ADB:Adalbert (Bischof von Prag)

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Artikel „Adalbert, Bischof von Prag“ von Franz von Krones in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 1 (1875), S. 67–69, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Adalbert_(Bischof_von_Prag)&oldid=- (Version vom 12. Oktober 2024, 16:16 Uhr UTC)
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Adelbert: Adalbert, Bischof von Prag und Märtyrerapostel († 23. April 997) oder wie sein eigentlicher slavischer Name lautet, Wojtěch, war einer der sieben Söhne des mächtigen, güterreichen Slavnik, eines altböhmischen Geschlechtsfürsten, an Besitzthum dem herzoglichen Hause der Přemysliden nahezu ebenbürtig. Denn man schätzt (nach Cosmas’ Angabe) das Fürstenthum des Slavnik, mit dem Hauptsitze auf Burg Libice – an der Mündung der Cidlina in die Elbe – auf einen Umfang, wonach die einzelnen Besitzungen westlich von der Mies, südlich bis gegen Baiern, östlich an die mährische Zwittawa (Switawa) und nördlich gegen Glaz (Kladsko) hin sich erstreckend, an 20–23 Decanatsbezirke, also viele kleinere Landesbezirke in sich begriffen oder berührten. – Slavnik, der Vater Wojtěchs oder Adalberts, war überdies mit dem Hause der baierischen Arnulfinger und dadurch auch mit den Ottonen verwandt, denn seine dem Namen nach unbekannte Mutter gilt als Tochter Herzog Arnulfs († 937) und Schwester Judiths, welche den Stiefbruder Otto’s I., Heinrich, Begründer der sächsisch-baierischen Herzogslinie, ehelichte. Slavnik war somit ein Neffe dieses Herzogs Heinrich I. († 955) und Großneffe König Heinrichs I. († 937); wenn somit der zweite, zeitgenössische Biograph des heil. A., Brun, Adalberts Vater den „nächsten Neffen König Heinrichs“ nennt (Heinrico regi accessit proximus nepos), so darf dies in dem eben entwickelten Sinne gedeutet werden. Die Mutter Adalberts, Střezislava, stammte aus edelstem Slavengeschlechte und wird als eine bis zum Uebermaße fromme Christin bezeichnet. Den in tödtliches Fieber verfallenen Knaben weihen die bangenden Eltern dem geistlichen Stande. Den Jugendunterricht leitet ein Geistlicher (Radla), und seine Strenge gegen den lebhaften, weltlich gesinnten Junker findet an dem Ernste und der Schärfe des Vaters einen Verbündeten. Höchstens 15 Jahre alt kommt A., so als Knabe von Adalbert, Erzbischof von Magdeburg, gefirmt, an die Domschule nach [68] Magdeburg (972), woselbst der Sachse den lebhaften Jüngling mit dem Trivium und Quadrivium quälte und bei der Drillung im Latein und in harter Klosterzucht an dem hochbegabten aber vielbeweglichen A. auch die Peitsche nicht schonte. Neun Jahre hindurch also geschult, kehrte A. im J. 981, dies ist auch das Todesjahr des Vaters, nach Böhmen heim, und hier übten die reuevollen Stoßseufzer des sterbenden Bischofs von Prag, Thietmars des Sachsen, einen so gewaltigen Eindruck auf den jungen Cleriker, daß nun die ascetische Richtung seinen ganzen innern und äußern Menschen durchdrang und umwandelte. In der Nacht des Sterbetages Thietmars besuchte er, mit dem Cilicium umgürtet und das Haar mit Asche bestreut, die Kirchen Prags. Zwei Wochen darauf wählte man ihn (19. Febr. 982), unter dem Vorsitze Herzog Boleslavs II., zum Prager Bischofe Böhmens. 