Veit Bach, ein Bäcker aus Preßburg in Ungarn, der
von da im sechszehnten Jahrhundert wegen der Religionsunruhen
auswanderte und sich in Thüringen niederließ,
ist der Ahn einer zahlreichen Familie, die sich
durch musikalisches Talent auszeichnete und durch mehrere
Generationen Thüringen mit Musikdirektoren, Kantoren
und Organisten versorgte. Alle Jahre pflegten
sich die Familienglieder zu versammeln und unter sich
kleine Musikfeste zu feiern. Von allen der größte ist
Joh. Sebastian, der Sohn von Johann Ambrosius
Bach, Hof- und Stadtmusikus in Eisenach. Als der
Vater 1695 gestorben war, nahm ein älterer Bruder
Johann Christoph, Organist in Ordruff, ihn zu sich
und erzog ihn streng in seiner Kunst; nachdem auch
dieser früh gestorben trat Sebastian in den Chor zu
Lüneburg ein. Sein angebornes Genie, mit einem
Feuereifer und eisernen Fleiß verbunden, ließ ihn sich früh
als Virtuosen auf der Geige, der Orgel und dem Klavier
auszeichnen. Nachdem er an verschiedenen Orten Thüringens
Organist gewesen war, wurde er 1707 in
Weimar Hoforganist, 1718 Kapellmeister in Anhalt-Cöthen
und 1725 Cantor an der Thomasschule zu
Leipzig, welches Amt er bis zu seinem Tode verwaltete.
Keine hervorragenden Begebenheiten zeichnen seinen
Lebenslauf aus, angesehen und geachtet, von seinen zahlreichen
Schülern hoch verehrt, lebte er still seinem Beruf,
und schuf eine unübersehliche Fülle von Werken,
deren wenige seinen Namen groß und unsterblich gemacht
hätten.
Bach ist eine echtdeutsche Kernnatur, stets aus dem Innern arbeitend und mit ernster unermüdlicher Pflichttreue nach dem Besten und Gediegensten strebend, das seine Kunst hervorzubringen vermochte. Was zuerst in seinen Schöpfungen hervortritt ist die staunenswerthe Kunst viele Stimmen zu einem harmonischen Ganzen zu verschlingen, so daß jede für sich selbstständig ihren Weg verfolgt, die eiserne Konsequenz, mit welcher er einen Gedanken festhält und ausführt, die strenge Gesetzmäßigkeit, mit welcher er die schwierigsten Formen wie spielend behandelt. Weit gefehlt aber daß Bach ein trockner Rechner, ein grübelnder Schulmeister sei: seine Erfindungen kommen aus einem warmen, tief
Ludwig Bechstein: Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen. Georg Wigand's Verlag, Leipzig 1854, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zweihundert_deutsche_M%C3%A4nner_in_Bildnissen_und_Lebensbeschreibungen.pdf/13&oldid=- (Version vom 20.8.2021)