh für den geistlichen Stand bestimmt hatte. Nachdem er in Gorze den Unterricht des Mönchs Nargaudus genossen, trat er erst in St. Avold, dann im Vogesenkloster Séerne[1][2] als Mönch ein. Wann er hier Abt geworden, ob vor oder nach seiner Erhebung auf den Bischofssitz von Metz, ist nicht mit Sicherheit zu sagen: gewiß ist, daß er seiner anderen Berufspflichten wegen die Abtei später einem Norgandus (Nargaudus), vielleicht seinem Jugendlehrer, überließ. In Metz wurde er, nach mehr als 2½jähriger Sedisvacanz, der Nachfolger des am 6. März 766 verstorbenen Chrodegang, erst nur mit bischöflichem Titel, den er nachweislich noch 777, wahrscheinlich aber auch noch Ende 782 führte; seit 787 dagegen erscheint er, wie einst sein Vorgänger, im Besitze der erzbischöflichen Würde. Vielleicht hängt diese Beförderung mit einer anderen zusammen, die gleichzeitig erfolgt sein muß. Im J. 784 nämlich starb Abt Fulrad von St. Denys, der vieljährige Kaplan der Könige Pippin und Karl, und A. übernahm nun dies wichtige Palast- und Staatsamt, welches nicht nur die gottesdienstlichen Handlungen am Hofe, sondern auch alle kirchlichen Angelegenheiten des Reichs, soweit sie an den königlichen Hof gebracht wurden, seiner Fürsorge übertrug. Papst Hadrian dispensirte ihn deshalb, auf Karls des Großen ausdrückliches Ansuchen, von der bischöflichen Residenzpflicht, sodaß A. seinen bleibenden Aufenthalt in der Umgebung des Königs nehmen konnte. Doch wandte er der ihm anvertrauten Diöcese nach wie vor seine Aufmerksamkeit zu, den Kanonikern der Stadt, wie uns eine Modification des Chrodegang’schen Statuts beweist, den Klöstern, indem er für Gorze 788 einen Gütertausch mit Toul abschloß, in St. Avold unter königlicher Beihülfe das Grab des heil. Nabor zu schmücken begann. Paulus Diaconus schrieb [461] seine Metzer Bischofsgeschichte auf Angilramnus’ Wunsch, ebenso Donatus das Leben Trudo’s, des Heiligen von St. Trou[3][4]; der letztere bezeichnet ihn bei dieser Gelegenheit als seinen Lehrer. So erkennen wir in A. zugleich ein würdiges Glied jenes wissenschaftlichen Kreises, welcher Karl den Großen umgab, dessen hervorragendstes Mitglied, Alcuin, ihm warme Verehrung zollte, von dessen sämmtlichen Genossen er sich jedoch durch sein vorgerücktes Alter und besonders durch seine hohe amtliche Stellung unterschied. Seine Beziehungen zum Könige waren dadurch vorwiegend praktischer und politischer Natur; es war ein Ausdruck größten Vertrauens, daß Karl unmittelbar nach der Beseitigung Tassilo’s (788) ein Kloster des neuerworbenen baierischen Landes, Chiemsee, trotz der weiten Entfernung unter die Leitung und Aufsicht des Bisthums Metz stellte. Im J. 791 begleitete A. den König, wie er es gewiß auch sonst öfter gethan, in den Krieg: wir erfahren davon in diesem einen Falle nur deshalb, weil er damals – es war ein Zug gegen die Avaren – seinen Tod fand. – Ohne Frage hat die rege und einflußreiche Beziehung Angilramnus’ zu Karl ein halbes Jahrhundert später Veranlassung gegeben, seinen Namen zu einer kirchenrechtlichen Fiction zu mißbrauchen, die ihn in der Folgezeit bekannter gemacht hat, als Alles, was er in Wirklichkeit gewesen und gethan. Die sog. „Capitula Angilramni“ nämlich, eine kleine Sammlung von Grundsätzen über das gerichtliche Verfahren gegen Bischöfe, sind größtentheils aus der nicht vor 847 vollendeten Capitulariensammlung des Benedictus Levita geschöpft, haben also nicht A., sondern sehr wahrscheinlich den Urheber der Pseudo-Isidorischen Decretalen auch zu ihrem Verfasser, und ihre Entstehung fällt sonach, wie die jener großen Fälschung, in die Zeit von 847–853. Wenn ihre Inscription besagt, A. habe die Capitel aus den Händen des P. Hadrian zu Rom am 19. Sept. 785, damals als seine Sache verhandelt worden, empfangen, so ist sie trotz aller Genauigkeit ihrer Angabe eben auch erfunden, wie die ganze Schrift. Bei Pseudo-Isidor begegnet oft genug eine gleich genaue und gleich fingirte Datirung; Papst Hadrian aber und A., der berühmte Capellan Karls des Großen, wurden zur Erhöhung der Autorität des Werkes auf ganz ähnliche Weise in die Dichtung verflochten, wie Karl der Große selbst und sein Canzler Erchambald mit der gleichfalls Pseudo-Isidorischen vierten Addition der Benedict’schen Capitulariensammlung in Verbindung gebracht worden sind. – Eine musterhafte Ausgabe und Kritik der Capitel enthält: P. Hinschius, „Decretales Pseudo-Isidorianae et capitula Angilramni“, Lipsiae 1863.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 460. Z. 22 v. u. l.: „Sénone“ (st. „Séerne“). [Bd. 1, S. 781]
  2. S. 460. Z. 22 v. u. l.: Vogesenkloster Senone. [Bd. 2, S. 787]
  3. S. 461. Z. 2 v. o. l.: „St. Tron“ (st. „Trou“). [Bd. 1, S. 781]
  4. S. 461. Z. 2 v. o. l.: St. Trond. [Bd. 2, S. 787]