983 den 3. Juni erhielt er zu Verona die kaiserliche Investitur und den 29. Juni von dem Mainzer Willegis, dem Metropoliten für Böhmen, die Weihe. Heimgekehrt nach Böhmen versuchte er den Kampf gegen die tiefgewurzelten heidnischen Unsitten seines Volkes. Aber sein wohlgemeinter Eifer, seine verschwenderische Freigebigkeit und vielerprobte Nächstenliebe hatte für sein Volk einen so fremden, mönchischen Beigeschmack, daß man ihn in hohen und niedern Kreisen scheelen Auges zu betrachten anfing. Das verleidete dem reformlustigen Bischofe das Wirken in der Heimath und der Gedanke einer Wallfahrt nach Palästina ergriff seine Seele mit ganzer Gewalt, oder vielmehr die Sehnsucht nach einem fromm beschaulichen Mönchsleben. In Monte Cassino war seines Bleibens nicht; gern wäre er ein Genosse des h. Nilus, eines Basilianers von großem Ansehen, zu Valleluce im Capuanischen geworden, aber auch das stieß auf Schwierigkeiten und so sehen wir ihn denn endlich in die Siebenhügelstadt ziehen und hier nach längeren, vom Abte des aventinischen Klosters Leo über ihn verhängten Prüfungen (989–990), mit päpstlicher Zustimmung die Mönchsgelübde ablegen. Aber nach fünf Jahren mußte er wieder das liebgewonnene Klosterleben mit dem bischöflichen Amte in seinem Heimathlande vertauschen, denn im Auftrage Herzog Boleslavs II. und mit Zustimmung des Volkes der Böhmen begaben sich Adalberts Stiefbruder Radim (Radmilah, Radla) mit seinem geistlichen Namen Gaudentius, und Christian (Strachkwas), der Bruder des Herzogs, Mönch eines Regensburger Klosters, nach Italien, ausgerüstet mit Schreiben des Mainzer Erzbischofs an den Papst, um gegen die Zusage, namentlich in Bezug der Ehen werde sich Böhmen den Anschauungen und Vorschriften Adalberts fügen, ihn zur Rückkehr und Wiederausübung des bischöflichen Amtes zu bewegen. Ein päpstlicher Synodalspruch erklärte, A. sei unter solchen Umständen verpflichtet, das geistliche Hirtenamt wieder zu übernehmen, und so mußte denn der Sohn Slavniks den Weg über die Alpen zögernd und mit halber Zuversicht einschlagen. Nach Böhmen heimgekehrt und anfänglich mit vieler Ehrfurcht behandelt, sah er sich bald über die Erfolge seines bischöflichen Wirkens bitter enttäuscht und einzelne geistliche Amtshandlungen Adalberts, z. B. die Bannung eines der vornehmsten Böhmen (?) oder die Beschützung einer vornehmen Ehebrecherin, die er schließlich vor der Wuth der Verfolger dennoch nicht erretten konnte, führten den Bruch zwischen dem Bischofe und seinen Landsleuten herbei. Verzweifelnd an jedem Erfolge seines Wirkens suchte er einige Zeit hindurch Ersatz in christlichen Missionsversuchen bei den Ungarn. Doch ist es mehr als unwahrscheinlich, daß er Geisa, den letzten Arpadenherzog, oder dessen Sohn Wajk (Stephan) getauft habe. Jedenfalls hatte sein apostolisches Wirken im Karpathenreiche wenig nennenswerthe Erfolge, wie selbst sein Biograph Brun bezeugt. Im J. 995 (von anderer Seite wird 996 geltend gemacht) verließ A. zum zweiten Male sein Heimathland und eilte dem aventinischen Kloster zu, das er ohnehin [69] mit schwerem Herzen verlassen. Es war das Jahr, in welchem Herzog Boleslav II. seinem Mißtrauen und Grolle gegen das mächtige, landesverrätherischer Verbindung mit dem Polenfürsten von den Gegnern (Wrsowcen?) beschuldigte Haus der Slavnik Luft machte. Den 27. Sept. 995 (996) wurde die Burg Libice von den Herzoglichen überfallen und Alles grausam und treulos niedergemacht. So fanden die vier Brüder Adalberts: Spitimir, Dobroslav, Porej und Caslav, ein blutiges Ende; Soběbor, der älteste, war außerhalb des Landes; Radim, Adalberts Stiefbruder, auch Radla genannt, entkam glücklich dem allgemeinen Verderben.

