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Artikel „Aldegrever, Heinrich“ von Wilhelm Schmidt (Kunsthistoriker) in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 1 (1875), S. 325–326, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Aldegrever,_Heinrich&oldid=- (Version vom 3. November 2024, 20:27 Uhr UTC)
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Aldegrever: Heinrich A., Maler und Kupferstecher, geb. um 1502, † nicht vor 1555. Er scheint in Paderborn geboren zu sein, wenigstens lebten seine Eltern daselbst, und eine Urkunde der Stadt Soest vom 29. Sept. 1545 ersucht dem ehrsamen Meister A., eingesessenen Bürger von Soest, das Erbe seiner zu Paderborn verstorbenen Eltern auszuhändigen. Sein Vater, „Hermann Trippenmecker anders Aldegrever“ genannt, gehört zu den Anhängern der Reformation; auch der Sohn war dieser ergeben. Er stach die Bildnisse Luther’s und Melanchthon’s und geißelte in zwei Blättern die Unzucht der Mönche und Nonnen. Im J. 1534 war er bereits in Soest, und wol schon vorher, da der katholische Schmähschreiber G. Haverland aus Soest in seinem Büchlein: „Ein gemeyn Beicht oder Bekennung der Predicanten zu Soest“ 1534, seiner bereits erwähnt.

Als Künstler gehört er durchaus zu den Nachfolgern der Dürer’schen Richtung und es ist nicht unwahrscheinlich, daß er selbst nach Nürnberg gewandert sei und in der Werkstätte des großen Meisters gelernt habe. Der alte niederländische Künstlerbiograph, K. van Mander, berichtet, A. habe für eine Kirche zu Nürnberg zwei Flügel zu einem Gemälde von Dürer ausgeführt; wäre dies richtig, so könnte man an seinem Aufenthalt in dessen Atelier nicht zweifeln. Jedenfalls aber hat er sich nach Dürer gebildet, das geht aus seinen Werken, besonders den Kupferstichen, hervor. Das erste Datum derselben ist 1527, das letzte 1555, schwerlich wird er dieses Jahr lange überlebt haben. Als Maler hat er keine besondere Bedeutung, und es lassen sich auch fast nur Porträts von ihm nachweisen, so das des Grafen Philipp von Waldeck von 1535 im Besitze des schlesischen Kunstvereins zu Breslau, das der Magdalena Wittig von 1541 im Museum zu Braunschweig, dann des Engelb. Therlaen, Bürgermeisters von Lennep, von 1551 und eines jungen Ritters von 1544 in der Galerie Lichtenstein zu Wien. Als ächtes Bild wird noch genannt ein Christus auf dem Grabe sitzend, von 1529 in der ständischen Galerie zu Prag. Was man ihm aber sonst von historischen Vorwürfen zugeschrieben hat, beruht auf bloßen Vermuthungen, wie die Bilder in Berlin, Wien und München, deren Benennung vor strengerer Kritik nicht zu [326] halten sein dürfte. Gewöhnlich läßt man ihn auch Bilder malen, die nach Kupferstichen von seiner Erfindung ausgeführt sind, so zwei kleine in der Münchener Pinakothek; es ist aber kaum glaublich, daß er sich in dieser Beziehung sollte wiederholt haben: jedenfalls die Münchener Bildchen sind zu stumpf, um von ihm selbst gemalt worden zu sein. Seine bedeutende Thätigkeit für den Kupferstich erklärt es, warum so wenig Gemälde von ihm nachweisbar sind.

Seinen Hauptruf hat er auch den Stichen zu danken, die in weite Kreise übergehen und den Namen des Verfertigers verbreiten konnten; schon K. van Mander (1604) gedenkt seiner mit Anerkennung. Da seine Blätter mit Ausnahme der Bildnisse in kleinem Format gehalten sind, so gehört er zu den sogenannten Kleinmeistern, wie Altdorfer, die beiden Beham, Pencz, Binck u. a. Seine Manier ist durchaus denselben verwandt, besonders aber hat er sich, abgesehen von Dürer, nach B. Beham, dem zartesten der Stecher aus Dürer’s Schule, zu bilden gesucht. Auch mit G. Pencz stand er in Verbindung und führte nach dessen Zeichnung fünf Blätter aus. An Reinheit und Sauberkeit des Stiches braucht er niemand zu weichen, seine Köpfe sind aber etwas roh im Ausdruck und auch im Verhältniß zum Körper zu klein, was aus einer mißverstandenen Auffassung der italienischen Manier herrührt. Zu einem tiefern Verständnisse derselben ist A. auch nie gekommen: seine Compositionen sind wenig schwungvoll, die Bewegung der Figuren ist steif und die Gewänder allzu sehr gestört durch willkürliches Geknitter; wie überhaupt die Zeichnung, obwol scharf, doch nicht edel zu nennen ist. Es ist darum begreiflich, daß er da, wo man durch die griechische Kunst an durchgebildete Formen gewöhnt ist also in seinen zahlreichen Darstellungen aus der antiken Mythologie und seinen Allegorien, sehr wenig befriedigt. Von den Blättern aus der heil. Geschichte zeichnen sich vor allem die genreartig aufgefaßten aus, insbesondere die beiden Parabeln vom barmherzigen Samariter und vom bösen Reichen und armen Lazarus, beide vom J. 1554. Vortrefflich sind auch seine Bildnisse, darunter zweimal er selbst, Luther, Melanchthon, die Wiedertäufer Johann von Leyden und Bernhard Knipperdolling, und Herzog Wilhelm von Kleve, für den er auch Goldschmiedearbeiten auszuführen hatte. Ganz ausgezeichnet sind ferner seine Vignetten und Ornamente; in der Zusammenstellung freilich oft sehr wunderlich. Trotz der vorwiegenden Renaissance können sich gothische Formelemente nicht verbergen. Das vollständigste Verzeichniß seiner Kupferstiche (von dem Unterzeichneten) giebt Meyer’s Künstlerlexikon. Daselbst sind 290 Blätter aufgezählt, die ihm angehören, darunter 61 aus der heil. Geschichte, 41 aus der antiken Welt, 79 allegorische und genrebildliche Darstellungen, 9 Bildnisse und nicht weniger als 100 Ornamentenblätter. Aus der großen Zahl der letzteren kann man schließen, daß A. viel für das Goldschmiedehandwerk beschäftigt war. Am 28. Juni 1552 sandte er dem Herzog Wilhelm von Kleve zwei Siegel, und verlangte für den Silberwerth und die Arbeit 35 Thaler, die ihm auch bezahlt wurden. Zugleich erwähnt er einen in Arbeit befindlichen Ring.

Von Schülern, die er gehabt, ist nichts bekannt; jedoch war seine Kunst von nicht unbedeutendem Einfluß auf die Kupferstecherei und das Kunstgewerbe. Nach seinen Blättern existiren viele Nachbildungen; insbesondere copirte der niederländische Meister mit dem Monogramm A C, den man, aber ohne Grund, Alart Claas nennt, nach ihm. Da dessen Zeichen, ein in das A gestelltes C, dem Aldegrever’s (G in A gestellt) sehr gleicht, so wurden seine Arbeiten öfters mit denen des westphälischen Meisters verwechselt, dem Alart aber an Kunstvollendung beträchtlich nachsteht. Holzschnitte sind von A. blos drei bekannt.