ADB:Alvensleben, Constantin von
Gustav v. A. (s. S. 758), aus dem Cadettencorps als Secondlieutenant in das Kaiser Alexander Garde-Grenadierregiment, wurde 1842 Premierlieutenant, befehligte als solcher während des Dresdener Maiaufstandes vom Jahre 1849 eine der dorthin entsandten Compagnien des Regiments, rückte im September d. J. zum Hauptmann auf, ward 1853 als Major in den Generalstab, 1860 als Chef der Abtheilung für Armeeangelegenheiten in das Kriegsministerium versetzt, 1861 zum Commandeur des genannten Alexander-Regiments und 1864 zum Generalmajor und zum Commandeur der 5. Infanteriebrigade in Stettin ernannt. Die letztere Stellung vertauschte er schon nach kurzer Zeit mit der gleichen an der Spitze der 2. Garde-Infanteriebrigade zu Berlin. Diese führte er 1866 zum Kriege gegen Oesterreich nach Böhmen in das Feld. Nachdem er als Commandeur des Gros der 1. Garde-Infanteriedivision am 28. Juni am Treffen bei Burkersdorf rühmlichen Antheil genommen hatte, fand er am Tage von Königgrätz, dem 3. Juli, als Commandeur der Avantgarde des Gardecorps Gelegenheit, die Eigenschaften, welche ihn in den Kämpfen der Jahre 1870 und 1871 auszeichneten – richtiges Urtheil, Selbständigkeit und Entschlossenheit – in glänzender Weise zu bethätigen. Auf eigene Verantwortung brach er am Morgen des Schlachttages, sobald er die Nachricht von dem bevorstehenden Kampfe erhalten hatte, aus dem Freilager auf; nachdem Chlum, der Schlüssel der feindlichen Stellung, genommen war, trat er an den Platz des gefallenen Commandeurs der 1. Garde-Infanteriedivision, des Generallieutenants Freiherrn Hiller v. Gärtringen; nach Friedensschluß ward er in dieser Verwendung endgültig belassen; die von ihm während des Feldzuges geleisteten Dienste wurden durch die Verleihung des Ordens pour le mérite anerkannt.
Alvensleben: Constantin von A., königlich preußischer General der Infanterie, am 26. August 1809 zu Eichenbarleben im Kreise Wollmirstedt in der Provinz Sachsen geboren, kam am 27. Juli 1827, wie sechs Jahre früher sein älterer BruderAls der Krieg vom Jahre 1870 ausbrach, übernahm er an des Prinzen [757] Friedrich Karl von Preußen Stelle das Commando des von diesem geschulten III. (Brandenburgischen) Armeecorps, an dessen Spitze ihm reiche Lorbeeren beschieden waren. Die ersten pflückte er am 6. August bei Spichern. Schon Tags zuvor hatte er aus eigenem Antriebe Truppen bis auf eine Meile an die Stadt herangeschoben, auf eigene Verantwortung griff er in den Nachmittagsstunden des Schlachttages in den Kampf ein und führte diesen, von anderen fechtenden Truppen unterstützt, aber selbständig handelnd, am späten Abend siegreich zu Ende. Sein nächster Ruhmestag war der 16. August, der Tag der Schlacht von Vionville-Mars la Tour, wol der entscheidendste Kampf im ganzen Kriege. Von der Ueberzeugung erfüllt, daß es vor allem darauf ankomme, dem Feinde den Abmarsch aus Metz nach Westen zu verwehren, hatte er schon am Frühmorgen des 15. die Mosel überschreiten wollen, aber nicht das höhere Einverständniß gefunden. Als er später den gewünschten Befehl erhielt, brach er sofort auf, schob noch am Abend seine Truppen soweit vor als irgend möglich war und trat nach kurzer Nachtruhe an das blutige Tagewerk heran, dessen Ergebniß das Festhalten der französischen Rheinarmee