Zur Zeit der Kaiserkrönung Otto’s III. (21. Mai 996) durch den deutschen Papst Gregor V. sah sich A. durch die dringenden Vorstellungen des Mainzer Erzbischofs Willegis und den scharfen Ausspruch der bischöflichen Synode genöthigt, noch einmal die Ruhe des Klosters mit dem bischöflichen Amte zu vertauschen. Doch erlangte er, von Visionen apostolischen Märtyrerthums erfüllt, die Erlaubniß, daß – im Falle seine Landsleute die frühere Widerspenstigkeit an den Tag legten – er berechtigt sei, andern Völkern das Christenthum zu predigen. Das grause Schicksal seiner Familie mußte ihm die Heimath doppelt verleiden. In der Umgebung des Kaisers trat er die Rückreise aus Italien an und seine Biographen erzählen, daß er oft die Geschäfte eines Dieners niedersten Ranges auf sich nahm, um sich in der Tugend der Demuth zu üben. Auch eine Wallfahrt zu den geheiligten Stätten Frankreichs, nach St. Denys und Tours, Fleury an der untern Loire und St. Maur bei Angers, soll er unternommen haben. Dann aber reiste er nach Polen, um von hier aus bei den Böhmen anfragen zu lassen, ob sie ihn aufnehmen wollten. Die schneidige und schmähende Ablehnung war so, wie dies A. vorausgesetzt hatte, und nun war er seiner Verpflichtung entbunden. Er weilte eine Zeit lang bei dem Polenherzoge, soll, was jedoch sehr unwahrscheinlich ist, Missionen nach Ungarn und ins Chorwatenland, das spätere Kleinpolen, unternommen haben. Dann aber entschloß er sich, in Begleitung seines Bruders Radim (Gaudentius) und des Diacons Bugussa (Benedict) ins heidnische Preußenland zu reisen. Zunächst ging die Fahrt nach Gdansk (Danzig), woselbst heidnische Landleute der Nachbarschaft für das Christenthum gewonnen wurden. Aber von hier aus begann erst die gefährliche Mission, auf der er – die Landschaft und der Ort ist noch nicht unbestreitbar erwiesen (man denkt an das Samland; auch an die Gegend von Kulm, an Truso am Ilfing, an Kolteney an der obern Sorge bei Christburg) – den 23. April 997 den Märtyrertod starb. Sein Leichnam wurde von dem polnischen Herzoge Boleslav den Heiden um eine hohe Geldsumme abgekauft und in Gnesen beigesetzt.

Vita S. Adalberti auctore Canapario (Mönch und Genosse Adalberts im aventinischen Kloster, dann Abt daselbst. Monum. Germ. SS. IV. 581). – Vita S. Adalberti auctore s. Brunone (ebenda S. 596. Brun aus dem Hause der Grafen von Querfurt, Mönch des aventinischen Klosters, dann Missionär und Erzbischof). – Passio s. Adalperti, herausg. v. W. Giesebrecht in den Scrr. rer. Pruss. I. – Alle drei sammt den Versus martyrii S. Adalperti episcopi et martyris mit böhmischer Uebersetzung in den Fontes rerum Bohemic. I. Vitae sanctorum fasc. 3. 1872. S. 231. – S. Adalbert, Bischof von Prag, der erste christliche Apostel und Märtyrer bei den Preußen; v. Dr. Karl Lohmeyer in Königsberg, in der Zeitschr. f. preuß. Gesch. u. Landeskunde.