Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Johann Tserclaes Graf von Tilly

Textdaten
<<< >>>
Autor: Ludwig Bechstein
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Johann Tserclaes Graf von Tilly
Untertitel:
aus: Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen, S. 373–374
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Georg Wigand's Verlag
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google und Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: [1]
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[Ξ]


Johann Tserclaes Graf von Tilly.
Geb. d. 1559, gest. d. 30. April 1632.


Ein großer Feldherr, der seinen Namen mit Blut in die Annalen der Geschichte einzeichnete und dessen Bild der Rauch der Schlachten noch dunkler schwärzte, als es wohl ursprünglich war. Tapfer und kühn, erfahren und treu, glaubenseifrig und unerschüttert, eisenfest von Charakter, durch und durch Kriegsmann, erscheint Tilly allen Parteien, und so muß er betrachtet und gewürdigt werden, wenn auch Thaten auf seine Rechnung kamen, vor denen das menschliche Gefühl empört zurückschaudert.

Tilly entstammte einer altadeligen Familie, deren Zweige in Oesterreich, Bayern und den Niederlanden verbreitet waren, und die den Namen T Zerklas, T Serclas oder Tserclaes (so auf gleichzeitigen Bildnissen) führte. Die Familie erkaufte 1448 das Schloß Tilly in Brabant, und dort wurde Johann geboren. Er empfing seine Erziehung in einem Jesuitenkloster und wurde für den geistlichen Stand bestimmt; in ihm aber lebte der Sinn eines Kriegers, und er trat aus dem Kloster heraus in spanische Dienste, wo er unter Vorbildern und Feldherren wie Alba, Don Juan d’Austria und dem großen Alexander Farnese sich zum Feldherrn ersten Ranges heranbildete. Aus dem spanischen Kriegsdienst trat Tilly in den Dienst des Herzogs von Lothringen-Mercoeur, zog gegen die Türken und half die gegen den Kaiser rebellirenden Ungarn niederschlagen. Im Jahre 1602 stand Tilly bereitn als Oberst eines Wallonenregiments, nahm dann bei dem Bayernherzog Maximilian Dienste und zeigte sich auch im Rathe so brauchbar und tüchtig, daß ihm die Neugestaltung des ganzen Heerwesenn in Bayern mit dem Rang und Titel eines Feldmarschalls 1610 übertragen ward. Als Generalfeldmarschall und Generalissimus trat er an die Spitze des Heeres der katholischen Liga, wie der 30jährige Krieg ausbrach, und ward der tapferste, furchtbarste, schier unüberwindliche Gegner der protestantischen Union. Tilly’s Rath und That entschied für seine Partei den Sieg der Schlacht am weißen Berge bei Prag, 1620; das nächste Jahr sah ihn gegen den Grafen von Mansfeld ziehen, Pilsen und Tabor erstürmen, und 1622 bis 1623 war er in der Pfalz, eroberte sie mit Spinola’s und Cordova’s [Ξ] Hülfe, schlug 1622 am 6. Mai die Schlacht bei Wimpfen, in der die 400 unsterblichen Bürger von Pforzheim für Fürst und Vaterland den blutigen Opfertod starben, schlug den Herzog von Braunschweig, eroberte Heidelberg und Mannheim, drang dem Herzog in das Münsterland nach und besiegte ihn gänzlich in einer Schlacht, in welcher die Wage Bellona’s drei schreckliche Tage schwankte, vom 4.–6. August 1623. Das Jahr 1625 sah den unwiderstehlichen Helden und Sieger Tilly gegen den Dänenkönig Christian IV. zu Felde ziehen, der in mehreren berühmten Schlachten ihm unterlag, worauf Tilly das ganze Gebiet der Elbe und Havel überzog und im Bunde mit Wallenstein bis nach Holstein vorrückte. Diesem ihm unlieben Bundesgenossen überließ Tilly die Fortsetzung des dänischen Krieges, drang aber mit ihm gemeinsam dem Dänenkönige 1629 den Frieden von Lübeck ab. Das Jahr 1630 brächte Wallenstein’s Entlassung, er mußte den Feldherrnstab eines kaiserlichen Generalisssimus aus der Hand legen und Tilly gewann noch freiere Hand wie zuvor; unter seinem alleinigen Oberbefehl stand nun das Heer des Kaisers, wie das der Liga. Mit dieser Macht überzog Tilly die Mark Brandenburg und belagerte Magdeburg, dessen gräuelvolle Zerstörung nach der endlichen Eroberung am 10/20. Mai 1631 dem Heldennamen Tilly’s den Makel eines blutdürstigen Wütherichs schuf. Indessen hat die Kriegsgeschichte aller Zeiten gelehrt, daß Barbarei im Kriege nicht den Feldherren als Schuld anzurechnen ist. Der durch Strapatzen und Entbehrungen, durch thierische Leidenschaften, durch hitzige Getränke aufgeregte Soldat ohne Gesittung und Bildung wird leicht und gern zum Wüthrich. Wie hausten im 30jährigen Kriege die als Freunde und Helfer mit ihrem strengste Zucht halten wollenden König gekommenen Schweden in Feindes und in Freundes Land? Wie über alle Maaßen grausam und tyrannisch benahmen sich die Soldaten der sogenannten großen Nation auf ihren Zügen durch Deutschland ? Es steht in keiner Zeit die Volksgesittung so fest, daß nicht unter Umständen die Gräuelscenen des unglücklichen Magdeburg sich wiederholen könnten. Der Schwedenkönig that einen hohen Schwur, Magdeburg zu rächen; er bekam später München in seine Hand, und erfüllte seinen Schwur nicht. Dieß brachte ihm die größte Ehre vor Gott und Menschen. Aber in den Tagen von Magdeburg schrieb die Hand Gottes Tilly das Mene tekel. In 36 Schlachten hatte er gesiegt, die Einnahme Magdeburgs war sein letzter Sieg. Die wichtige Schlacht von Breitenfeld bei Leipzig am 7. Sept. 1631 sah ihn, den bisher nie besiegten, als verwundeten Flüchtling. Wohl sammelte er neue Kräfte, neue Heeresmassen und zog, das Vaterland gegen den herannahenden Schwedenkönig zu decken, an den Lech, wo er ein festes Lager schlug. In dem Kampfe um Donauwerth, 1632, siegte Gustav Adolph, eine Stückkugel zerschmetterte Tilly das linke Bein – er entkam nach Ingolstadt und endete dort in den Armen seines Kriegsherrn ein Leben, das er in asketischer, fast fanatischer Strenge hingebracht, als Feind der Frauen, Feind des Weines, Feind zarter Sitte, rauh und streng, nur ganz ein Mann der Heereszüge und Schlachten. Münchens Feldherrnhalle zeigt sein ernstes Bild, wie er im Leben war, und um Bayern verdiente er die Ehre dieses Denkmals.