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kennen und lieben. Vielleicht daß er auch mit Erasmus schon von Erfurt aus Bekanntschaft anknüpfte, oder es brachten ihn doch seine ersten erscheinenden Schriften: die lateinische Uebersetzung einer Rede des Demosthenes und Bemerkungen über die Tusculanen Cicero’s, mit diesem berühmten Gelehrten in Verbindung, der ihn, als Camerarius ihn 1524 auf einer Reise mit Melanchton in Basel besuchte, auf das zuvorkommendste empfing. Im Jahre vorher muthete er mit seinem Bruder Hieronymus vom Bischof Weigand zu Bamberg die Lehen über seine Familiengüter und das Cammermeisteramt.

Der Bauernkrieg brachte der Familie großen Schaden, ihr Schloß zu Aurach wurde zerstört und ausgeraubt, weil Hans Cammermeister mit biederer Treue an seinem Lehnsherrn hing und nicht mit der Rebellenbande ziehen wollte. In Gesellschaft eines fränkischen Edeln aus dem Geschlechte der Fuchs von Thüngen begab sich Camerarius in der stürmisch bewegten, den Wissenschaften feindseligen Zeit nach Preußen und erhielt dann 1526 einen Ruf des Nürnberger Rathes, dort in der alten Reichsstadt das neue Gymnasium einrichten zu helfen und den Unterricht im griechischen zu leiten.

Dort in angemessenem und willkommenem Wirkungskreise thätig, war Camerarius dennoch ein ruhiges Leben nicht beschieden, vielmehr wurde er noch vielfach umher geführt, meist in ehrenvollen Aufträgen und durch Berufungen dahin und dorthin, wo man seines einsichtvollen Rathes und seiner Gelehrsamkeit sich bedienen wollte. So besuchte er als Abgeordneter des Nürnberger Rathes zweimal den Reichstag zu Speier, war als solcher mit auf dem zu Augsburg 1530, und nahm, da er den geliebten Freund Melanchton dort fand, lebendigen Antheil an der Abfassung der Augsburgischen Confession. Von 1535 an lebte Camerarius einige Jahre in Tübingen, dahin ihn Herzog Ulrich von Würtemberg zur Einrichtung der Universität berufen hatte, und arbeitete dort seine Elemente der Rhetorik aus. In dieser Zeit erfreute ihn Melanchton mit seinem Besuche und er selbst machte 1538 über Nürnberg eine Reise nach Franken zu seinem Freund, dem Dompropst Daniel Stibar zu Würzburg, worauf er sich nach noch andern Reisen und Fahrten nach Sachsen begab, und dort in Folge einer Berufung der Herzoge Heinrich und Moritz zu Sachsen, im Verein mit Caspar Börner, die neue Einrichtung der Universität Leipzig besorgte, an welcher er dann von 1544 an die Stelle eines Rectors und Decans ruhmwürdig bekleidete. Wieder sah sich Camerarius nach der Hand zu verschiedenen Reisen veranlaßt, erschien auch auf dem Reichstage 1555 zu Augsburg als Abgeordneter, wo er Melanchton abermals fand und so auch auf den nächstfolgenden Reichstagen zu Nürnberg und Regensburg, wo sein verständiger Beirath Melanchton stets hoch willkommen war, der sein ganzes Vertrauen ihm schenkte. Camerarius wurde Melanchton’s Biograph und gab auch dessen Briefe heraus. Ohngeachtet daß ihn die Steinkrankheit in dieser Periode seines Lebens heimsuchte, machte der wanderlustige Gelehrte noch manche Reise, auf der ihn meist einer oder der andere seiner 5 Söhne begleiten mußte; so wohnte er 1557 auch dem Religionsgespräch in Worms persönlich bei, ging später wieder nach Wittenberg und Leipzig, dann abermals nach Franken, 1564 wieder nach Nürnberg und von da nach Leipzig zurück. Camerarius hatte sich einen so ehrenvollen Ruf erworben, daß Kaiser Maximilian ihn 1568 selbst nach Wien berief und ihn unter die Zahl seiner Räthe aufnehmen wollte, was aber anzunehmen Gesundheitsrücksichten verhinderten. Mit Christoph von Carlowitz übergab Camerarius dem Kaiser eine Gedenkschrift in religiösen Angelegenheiten. In den letzten Lebensjahren weilte er noch eine Zeitlang auf seinen fränkischen Gütern, endete aber doch in Leipzig sein thätiges und bedeutendes Leben, mit dem er der Wissenschaft durch zahlreiche Schriften genützt und sich die dankbare Anerkennung der Nachwelt begründet hatte.