bildete, der folgenschwere zweite Schritt zu ihrem Untergange. Der Sieg, welchen er errang, war mehr ein strategischer als ein tactischer. Daß er gewonnen wurde, war zu gutem Theile das Verdienst Alvenleben’s, der mit richtigem Verständnisse für die Kriegslage, entschlossen und tapfer, die schweren Opfer nicht gescheut hatte, welche gebracht werden mußten, um das Begonnene mit Erfolg durchzuführen (Kriegsgeschichtliche Einzelschriften des Großen Generalstabes, 18. Heft, Berlin 1895: Das Generalcommando des III. Armeecorps bei Spichern und Vionville). Zwei Tage darauf, in der Schlacht von Gravelotte-St. Privat, blieb das III. Armeecorps zunächst in Reserve, General von A. trat nur in unbedeutendem Grade in Gefechtsthätigkeit, und ebensowenig war ihm solche während der nun folgenden Einschließung von Metz beschieden, an welcher sein Corps auf dem linken Moselufer theilnahm. – Als aber die Feste gefallen war, ging es von neuem in den Feldkrieg. In breiter Front trat die Armee des Prinzen Friedrich Karl den Marsch auf Orleans an, das III. Armeecorps hatte die Mitte. Am 28. November durfte A. dem X. Corps unter General v. Voigts-Rhetz den Dank für den am 16. August ihm und seinen Brandenburgern geleisteten wirksamen Beistand mit Zinsen heimzahlen. Damals hatte er, selbstlos und nur das Ganze im Auge haltend, unbesorgt um die Möglichkeit, daß das Verdienst, den Tag entschieden zu haben, auf andere Rechnung gesetzt werden könne, geäußert, daß es ihm gleich sein solle, ob er selbst das Trick mache oder sein Aide, wenn es nur überhaupt gemacht würde. Jetzt machte er es, indem er am Abend des 28. November den um den Besitz der Stadt Beaune la Rolande hartringenden Waffenbrüdern noch rechtzeitig zu Hülfe kam und das Geschick des Tages zu eigenen Gunsten entschied. – An den Kämpfen um den Besitz von Orléans, welche in der Nacht vom 4./5. December mit dem Einrücken der deutschen Truppen in die Stadt zum Abschlusse kamen, war das Corps nicht hervorragend betheiligt; General v. A. aber hatte überall sein militärisches Verständniß und sein Führertalent bewährt. Um so bedeutender war die Thätigkeit des Generals und seines Corps in den täglichen vom 6. bis zum 12. Januar 1871 währenden Kämpfen gegen General Chanzy, welche mit der Einnahme von Le Mans endeten. – Als äußere Anerkennung von Alvensleben’s hervorragenden Leistungen gaben der hohen Achtung, mit welcher sein Name überall genannt wurde, die Verleihung des Eisernen Kreuzes 1. Classe und des Eichenlaubes zum Orden pour le mérite, sowie einer Dotation von 100 000 Thalern Ausdruck. Kaiser Wilhelm II. würdigte die von ihm geleisteten Dienste im J. 1889 dadurch, daß er an seinem eigenen Geburtstage, dem 27. Januar, einem von Alvensleben’s [758] erprobten Regimentern, dem 6. Brandenburgischen Nr. 52, für immerwährende Zeiten den Namen „von Alvensleben“ beilegte, und im J. 1892 am Jahrestage der Einnahme von Le Mans, dem 12. Januar, durch die Verleihung des Schwarzen Adlerordens an den verdienten General.
Kurz darauf, am 28. März 1892, starb A. zu Berlin, wo er, nachdem er am 22. März 1873 zum General der Infanterie befördert war und am 27. des nämlichen Monats auf wiederholtes Ansuchen den erbetenen Abschied erhalten, zuletzt seinen Wohnsitz gehabt hatte.
- Militär-Wochenblatt Nr. 40, Berlin 1892.