Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Carl Ludwig Johann Joseph Laurentius

Textdaten
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Autor: Ludwig Bechstein
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Titel: Carl Ludwig Johann Joseph Laurentius
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aus: Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen, S. 61–62
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Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Georg Wigand's Verlag
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Google und Commons
Kurzbeschreibung:
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Carl Ludwig Johann Joseph Laurentius,
Erzherzog von Oesterreich.
Geb. d. 5. Sept. 1771, gest. d. 30. April 1847.


Erzherzog Carl steht als ein erhabenes Heldenbild im Pantheon der deutschen Geschichte, so allverehrt und so allgefeiert, so mit Lorbeer umkränzt, daß es fast ein Wagniß ist, diesem Lorbeer auch nur das kleinste Blatt ehrenden Nachruhmes hinzufügen zu wollen. Als dritter Prinz des Großherzogs von Toscana und nachherigen Kaisers Leopold wurde Erzherzog Carl zu Florenz geboren und verlebte dort die ersten Jahre seiner Jugend, ein mehr schwächliches als starkes Kind, in welchem niemand einen künftigen thatengroßen Helden zu ahnen vermochte. Doch bald entwickelte sich in dem fürstlichen Kinde höhere Lebenskraft, seine Erziehung wurde unter der trefflichsten Leitung in Wien fast vollendet, und mit dem 20. Jahre kam der junge Erzherzog nach Brüssel, wo die Erzherzogin Christina, Gemahlin des Herzogs Albert von Sachsen-Teschen als Statthalterin der Niederlande die Herrschaft führte. Dort wurde Erzherzog Carl in die Lenkung der Staatsgeschäfte und die Militairwissenschaft eingeweiht und entwickelte neben der Erwerbung gediegener Kenntnisse eine so liebenswürdige Persönlichkeit, daß er allgemeines Vertrauen gewann. Die französische Revolution und die zu deren Unterdrückung veranlaßten Schritte der europäischen Mächte riefen auch Belgien unter die Waffen und stellten den Erzherzog an die Spitze der Avantgarde der österreichischen Armee, zur großen Freude der Truppen, die dem Heldenjüngling vertrauten, denn schon bei der Schlacht von Jemappes, wo Carl im Corps des Fürsten von Hohenlohe focht, hatten sie letzteren lieb gewonnen. Im Jahre 1793 befehligte Carl die Vorhut unter dem Prinzen Friedrich Joflas von Coburg und gewann sich durch seine Tapferkeit in der großen Schlacht bei Neerwinden das Großkreuz des Maria Theresiaordens in Brillanten, denselben, den einst der berühmte Laudon (Lief. 1) getragen. Die aufgewiegelten Niederlande wurden militärisch besetzt, Oesterreich aufs neue unterworfen und Erzherzog Carl wurde zum Generalgouverneur derselben ernannt. Er verwaltete diese Stellung mit Schonung und Milde, bis er nach mancher glorreichen Waffenthat, wie bei Famarn, wo der Erzherzog das feindliche Lager stürmte, und bei Fleurus, wo er das Centrum des Heeres [Ξ] befehligte und Fleurus ebenfalls erstürmte – am 26. Juni 1794 – wo aber Oesterreichs Waffenglück sich dennoch wandte und seine Statthalterschaft der Niederlande sich endete – als Feldzeugmeister zur Armee des Oberrheins berufen wurde, von wo er sich geschwächter Gesundheit halber nach Wien zurückzog und sich im Jahre 1795 strategischen Studien hingab. Im Jahre 1796 trat Erzherzog Carl als commandirender General und bekleidet mit dem Range eines Reichsfeldmarschalls aufs neue an die Spitze der österreichischen Armee, kündigte am 21. Mai den bestandenen Waffenstillstand auf und bezeichnete in seinem Aufruf an die Truppen mit einer zu allen Zeiten gültigen Signatur des Aufruhrs das ganze Wesen der rebellischen Franzosen als das eines Volkes, »das alle Bande der Gesellschaft mit Füßen tritt, alle Begriffe und alles Besitzthum zerstört und ohne Treue, ohne Glauben, ohne Pflicht und ohne Gewissen die ganze Menschheit in ihr Verderben reißen will«. Durch weise Taktik wie durch offene Schlachten drängte Carl die in Deutschland schon bis in dessen Inneres vorgedrungenen Franzosenheere über den Rhein zurück, zog dann gegen den siegreichen Bonaparte nach Italien, der ihm an Heereskräften überlegen war und ihn einen »Feldherrn ohne Heer« nannte, gegen den er nun kämpfen solle, nachdem er bisher gegen »Heere ohne Feldherrn« gekämpft. Das Glück der Waffen war gegen den Erzherzog, der sich mit todtverachtendem Heldenmuthe persönlich den größten Gefahren aussetzte, und mit Noth der Gefangennehmung entging. Erst ein Waffenstillstand und dann der Friede von Campo Formio zwischen Oesterreich und Frankreich endigten im Oktober 1797 diesen Feldzug. Jetzt wurde Erzherzog Carl von seinem Bruder, dem Kaiser, zum General-Capitain und Gouverneur des Königreichs Böhmen ernannt; er wählte Prag zu seiner Residenz, doch schon 1799 rief ihn zu einem neuen Feldzug, den er selbst mit kundiger Feder geschildert hat. Die siegreichen Schlachten von Osterach und Stockach mehrten Carl’s Heldenruhm; der Feldherr rückte jetzt in die Schweiz ein, schlug Massena, entsetzte Zürich. Um ganz Deutschland gegen die Franzosen zu rüsten, faßte Erzherzog Carl zuerst den großen Gedanken einer allgemeinen Volksbewaffnung; leider wurde derselbe nur vereinzelt durchgeführt und das deutsche Vaterland noch eine lange Reihe von Jahren der Knechtung durch das übermüthige Franzosenvolk Preis gegeben. Im Jahre 1800 begab sich Carl, abermals durch Rücksichten auf Wiederherstellung seiner Gesundheit genöthigt, den Oberbefehl über die österreichische Armee abzugeben, wieder nach Böhmen, schmerzlich vermißt von dem Heere, und bereitete dort nöthig erscheinende Vertheidigungsmaßregeln vor, bildete auch ohne Verzug eine 25,000 Mann starke Landwehr.

