Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Carl Ludwig Johann Joseph Laurentius
Erzherzog Carl steht als ein erhabenes Heldenbild
im Pantheon der deutschen Geschichte, so allverehrt und
so allgefeiert, so mit Lorbeer umkränzt, daß es fast ein
Wagniß ist, diesem Lorbeer auch nur das kleinste Blatt
ehrenden Nachruhmes hinzufügen zu wollen. Als dritter
Prinz des Großherzogs von Toscana und nachherigen
Kaisers Leopold wurde Erzherzog Carl zu Florenz
geboren und verlebte dort die ersten Jahre seiner
Jugend, ein mehr schwächliches als starkes Kind, in
welchem niemand einen künftigen thatengroßen Helden
zu ahnen vermochte. Doch bald entwickelte sich in dem
fürstlichen Kinde höhere Lebenskraft, seine Erziehung
wurde unter der trefflichsten Leitung in Wien fast vollendet,
und mit dem 20. Jahre kam der junge Erzherzog
nach Brüssel, wo die Erzherzogin Christina,
Gemahlin des Herzogs Albert von Sachsen-Teschen als
Statthalterin der Niederlande die Herrschaft führte.
Dort wurde Erzherzog Carl in die Lenkung der Staatsgeschäfte
und die Militairwissenschaft eingeweiht und
entwickelte neben der Erwerbung gediegener Kenntnisse
eine so liebenswürdige Persönlichkeit, daß er allgemeines
Vertrauen gewann. Die französische Revolution und
die zu deren Unterdrückung veranlaßten Schritte der
europäischen Mächte riefen auch Belgien unter die
Waffen und stellten den Erzherzog an die Spitze der
Avantgarde der österreichischen Armee, zur großen Freude
der Truppen, die dem Heldenjüngling vertrauten, denn
schon bei der Schlacht von Jemappes, wo Carl im Corps
des Fürsten von Hohenlohe focht, hatten sie letzteren
lieb gewonnen. Im Jahre 1793 befehligte Carl die
Vorhut unter dem Prinzen Friedrich Joflas von Coburg
und gewann sich durch seine Tapferkeit in der
großen Schlacht bei Neerwinden das Großkreuz des
Maria Theresiaordens in Brillanten, denselben, den einst
der berühmte Laudon (Lief. 1) getragen. Die aufgewiegelten
Niederlande wurden militärisch besetzt, Oesterreich
aufs neue unterworfen und Erzherzog Carl wurde
zum Generalgouverneur derselben ernannt. Er verwaltete
diese Stellung mit Schonung und Milde, bis
er nach mancher glorreichen Waffenthat, wie bei Famarn,
wo der Erzherzog das feindliche Lager stürmte,
und bei Fleurus, wo er das Centrum des Heeres
[Ξ] befehligte und Fleurus ebenfalls erstürmte – am 26. Juni
1794 – wo aber Oesterreichs Waffenglück sich dennoch
wandte und seine Statthalterschaft der Niederlande
sich endete – als Feldzeugmeister zur Armee des Oberrheins
berufen wurde, von wo er sich geschwächter
Gesundheit halber nach Wien zurückzog und sich im
Jahre 1795 strategischen Studien hingab. Im Jahre
1796 trat Erzherzog Carl als commandirender General
und bekleidet mit dem Range eines Reichsfeldmarschalls
aufs neue an die Spitze der österreichischen Armee,
kündigte am 21. Mai den bestandenen Waffenstillstand
auf und bezeichnete in seinem Aufruf an die Truppen
mit einer zu allen Zeiten gültigen Signatur des Aufruhrs
das ganze Wesen der rebellischen Franzosen als
das eines Volkes, »das alle Bande der Gesellschaft mit
Füßen tritt, alle Begriffe und alles Besitzthum zerstört
und ohne Treue, ohne Glauben, ohne Pflicht und ohne
Gewissen die ganze Menschheit in ihr Verderben reißen
will«. Durch weise Taktik wie durch offene Schlachten
drängte Carl die in Deutschland schon bis in dessen
Inneres vorgedrungenen Franzosenheere über den Rhein
zurück, zog dann gegen den siegreichen Bonaparte nach
Italien, der ihm an Heereskräften überlegen war und
ihn einen »Feldherrn ohne Heer« nannte, gegen den
er nun kämpfen solle, nachdem er bisher gegen »Heere
ohne Feldherrn« gekämpft. Das Glück der Waffen
war gegen den Erzherzog, der sich mit todtverachtendem
Heldenmuthe persönlich den größten Gefahren aussetzte,
und mit Noth der Gefangennehmung entging. Erst
ein Waffenstillstand und dann der Friede von Campo
Formio zwischen Oesterreich und Frankreich endigten im
Oktober 1797 diesen Feldzug. Jetzt wurde Erzherzog
