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Artikel „Amort, Eusebius“ von Philipp Woker in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 1 (1875), S. 408–409, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Amort,_Eusebius&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 01:59 Uhr UTC)
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Band 1 (1875), S. 408–409 (Quelle).
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Amort: Eusebius A., katholischer Theologe, geb. 15. Nov. 1692 in der Bibermühle bei Tölz, † 5. Febr. 1775, genoß in München einen schlechten Schulunterricht und trat frühe in das Stift der regulirten lateranensischen Chorherren zu Polling. Hier ersetzte er durch eifriges Selbststudium die Mängel seiner früheren Ausbildung und verwerthete vom J. 1717 an sein breites Wissen als Lehrer der Philosophie und dann der Theologie im Hausstudium des Stiftes. Den strebsamen Mann wählte sich der Card. Lercari zum Theologen und verschaffte ihm mit einem längeren Aufenthalte in Rom die Gelegenheit, sich mit praktischen Erfahrungen und theoretischen Kenntnissen in hohem Maße zu bereichern. Was A. in Rom gesammelt hatte, das trug er 1735 heim nach Polling, welches von jetzt ab bis zu seinem Tode sein Aufenthaltsort blieb.

Diese letzten 40 Jahre seines Lebens waren eine Zeit rüstiger, gedeihlicher Thätigkeit. Dieselbe galt zunächst dem Stifte, er wurde der eigentliche Gründer der stattlichen Bibliothek von Polling, belebte bei seinen Stiftsgenossen wissenschaftliches Streben und gab ihnen als Dechant das Beispiel seltener Pflichttreue. Aber auch nach draußen hin gewann er bedeutenden Einfluß durch seine litterärische Thätigkeit, welche nach der Rückkehr von Rom so rege wurde, daß die Zahl seiner Werke über 60 hinaufgestiegen ist. Sie berechtigen uns, ihn ohne Bedenken als den bedeutensten theologischen Schriftsteller im damaligen katholischen Deutschland zu bezeichnen und trugen ihm zu Lebzeiten die besondere Anerkennung des Augsburger Bischofs, der ihn zu seinem Theologen ernannte, und die Ehre ein, von der bair. Akademie der Wissenschaften zum Mitglied gewählt zu werden.

Amort’s Schriften sind philosophischen, theologischen und kanonistischen Inhalts; sie kennzeichnen ihren Verfasser als einen Mann, dem es um universelle Bildung zu thun war und der sich, anderen kath. Theologen von damals so unähnlich, den wissenschaftlichen Bestrebungen seiner Zeit nicht entzog. Denn wie er schon früher ganz im Zeitgeschmacke sich für die Gründung einer gelehrten Gesellschaft begeistert hatte und ein eifriger Mitarbeiter im „Musenberge“, der Zeitschrift dieser Gesellschaft, gewesen war, so hat er später in seinem Lehrbuche der Philosophie („Philosophia Pollingiana“, Augsb. 1730, 1 vol. fol.) die Resultate neuer naturwissenschaftlicher Untersuchungen für die philosophische Forschung zu verwerthen gesucht und auf Vereinfachung der scholastischen Methode, auf Beseitigung des schwerfälligen Apparates gedrungen, so sehr er auch im Grunde Scholastiker blieb und den Lehrgehalt der peripatetischen Philosophie gegen die Systeme der Neueren vertheidigte. Man bemerkt bei dem Philosophen A. das Streben, in manchen Beziehungen auszugleichen und zu vermitteln, eine Eigenschaft, welche er auch als dogmatischer Theologe nicht verleugnet. Er ist freilich auch als Dogmatiker im Wesentlichen über die Scholastik nicht hinausgekommen, aber er ging doch häufiger, als man es bei den scholastischen Theologen seiner Zeit gewöhnt war, auf die Väter zurück, ließ die mehr historische Methode nicht außer Acht („Historia polem. dogmat. crit. de origine, progressu, valore et fructu indulgentiarum“, Venedig 1738, fol. Supplem. Augsb. 1739, fol.), und nannte deshalb nicht ohne Grund sein dogmatisches System eine „theologia eclectica.“ („Theologica eclectica moralis et dogmatica“. Augsb. 1752, 4 voll. fol). Größere Versöhnlichkeit bewies er auch in der theologischen Controverse, indem er die Controverse gegen den Protestantismus und Anknüpfung an dasjenige, welches dazumal die Helmstädter und andere billig denkende protestantische Männer zuzugeben geneigt waren, auf den Weg der friedlichen Verständigung hinüberzulenken suchte. („Demonstratio critica religionis cath“. Venedig 1744.)