Der erneute Krieg und das wachsende Unglück des wieder an die Spitze eines fast aufgelösten leidenden Heeres, mit dem sich keine Schlachten liefern ließen; nur einen abermaligen Waffenstillstand konnte Carl bewirken, dem 1801 der Friede von Luneville folgte. Jetzt wurde der Erzherzog österreichischer Feldmarschall und Präsident des Hofkriegsraths; er rüstete ein neues Heer, erkrankte abermals sehr bedeutend, doch wurde sein theures Leben dem Vaterlande erhalten, und als im Jahre 1805 ein Bündniß europäischer Mächte gegen Frankreich zu Stande kam, trat Oesterreich diesem bei und sein größter Feldherr wurde in dem Feldzuge in Italien commandirender General, 1806 aber Generalissimus des österreichischen Heeres und Kriegsminister. Der Erzherzog that in dieser Stellung wiederholt alles, was nur in seinen Kräften stand, die Armee wieder geistig und materiell zu heben. Während ihm dieß in nicht geringem Grade gelang, riefen drei spanische Provinzen den edlen Sproß des Habsburger Stammes zum König von Spanien und Indien aus und sandten eine Fregatte, ihn von Trieft aus nach Cadir in sein neues Reich zu führen. Aber voll hochherziger Treue gegen sein Vaterland, wie voll hoher Einsicht schlug er die dargebotene Krone aus. Wie das Heldengestirn der Dioskuren standen nun die erzherzoglichen Brüder Carl und Johann an der Spitze der Leitung des österreichischen Kriegswesens, und bald war dasselbe wieder neu geordnet und gekräftigt, und es wurden große und wichtige Schlachten mit Begeisterung unter der Führung Erzherzog Carl’s geschlagen. Dennoch waren die Tage von Abensberg, Landshut, Eckmühl und Regensburg nicht glücklich für die Waffen Oesterreichs; Napoleon drang gegen Wien vor und nahm die Kaiserstadt siegreich ein, bald darauf zeichnete die Geschichte Insel Lobau und Aspern in ihre ewigen Annalen, Erzherzog Carl errang einen glänzenden, unvergeßlichen Sieg, Carl wurde Oesterreichs Retter. Der glorreiche Sieg wurde verfolgt, in der Schlacht von Wagram aber wurde Carl durch einen Streifschuß verwundet, ohne der Wunde sonderlich zu achten. Muthvoll wurde der heftig entbrannte Kampf fortgesetzt und ging leider für Oesterreich verloren; die Armee mußte sich zurückziehen. Der Waffenstillstand von Znaim endete das blutige Morden, und am 31. Juli 1809 gab Erzherzog Carl zu Littau den Oberbefehl in die Hände seines Bruders, des Kaisers, zurück. Er trat den Schauplätzen des Krieges fern, vermählte sich 1815 mit Prinzessin Henriette von[WS 1] Nassau-Weilburg, lebte den Wissenschaften in glücklicher Häuslichkeit, schrieb treffliche militärische Werke, schützte und förderte die schönen Künste. Er feierte noch würdige Jubelfeste, sah sich allgeehrt und allgeliebt, und starb an den Folgen einer Erkältung, sanft und gefaßt, im 76. Lebensjahre, aufrichtig betrauert und unvergänglichen Ruhmes sicher.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: vou