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Carl Ludwig Johann Joseph Laurentius,
Erzherzog von Oesterreich.
Geb. d. 5. Sept. 1771, gest. d. 30. April 1847.


Erzherzog Carl steht als ein erhabenes Heldenbild im Pantheon der deutschen Geschichte, so allverehrt und so allgefeiert, so mit Lorbeer umkränzt, daß es fast ein Wagniß ist, diesem Lorbeer auch nur das kleinste Blatt ehrenden Nachruhmes hinzufügen zu wollen. Als dritter Prinz des Großherzogs von Toscana und nachherigen Kaisers Leopold wurde Erzherzog Carl zu Florenz geboren und verlebte dort die ersten Jahre seiner Jugend, ein mehr schwächliches als starkes Kind, in welchem niemand einen künftigen thatengroßen Helden zu ahnen vermochte. Doch bald entwickelte sich in dem fürstlichen Kinde höhere Lebenskraft, seine Erziehung wurde unter der trefflichsten Leitung in Wien fast vollendet, und mit dem 20. Jahre kam der junge Erzherzog nach Brüssel, wo die Erzherzogin Christina, Gemahlin des Herzogs Albert von Sachsen-Teschen als Statthalterin der Niederlande die Herrschaft führte. Dort wurde Erzherzog Carl in die Lenkung der Staatsgeschäfte und die Militairwissenschaft eingeweiht und entwickelte neben der Erwerbung gediegener Kenntnisse eine so liebenswürdige Persönlichkeit, daß er allgemeines Vertrauen gewann. Die französische Revolution und die zu deren Unterdrückung veranlaßten Schritte der europäischen Mächte riefen auch Belgien unter die Waffen und stellten den Erzherzog an die Spitze der Avantgarde der österreichischen Armee, zur großen Freude der Truppen, die dem Heldenjüngling vertrauten, denn schon bei der Schlacht von Jemappes, wo Carl im Corps des Fürsten von Hohenlohe focht, hatten sie letzteren lieb gewonnen. Im Jahre 1793 befehligte Carl die Vorhut unter dem Prinzen Friedrich Joflas von Coburg und gewann sich durch seine Tapferkeit in der großen Schlacht bei Neerwinden das Großkreuz des Maria Theresiaordens in Brillanten, denselben, den einst der berühmte Laudon (Lief. 1) getragen. Die aufgewiegelten Niederlande wurden militärisch besetzt, Oesterreich aufs neue unterworfen und Erzherzog Carl wurde zum Generalgouverneur derselben ernannt. Er verwaltete diese Stellung mit Schonung und Milde, bis er nach mancher glorreichen Waffenthat, wie bei Famarn, wo der Erzherzog das feindliche Lager stürmte, und bei Fleurus, wo er das Centrum des Heeres