Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Joseph Haydn

Textdaten
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Autor: Ludwig Bechstein
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Titel: Joseph Haydn
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aus: Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen, S. 167–168
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Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Georg Wigand's Verlag
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Google und Commons
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Joseph Haydn.
Geb. d. 31. März 1731, gest. d. 31. Mai 1809.


Der liebenswürdigste, volksthümlichste und neben Mozart der zartfühlendste aller deutschen Tondichter, der aus dem engen und beschränkten Lebenskreise eines Dorfhandwerkers und aus einer Ueberzahl von Kindern einer und derselben Familie heraustrat, um eine Bahn voll Ruhm zu wandeln und auf dieser die Höhe auch der irdischen Unsterblichkeit zu erreichen.

Haydn wurde in Rohrau an der Leitha, unfern der ungarischen Grenze geboren, zeigte früh musikalische Anlage und wurde von einem Verwandten, welcher Schulmeister im Städtchen Haimburg war, neben dem gewöhnlichen Unterricht der Knabenschule auch in der Musik unterwiesen. Dort fand ihn bei einem Besuche der Hofkapellmeister Reutter aus Wien, welcher Knaben für das Singechor der Stephanskirche suchte; er entdeckte Anlage zum singen in dem achtjährigen Joseph Haydn und nahm ihn mit sich nach Wien. Hier brachte guter musikalischer Unterricht den jungen Sänger bald weiter, Gesang und Instrumente wurden fortgeübt, Komposition auch schon, doch ohne Glück versucht, bis mit dem 16. Jahre Haydn's Stimme brach und er aus dem Singechor entlassen werden mußte. Die rauhe Schule des Lebens that sich ihm jetzt auf; kümmerlich mußte der Arme sein Leben eine Zeitlang fristen, in untergeordneten Orchestern untergeordnete Stellung einnehmen, bei Ständchen mitwirken oder mit andern armen Straßenmusikanten von Haus zu Haus ziehen. In Joseph Haydn aber lebte eine Künstlerstele, heiteres Gemüth, natürlicher Frohsinn und treuer Eifer — dieß förderte ihn und brachte ihn weiter; theoretisches Studium Mattheson's und Fuxens, praktisches der gediegenen Werke eines Emanuel Bach u. A. hielten ihn fest auf der betretenen Bahn, die anfangs nicht ohne Dornen war.

Haydn wohnte in dieser Erstlingperiode bei einem Theaterfriseur, Namens Kellner, dessen beiden Töchtern er Klavierunterricht erthellte; die jüngere dieser Schwestern liebte er zärtlich, aber Härte der Aeltern oder ein Gelübde nöthigten dieses Mädchen den Schleier zu nehmen, was für Haydn die Quelle einer schweren Prüfung wurde, denn später heirathete er die ungeliebte ältere Schwester — aus Dankbarkeit, wie man sagt, [Ξ] und die Ehe blieb ohne Liebe, ohne Kinder, ohne Glück, bis der Tod der Frau sie spät genug, erst 1800 – löste.

Durch Reutter wurde Haydn dem liebenswürdigen Dichter Metastasio bekannt, der ihn seinem Freund, dem berühmten Mästro Porpora, dem »Patriarchen der Melodiken«, empfahl. Porpora, als Künstler groß, aber herrisch und bequem, bediente sich Haydn’s, indem er sich von ihm bedienen ließ, und brauchte ihn bei seinen Unterrichtsstunden junger adeliger Damen zur Klavierbegleitung, die nicht immer ohne wälsche Schimpfreden und harte Worte ablief, gleichwohl war Porpora’s Unterricht und Lehrmethode für Haydn bildend und fördernd; auch kam letzterer durch ihn in höhere Kreise. Der Meister musicirte öfter bei dem Günstling der Kaiserin Maria Theresia, Prinz Joseph Hollandinus zu S. Hildburghausen, k. k. Generalfeldmarschall, mit Gluck, Wagenseil und andern Heroen der Tonkunst, und Haydn mußte accompagniren. In dieser Periode versuchte er sich auch in mancherlei Kompositionen, welche vielfach Beifall fanden, und ihm neben den Unterrichtsstunden, die er selbst ertheilte, einigen Unterhalt verschafften. Eine satyrische Oper: »der krumme Teufel«, brachte ihm 24 Dukaten ein, in deren Besitz er sich ein Crösus dünkte.