Carl von seinem Bruder, dem Kaiser, zum General-Capitain
und Gouverneur des Königreichs Böhmen
ernannt; er wählte Prag zu seiner Residenz, doch schon
1799 rief ihn zu einem neuen Feldzug, den er selbst
mit kundiger Feder geschildert hat. Die siegreichen
Schlachten von Osterach und Stockach mehrten Carl’s
Heldenruhm; der Feldherr rückte jetzt in die Schweiz
ein, schlug Massena, entsetzte Zürich. Um ganz Deutschland
gegen die Franzosen zu rüsten, faßte Erzherzog
Carl zuerst den großen Gedanken einer allgemeinen
Volksbewaffnung; leider wurde derselbe nur vereinzelt
durchgeführt und das deutsche Vaterland noch eine lange
Reihe von Jahren der Knechtung durch das übermüthige
Franzosenvolk Preis gegeben. Im Jahre 1800
begab sich Carl, abermals durch Rücksichten auf Wiederherstellung
seiner Gesundheit genöthigt, den Oberbefehl
über die österreichische Armee abzugeben, wieder nach
Böhmen, schmerzlich vermißt von dem Heere, und bereitete
dort nöthig erscheinende Vertheidigungsmaßregeln
vor, bildete auch ohne Verzug eine 25,000 Mann starke
Landwehr.
Der erneute Krieg und das wachsende Unglück des wieder an die Spitze eines fast aufgelösten leidenden Heeres, mit dem sich keine Schlachten liefern ließen; nur einen abermaligen Waffenstillstand konnte Carl bewirken, dem 1801 der Friede von Luneville folgte. Jetzt wurde der Erzherzog österreichischer Feldmarschall und Präsident des Hofkriegsraths; er rüstete ein neues Heer, erkrankte abermals sehr bedeutend, doch wurde sein theures Leben dem Vaterlande erhalten, und als im Jahre 1805 ein Bündniß europäischer Mächte gegen Frankreich zu Stande kam, trat Oesterreich diesem bei und sein größter Feldherr wurde in dem Feldzuge in Italien commandirender General, 1806 aber Generalissimus des österreichischen Heeres und Kriegsminister. Der Erzherzog that in dieser Stellung wiederholt alles, was nur in seinen Kräften stand, die Armee wieder geistig und materiell zu heben. Während ihm dieß in nicht geringem Grade gelang, riefen drei spanische Provinzen den edlen Sproß des Habsburger Stammes zum König von Spanien und Indien aus und sandten eine Fregatte, ihn von Trieft aus nach Cadir in sein neues Reich zu führen. Aber voll hochherziger Treue gegen sein Vaterland, wie voll hoher Einsicht schlug er die dargebotene Krone aus. Wie das Heldengestirn der Dioskuren standen nun die erzherzoglichen Brüder Carl und Johann an der Spitze der Leitung des österreichischen Kriegswesens, und bald war dasselbe wieder neu geordnet und gekräftigt, und es wurden große und wichtige Schlachten mit Begeisterung unter der Führung Erzherzog Carl’s geschlagen. Dennoch waren die Tage von Abensberg, Landshut, Eckmühl und Regensburg nicht glücklich für die Waffen Oesterreichs; Napoleon drang gegen Wien vor und nahm die Kaiserstadt siegreich ein, bald darauf zeichnete die Geschichte Insel Lobau und Aspern in ihre ewigen Annalen, Erzherzog Carl errang einen glänzenden, unvergeßlichen Sieg, Carl wurde Oesterreichs Retter. Der glorreiche Sieg wurde verfolgt, in der Schlacht von Wagram aber wurde Carl durch einen Streifschuß verwundet, ohne der Wunde sonderlich zu achten. Muthvoll wurde der heftig entbrannte Kampf fortgesetzt und ging leider für Oesterreich verloren; die Armee mußte sich zurückziehen. Der Waffenstillstand von Znaim endete das blutige Morden, und am 31. Juli 1809 gab Erzherzog Carl zu Littau den Oberbefehl in die Hände seines Bruders, des Kaisers, zurück. Er trat den Schauplätzen des Krieges fern, vermählte sich 1815 mit Prinzessin Henriette von[WS 1] Nassau-Weilburg, lebte den Wissenschaften in glücklicher Häuslichkeit, schrieb treffliche militärische Werke, schützte und förderte die schönen Künste. Er feierte noch würdige Jubelfeste, sah sich allgeehrt und allgeliebt, und starb an den Folgen einer Erkältung, sanft und gefaßt, im 76. Lebensjahre, aufrichtig betrauert und unvergänglichen Ruhmes sicher.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: vou