Zwei historische Verse - ein Beitrag zur Biographie eines deutschen Patrioten

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Autor: H. W.
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Titel: Zwei historische Verse - ein Beitrag zur Biographie eines deutschen Patrioten
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aus: Die Gartenlaube, Heft 26, S. 435
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1881
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[435] Zwei historische Verse – ein Beitrag zur Biographie eines deutschen Patrioten. Der unglückliche Ausgang der Schlachten bei Jena und Auerstädt am 14. October 1806 hatte über das Schicksal unseres Vaterlandes entschieden.

Mit Bangen sah der Deutsche in die Zukunft, aber nicht ohne Muth. Das zeigten Männer, welche Gut und Blut und Freiheit für die heilige Sache des Vaterlandes wagten. Das zeigte das Volk, als es begeistert zum Kampfe sich erhob, zum Kampfe des Rechtes gegen die Willkür.

Mancher Edle mußte verbluten, mußte schimpflich auf dem Richtplatze sterben, weil sein Edelmuth, seine Opferfreudigkeit, sein kühnes Sprechen und Handeln dem Machthaber Napoleon gefährlich dünkten. Andere mußten in’s Ausland fliehen.

Einen solchen Flüchtling finden wir auf seinem Wege nach Lübeck von wo er sich in einen russischen Hafen begeben will, an einem stürmischen Spätherbsttage auf der Landstraße, welche die beiden Städte Mölln und Ratzeburg verbindet und sich über diese hinaus nach entgegengesetzten Seiten gegen Hamburg und Lübeck zieht. Ein heulender Sturm treibt dem Wanderer den feinen durchdringenden Regen in’s Gesicht. Müde und gedankenvoll blickt er vor sich hin und sein Gang verräth Erschöpfung. Wohl während einer Staude mochte er von Mölln aus den Wald durchwandert haben, als dieser sich lichtete. Am Saume lag ein Gut.

Er schritt auf das entfache Wohnhaus zu, um sich ein Obdach zu erbitten. Der Besitzer – einer meiner Voreltern, aus dessen Ueberlieferungen ich diese kleine Geschichte kenne – prüfte den seltsamen Besuch lange; denn seine Menschenkenntniß mochte ihm sagen, daß der, welcher vor ihm stand, Besonderes erlebt habe und von besonderen Umständen geleitet werde. Ueberdies war bei den unruhigen Zeiten Vorsicht geboten. Sei es nun wegen des vertrauenerweckenden Eindrucks, den der später Gast machte, sei es seines würdigen Auftretens wegen – der Landmann nahm ihn auf.

Nachdem der Erschöpfte sich an der ländlichen Abendmahlzeit gestäkt hatte, unterhielten sich die beiden Männer noch lange über die schweren Zeiten in denen man lebte, und immer aufmerksamer horchte der schlichte Wirth den verständigen und ernsten Reden seines Gastes, der indessen über seine Person, woher er komme und wohin er wolle, Schweigen bewahrte und stets bestrebt war, das Gespräch von sich abzulenken. Spät suchte der Fremde sein Lager auf, und auch die Familie des Landmanns ging zur Ruhe, ohne zu wissen, wem sie Obdach gewährte.

Schon früh am andern Morgen war das ganze Haus wach, und Alles versammele sich zur Frühkost. Auch der Fremde erschien und nahm Theil an der Mahlzeit. Dann aber, als schon der Morgen voll hereingebrochen war, rüstete er sich zum Abschiede mit herzlichen Dankesworten gegen seinen freundlichen Wirth und dessen Familie. – Noch lange gedachte man auf dem Gute des unbekannten Mannes, der so einsichtsvoll über die Zeitverhältnisse gesprochen und voll Hoffnung auf bessere Zeiten vertröstet hatte, doch erfuhr man nicht, wer er war, bis der Zufall es verrieth.

Das Zimmer, in welchem der Fremde während seines Aufenthaltes gewohnt hatte, wurde kurze Zeit nach dem erzählten Vorfall gereinigt. Neben anderen Bildern schmückten die Portraits Napoleon’s des Ersten und des Erzherzogs Karl von Oesterreich die Wände desselben, und als sie gesäubert wurden, entdeckte man auf ihren Rückseiten folgende mit Bleistift geschriebene Strophen.

Hinter Napoleon’s Bildniß stand.

„Als Du geboren wardst,
Der größte aller Geister,
Trat Satanas zurück
Und sprach: ,Du bist mein Meister.’“

Hinter dem Bilde Karl’s von Oesterreich aber las man:

„Auf Dir ruht jedes Deutschen Blick.
Gott sei mit Dir und geb’ Dir Glück
Daß Du die Hunde treibst zurück!“

Unter beiden Strophen stand der Namenszug eines allgefeierten Mannes, eines der größten Staatsmänner und Vaterlandsfreunde jener Tage – des Freiherrn von Stein.

In markigen Worten hatte er die Bedeutung der beiden Männer, die an der Spitze zweier Nationen sich feindlich gegenüberstanden charakterisirt.

Diese an sich unbedeutende kleine Mittheilung aus dem Leben eines deutschen Patrioten dürften wir heute, wo ganz Deutschland die fünfzigste Wiederkehr von dessen Todestage (29. Juni) feiert, nicht zur Unzeit gebracht haben.

Die Bilder, auf denen der Freiherr von Stein sich verewigte, werden noch heute in unserer Familie aufbewahrt.

H. W.