So gingen in einem halb beschränkten, halb genialen Künstlerleben die Jahre hin, auch ein Aemtchen erhielt Haydn, das ihm jährlich 60 Gulden einbrachte, er wurde Vorspieler bei den barmherzigen Brüdern, und mit 27 Jahren Musikdirektor des Grafen Morizin mit 200 Gulden Gehalt. Für diesen seinen, Musik im hohen Grade schätzenden Gebieter schrieb Haydn seine erste Symphonie in D. Leider führten die zerrütteten Vermögensverhältnisse des Grafen schon nach einem Jahre durch Auflösung von dessen Kapelle eine Trennung herbei, doch empfahl der Graf seinen begabten Schützling dem Fürsten Esterhazy, der ihn 1760 als Capellmeister mit 400 Gulden Gehalt anstellte. Jetzt entwickelte der Künstler seine großartige Thätigkeit, gründete seinen Weltruhm. Sein Gebieter wurde ihm Freund und Wohlthäter, stets mußte Haydn ihn begleiten. Die schöne Jahreszeit wurde immer zu Eisenstadt in Ungarn oder auf dem Stammsitz des Fürsten zugebracht, und Haydn, welcher Kirchen-Concert und Opernmusik zu leiten hatte, bewegte sich unbeirrt durch andere voll schöpferischer Kraft in dem Himmel der Tönewelt. In Fülle entströmten seinem reichen Genius Messen und Kantaten, Oratorien und Concerlstücke, Symphonien und Opern, Trio’s und Quartett’s.

Dank und verehrende Liebe hielten Haydn durch dreißig Jahre im Dienst Fürst Esterhazy’s, bis dessen 1796 erfolgender Tod dieses glückliche Verhältniß löste. Jetzt folgte der Künstler dem wiederholt an ihn ergehenden Ruf des berühmten deutschen Violinspielers Salomon nach England, besuchte dieses Land von 1790 bis 1792, dann wieder 1794 bis 1796, und fand alle die gerechte Anerkennung, allen Ruhm und alle Ehren, mit denen das freie Volk der Britten bereitwillig auch das ausländische Talent feiert und zu würdigen versteht. Reicher Lohn an Ehre wie an Geld strömte dem deutschen Tönemeister zu, von England aus breitete erst recht sein Ruhm über Deutschland, über Europa die mächtigen Schwingen. In England entstand die Idee zu Haydn’s Schöpfung, welche, in Wien ausgeführt, durch die Welt ging, wie ein Herold ihres Schöpfers; mit ebenso viel Glück componirte Haydn die Jahreszeiten. Der berühmte van Swieten leistete hülfreiche Hand bei den Texten.

Hochgefeiert, gekrönt von Glück und Ehre, und hochbeglückt durch sich selbst, durch die unsterblichen Leistungen seiner Kunst trat Haydn in das höhere Alter. Wenige hatten in der Musik so viel geleistet wie er, sowohl nach Zahl, als nach Gehalt; ein christlich frommer, ein menschlich edler und ein kindlich reiner Geist durchwehte seine Werke, der Hauch des künstlerischen Genius belebte und adelte sie. In seinem melodieusen Liede: »Gott erhalte Franz den Kaiser!« schuf Haydn dem Lande Oesterreich ein Nationallied; die Anzahl seiner Kompositionen beläuft sich über 1340; alle voll Maaß und Schönheit, voll Einfachheit und Klarheit, voll Anmuth, Innigkeit und Tiefe.

Haydn endete im 78. Lebensjahre nach den zahlreichsten Beweisen allgemeiner Anerkennung und Verehrung; seine Hülle ruht in Eisenstadt. Unverwelklich blüht der Kranz seines Nachruhms.