Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Johann Sebastian Bach

Textdaten
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Autor: Ludwig Bechstein
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Titel: Johann Sebastian Bach
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aus: Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen, S. 13–14
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Georg Wigand's Verlag
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Google und Commons
Kurzbeschreibung:
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Johann Sebastian Bach.
Geb. d. 21. März 1685, gest. d. 5. Mai 1812.


Veit Bach, ein Bäcker aus Preßburg in Ungarn, der von da im sechszehnten Jahrhundert wegen der Religionsunruhen auswanderte und sich in Thüringen niederließ, ist der Ahn einer zahlreichen Familie, die sich durch musikalisches Talent auszeichnete und durch mehrere Generationen Thüringen mit Musikdirektoren, Kantoren und Organisten versorgte. Alle Jahre pflegten sich die Familienglieder zu versammeln und unter sich kleine Musikfeste zu feiern. Von allen der größte ist Joh. Sebastian, der Sohn von Johann Ambrosius Bach, Hof- und Stadtmusikus in Eisenach. Als der Vater 1695 gestorben war, nahm ein älterer Bruder Johann Christoph, Organist in Ordruff, ihn zu sich und erzog ihn streng in seiner Kunst; nachdem auch dieser früh gestorben trat Sebastian in den Chor zu Lüneburg ein. Sein angebornes Genie, mit einem Feuereifer und eisernen Fleiß verbunden, ließ ihn sich früh als Virtuosen auf der Geige, der Orgel und dem Klavier auszeichnen. Nachdem er an verschiedenen Orten Thüringens Organist gewesen war, wurde er 1707 in Weimar Hoforganist, 1718 Kapellmeister in Anhalt-Cöthen und 1725 Cantor an der Thomasschule zu Leipzig, welches Amt er bis zu seinem Tode verwaltete. Keine hervorragenden Begebenheiten zeichnen seinen Lebenslauf aus, angesehen und geachtet, von seinen zahlreichen Schülern hoch verehrt, lebte er still seinem Beruf, und schuf eine unübersehliche Fülle von Werken, deren wenige seinen Namen groß und unsterblich gemacht hätten.

Bach ist eine echtdeutsche Kernnatur, stets aus dem Innern arbeitend und mit ernster unermüdlicher Pflichttreue nach dem Besten und Gediegensten strebend, das seine Kunst hervorzubringen vermochte. Was zuerst in seinen Schöpfungen hervortritt ist die staunenswerthe Kunst viele Stimmen zu einem harmonischen Ganzen zu verschlingen, so daß jede für sich selbstständig ihren Weg verfolgt, die eiserne Konsequenz, mit welcher er einen Gedanken festhält und ausführt, die strenge Gesetzmäßigkeit, mit welcher er die schwierigsten Formen wie spielend behandelt. Weit gefehlt aber daß Bach ein trockner Rechner, ein grübelnder Schulmeister sei: seine Erfindungen kommen aus einem warmen, tief [Ξ] empfindenden Herzen, sie sind groß und ernst, aber nicht minder zart und weich, und stets wahr und echt. Den herrlichsten Schatz seiner Kunst legte er in seinen Kirchencompositionen nieder. Jeden Sonntag wurde eine Cantate aufgeführt, die meistens aus einem Chor, mehreren Sologesängen und einem Schlußchoral bestand und nach Verabredung mit dem Geistlichen sich dem Inhalt der Predigt genau anschloß. Nur die unerschöpfliche Erfindungskraft und die tief, Meisterschaft Bachs konnte einer solchen Aufgabe genügen. Ueber 400 solcher Kantaten hat er geschrieben, die leider nur zum Theil erhalten sind. Bedeutender durch Umfang und Gehalt waren die Passionsmusiken, welche am Charfreitag aufgeführt wurden, so daß an die unveränderte Erzählung des Evangelisten an geeigneten Stellen sich Betrachtungen in Form von Arien, Chören und Chorälen anschließen. Die beiden noch vorhandenen Passionsmusiken nach Matthäus und Johannes gehören durch die Tiefe und Originalität der Erfindung und künstlerischen Ausführung unbedingt zu den größten Leistungen, welche die deutsche Kunst überhaupt hervorgebracht hat. Ihnen schließt sich die großartige Messe in H moll würdig an.

Bach war auch anerkannt der größte Orgel- und Klavierspieler seiner Zeit. Ein berühmter Virtuose auf der Orgel, Marchand, den er in Dresden zu einem Wettstreit aufforderte, verließ, nachdem er Bach gehört, heimlich die Stadt und stellte sich nicht. Friedrich der Große ließ ihn nach Berlin kommen und sprach laut seine Bewunderung für ihn aus. Er erfand eine neue Art der Fingersetzung, durch welche er der Schöpfer des heutigen Klavierspielens geworden ist. Seine zahlreichen Kompositionen für Klavier und Orgel sind noch heute eine Aufgabe für den Virtuosen, aber sie verlangen noch mehr einen gebildeten Musiker, denn in jedem spricht sich die vollendete Meisterschaft des ernsten Künstlers aus.

Bach war zweimal verheirathet; in der ersten Ehe wurden ihm 7, in der zweiten 13 Kinder geboren. Mehrere von seinen Söhnen widmeten sich der Musik und fanden zum Theil lebhaftere Anerkennung als er; keiner ist dem Vater auch nur von fern nahe gekommen.

Ein Denkmal ist Bach in Leipzig neben der Thomasschule errichtet; das beste stiftete ihm die 1850 errichtete Dachgesellschaft in Leipzig durch eine würdige Herausgabe seiner Werke.