Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Joachim Camerarius

Textdaten
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Autor: Ludwig Bechstein
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Titel: Joachim Camerarius
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aus: Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen, S. 53–54
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Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Georg Wigand's Verlag
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Google und Commons
Kurzbeschreibung:
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Joachim Camerarius.
Geb. d. 12. April 1500, gest. d. 17. April 1574.


Der Mitgenosse einer denkwürdigen Zeit; gelehrt und klug, mithandelnd in dem großen Schauspiel der deutschen Geschichte, das die Reformationsepoche vor Augen stellte, erwarb er verdiente Anerkennung und dauernden Nachruhm.

Sprößling eines edlen und angesehenen Geschlechts, welches Würdenträger des bischöflichen Erb-Kämmerer-Amtes war und das sich vom Ahn auf den Enkel stets mit dem Amtstitel: die Cammermeister nannte, wurde Joachim als mittlerer Sohn des Hans Cammermeister in Bamberg geboren, wo es nicht an Gelegenheit fehlte, gute wissenschaftliche Vorstudien zu machen. Da die Familie eigentlich aus Forchheim abstammte, so waren Joachim’s Aeltern bekannt und befreundet mit Georg Held aus Forchheim, der in Leipzig Theologie und Philosophie mit vielem Beifall lehrte, und sandten diesem den Sohn, daß er dessen academische Studien leite. Fleiß und früh entwickelte Geistesgaben befähigten den jungen Cammermeister, schon im 13. Jahre die Hochschule zu beziehen und im 14ten zu disputiren. Vom kalten Fieber, einer in Leipzig leider gar nicht seltenen Krankheit, ergriffen, daran er später noch öfter litt, mußte er seinen Studiengang eine Zeitlang unterbrechen und nach Hause reisen, doch kehrte er 1515 wieder dorthin zurück, warf sich mit Vorliebe auf die griechische Sprache, hörte fleißig die Lehrer Johann Metzler, Peter Mosellanus und Richard Crocus, und half diesem letztern im 16. Jahre bereits in dessen Vorlesungen über griechische Sprache aus, mußte aber nochmals wegen Kränklichkeit sich in seine Heimath begeben. Im Jahre 1518 kam Camerarius, wie er sich nun, der Sitte der Zeit gemäß, die ehrlichen deutschen Namen in wälsche und oft kauderwälsche zu verkehren, nannte, nach Erfurt, wo jetzt auch sein Landsmann, Georg von Forchheim, mit Glück und Beifall lehrte. Dort nahm er eine Professur an und schloß den Freundschaftbund mit den hochbegabten Lehrern dieser Hochschule und andern Geistesverwandten, mit Johann Crotus, Eoban Hesse, Johann Lange, Johann Draco, Justus Menius u. a., und setzte nach wenigen Jahren, als er 1521 nach Wittenberg kam, denselben mit Melanchton auf das innigste fort, lernte auch Luther [Ξ] kennen und lieben. Vielleicht daß er auch mit Erasmus schon von Erfurt aus Bekanntschaft anknüpfte, oder es brachten ihn doch seine ersten erscheinenden Schriften: die lateinische Uebersetzung einer Rede des Demosthenes und Bemerkungen über die Tusculanen Cicero’s, mit diesem berühmten Gelehrten in Verbindung, der ihn, als Camerarius ihn 1524 auf einer Reise mit Melanchton in Basel besuchte, auf das zuvorkommendste empfing. Im Jahre vorher muthete er mit seinem Bruder Hieronymus vom Bischof Weigand zu Bamberg die Lehen über seine Familiengüter und das Cammermeisteramt.

Der Bauernkrieg brachte der Familie großen Schaden, ihr Schloß zu Aurach wurde zerstört und ausgeraubt, weil Hans Cammermeister mit biederer Treue an seinem Lehnsherrn hing und nicht mit der Rebellenbande ziehen wollte. In Gesellschaft eines fränkischen Edeln aus dem Geschlechte der Fuchs von Thüngen begab sich Camerarius in der stürmisch bewegten, den Wissenschaften feindseligen Zeit nach Preußen und erhielt dann 1526 einen Ruf des Nürnberger Rathes, dort in der alten Reichsstadt das neue Gymnasium einrichten zu helfen und den Unterricht im griechischen zu leiten.

Dort in angemessenem und willkommenem Wirkungskreise thätig, war Camerarius dennoch ein ruhiges Leben nicht beschieden, vielmehr wurde er noch vielfach umher geführt, meist in ehrenvollen Aufträgen und durch Berufungen dahin und dorthin, wo man seines einsichtvollen Rathes und seiner Gelehrsamkeit sich bedienen wollte. So besuchte er als Abgeordneter des Nürnberger Rathes zweimal den Reichstag zu Speier, war als solcher mit auf dem zu Augsburg 1530, und nahm, da er den geliebten Freund Melanchton dort fand, lebendigen Antheil an der Abfassung der Augsburgischen Confession. Von 1535 an lebte Camerarius einige Jahre in Tübingen, dahin ihn Herzog Ulrich von Würtemberg zur Einrichtung der Universität berufen hatte, und arbeitete dort seine Elemente der Rhetorik aus. In dieser Zeit erfreute ihn Melanchton mit seinem Besuche und er selbst machte 1538 über Nürnberg eine Reise nach Franken zu seinem Freund, dem Dompropst Daniel Stibar zu Würzburg, worauf er sich nach noch andern Reisen und Fahrten nach Sachsen begab, und dort in Folge einer Berufung der Herzoge Heinrich und Moritz zu Sachsen, im Verein mit Caspar Börner, die neue Einrichtung der Universität Leipzig besorgte, an welcher er dann von 1544 an die Stelle eines Rectors und Decans ruhmwürdig bekleidete. Wieder sah sich Camerarius nach der Hand zu verschiedenen Reisen veranlaßt, erschien auch auf dem Reichstage 1555 zu Augsburg als Abgeordneter, wo er Melanchton abermals fand und so auch auf den nächstfolgenden Reichstagen zu Nürnberg und Regensburg, wo sein verständiger Beirath Melanchton stets hoch willkommen war, der sein ganzes Vertrauen ihm schenkte. Camerarius wurde Melanchton’s Biograph und gab auch dessen Briefe heraus. Ohngeachtet daß ihn die Steinkrankheit in dieser Periode seines Lebens heimsuchte, machte der wanderlustige Gelehrte noch manche Reise, auf der ihn meist einer oder der andere seiner 5 Söhne begleiten mußte; so wohnte er 1557 auch dem Religionsgespräch in Worms persönlich bei, ging später wieder nach Wittenberg und Leipzig, dann abermals nach Franken, 1564 wieder nach Nürnberg und von da nach Leipzig zurück. Camerarius hatte sich einen so ehrenvollen Ruf erworben, daß Kaiser Maximilian ihn 1568 selbst nach Wien berief und ihn unter die Zahl seiner Räthe aufnehmen wollte, was aber anzunehmen Gesundheitsrücksichten verhinderten. Mit Christoph von Carlowitz übergab Camerarius dem Kaiser eine Gedenkschrift in religiösen Angelegenheiten. In den letzten Lebensjahren weilte er noch eine Zeitlang auf seinen fränkischen Gütern, endete aber doch in Leipzig sein thätiges und bedeutendes Leben, mit dem er der Wissenschaft durch zahlreiche Schriften genützt und sich die dankbare Anerkennung der Nachwelt begründet hatte.