Amort’s vorzügliche Bedeutung liegt auf dem Gebiete der Moraltheologie, da ihn vor allem zum Moralisten sein verständiges und sittlich ernstes Wesen [409] befähigte. Aus diesem Ernste schöpfte er den Muth, der jesuitischen Sittenlehre entgegenzutreten und den Probabilismus als verderblich zu brandmarken. Als er in dem Sinne bei der lat. Ueberarbeitung des casuistischen Lexikons von Pontas Aenderungen in dem franz. Originale vorgenommen und zudem seine Ansichten zusammenhängend in seinen Hauptwerken über Moraltheologie („Theologia moralis“, Augsb. 1758, 2 voll. 4°; „Ethica christiana“, Augsb. 1758) vorgetragen hatte, sah er sich heftigen Angriffen ausgesetzt, denen er früher mit mehreren Streitschriften („Controversiae novae morales“, Augsb. 1739: „Disquisitiones dogmaticae de controversiis in theologia morali insignibus“, Venedig 1745) begegnet war, indem er seinen Standpunkt mit aller Entschiedenheit vertheidigte. – Es entging A. ebenfalls nicht, wie wenig eine Frömmigkeit dem Geiste des Christenthums entspricht, welche sich mit Vorliebe von den ungesunden Producten der krankhaft erregten Phantasie exstatischer Nonnen nährt. Er schrieb deshalb sein bekanntes Buch: „De revelationibus, visionibus et apparitionibus“. (Augsb. 1744). Im ersten Theile desselben stellt er aus den Büchern älterer Schriftsteller eine Menge von Regeln zusammen, nach denen man bei Beurtheilung des Inhaltes von Revelationen verfahren müsse, und im zweiten wendet er selbst diese Regeln besonders auf die Offenbarungen der h. Gertrud und auf den Inhalt der „Ciudad mistica di Dios“ der Maria d’Agreda an. Man muß ihm dankbar sein für das mühevolle Zusammentragen von so viel sehr zerstreut liegendem Materiale, und es erregt nur Mitleid, wenn wir sehen, wie er sich abmüht, für die Blasphemien und sittlichen Monstrositäten, von denen z. B. das Buch der Maria d’Agreda strotzt, immer noch eine Deutung zu suchen, die ihnen ihren schlimmen Charakter nimmt. Kirchlicher Druck lastete eben auch auf A. und mit der Censurbehörde hatte er sich auseinander zu setzen, ehe seine Bücher ans Licht traten. –

Von den kanonistischen Schriften Amort’s endlich sind besonders diejenigen heute noch werthvoll, welche sonst unbekannt gebliebene Documente enthalten, nämlich die „Vetus disciplina canonicorum regular. et secular. ex docum. ineditis usque ad sec. 17. critice et moraliter expensa“. Venedig 1748, 2 voll. 4°, und die „Elementa jur. can. vet“. Ulm 1757, 3 voll.

Graf Savioli: Ehrendenkmal des Eus. Amort. (Gedächtnißrede in einer öffentl. Versammlung der Akademie der Wissenschaften 1777 zu München gehalten). Meusel, Lex. I. 87. Baader, Gel. Bayern I. 20.