Zwei Sagen aus St. Georgen bei Freiburg i. B.

Textdaten
<<< >>>
Autor: Hermann Mayer
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Zwei Sagen aus St. Georgen bei Freiburg i. B.
Untertitel:
aus: Alemannia, XX. Band, S. 206–209
Herausgeber: Fridrich Pfaff
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1892
Verlag: P. Hanstein
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Bonn
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google-USA*, Commons
Kurzbeschreibung:
Für die Einzeltexte siehe Die große Glocke und Der See. Siehe auch den Nachtrag im nächsten Band der Alemannia: Die Glocken von St. Georgen bei Freiburg.
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[206]
ZWEI SAGEN AUS ST. GEORGEN BEI FREIBURG i. B.
1. DIE GROSSE GLOCKE.

Eine ähnliche Sage, wie von der Glocke in Waldkirch[1] und von der Glocke Susanne in St. Georgen auf dem Schwarzwald[2] erzählt wird, findet sich auch in dem Orte St. Georgen bei Freiburg i. B. Die (alte) Kirche dieses Pfarrdorfes, etwa eine Stunde westlich von Freiburg an der Landstraße nach Basel gelegen, besass eine sehr schöne und große Glocke, die Susanne hieß[3]. Die Bewohner Freiburgs beneideten das Nachbardorf um dieselbe und wollten sie in ihrer Stadt haben. Sie wurde also – ob gekauft oder mit Gewalt genommen, steht nicht fest – eines schönen Tages auf einen Wagen geladen und die Straße hinein nach der Stadt geführt. Man war schon bis an den Markstein – nicht weit vom jetzigen Bahnübergang an der Baslerstraße –, der das Gebiet der Gemeinde St. Georgen von dem der Stadt Freiburg trennt, gekommen, als auf einmal der Wagen mit seiner Last stehen blieb. Und trotz aller Bemühung konnte er nicht mehr von der Stelle weiter gebracht werden. Das Staunen und der Schrecken der Umstehenden [207] wurde aber noch größer, als sich alsbald (aus der Glocke selbst wol) eine laute Stimme vernehmen ließ:

„I heiß’ Susanne,
in St. George will i hange.“[4]

Natürlich wagte man jetzt nicht mehr, noch länger einem so offen sich kund gebenden höheren Willen sich zu widersetzen. Man kehrte also um und fuhr mit der Glocke wieder gegen St. Georgen zurück, wohin sie sich auch gerne und leicht bringen ließ. – Noch jetzt heißt eine der Glocken auf dem Turm der Kirche von St. Georgen Susanne.

Wir haben also auch hier einige der von Uhland in den „Schriften zur Geschichte der Dichtung und Sage“ (Band VIII, S. 588) aufgezählten Hauptzüge der so zahlreichen Glockensagen: den Namen Susanne, den Eigenwillen der Glocke, den Neid der Städter gegen schöne Dorfglocken, die Treue letzterer gegen ihre rechte Heimat.


2. DER SEE.

Hinter der Pfarrkirche von St. Georgen bei Freiburg, etwa 10–15 Minuten nach Norden von derselben entfernt, liegt an der Straße nach Opfingen, bevor dieselbe in den Mooswald sich hineinzieht, eine viereckige Niederung im Ackerfeld mit einem Rain von 1–3 M. Höhe. Von dieser Einsenkung ist bald eine größere, bald eine kleinere Fläche mit Wasser bedeckt. Der ganze Raum ist sumpfig, mit Weiden, Schilfrohr usw. bewachsen. Das Wasser aber ist namentlich in der Mitte und insbesondere an drei Stellen, „Brunnen“ genannt, angeblich unergründlich tief. Man hat schon mit zwei aneinandergebundenen Gerüststangen hinabgestoßen, auch mit zwei sog. Mattenschnüren gemessen – alles ohne auf den Grund zu kommen. Schon öfters suchte man diesen See aufzufüllen, aber noch nie ist es – für die Dauer – gelungen. So hat man z. B. bei der Erbauung der jetzigen Kirche, in den Jahren 1866 ff., alle Steine und allen Schutt von der alten Kirche – die an demselben Platz wie die neue, nur in anderer Richtung, nämlich der Landstraße entlang, also westöstlich stand – dahin geführt und dort abgeladen, so dass [208] fast gar kein Wasser mehr zu sehen war. Auch sonst hat man schon mehrere 100 Wagen voll Schutt dahin geführt, aber immer und immer wieder kam das Wasser zum Vorschein und sank der Boden. In manchen nassen Jahrgängen war so viel Wasser darin, dass fast eine Mühle hätte getrieben werden können. Das Wasser ist lauter Grundwasser. Beim Auswerfen von Gräbern auf dem bei der Kirche gelegenen Gottesacker kam auch schon plötzlich solches zum Vorschein, während denn zur gleichen Zeit das im See meistens abnahm. – Man hat endlich im See schon öfters auch schöne Wildenten gesehen, die aber dann auch wieder lange Zeit hindurch nicht mehr sich blicken lassen.

An diesen wunderbaren und geheimnisvollen See also schließt sich folgende Sage an. An dieser Stelle war früher einmal ein Schloss[5], das mit dem auf dem nahen Schinberg (jetzt Schönberg genannt), der Schneeburg[6], in Verbindung stand. Ein unterirdischer Gang verband die beiden miteinander. Auch führte ein breiter Fahrweg von der Schneeburg hinunter. Die Bewohner des Schlosses waren sehr übermütig, üppig und gottlos. In ihrem Uebermut und ihrer Begierlichkeit wollten sie sich auch im Sommer das Vergnügen des Schlittschuhlaufens nicht versagen. Sie ließen sich deshalb – zwischen ihrem Schloss und dem Dorfe St. Georgen – eine Eisbahn von Salz herstellen. Bei schlechtem Wetter gingen sie auf Brodlaiben, am trockenen Fußes von einem Ort zum andern gelangen zu können, oder aber sie gingen in Stiefeln von ausgehöhltem [209] Brod[7] – Einer der Herren des Schlosses ließ, um unbemerkt überall herumschweifen und seinen Gelüsten fröhnen zu können, sein Ross umgekehrt beschlagen.

Dass die Bewohner der beiden Schlösser dem Gottseibeiuns verfallen waren, beweist folgendes. Als einmal der Schlossherr wieder von der Schneeburg herunter nach dem unteren Schloss fuhr, sprang beim Anfang des Dorfes ein Bursche von hinten auf den Wagen. Wie erschrak der biedere Dorfbewohner aber, als der Herr im Wagen umschaute und ihn mit feurigen Augen ansah (also der leibhaftige Teufel war)!

So wurde denn lange Zeit hindurch die tolle Wirtschaft auf dem Schlosse weitergetrieben. Da auf einmal war eines schönen Morgens das Schloss versunken, und man hat seither keine Spur mehr davon gefunden. An der Stelle aber, wo es einstens stand, hausen jetzt Nixen im See, welche diejenigen – namentlich die Kinder –, die zu nahe sich ans Wasser wagen, zu sich hinabziehen.

Freiburg i. B. HERMANN MAYER.     

  1. Vgl. Bernh. Baader „Volkssagen aus dem Lande Baden und den angrenzenden Gegenden.“ Karlsruhe 1851. S. 64.
  2. Vgl. B. Baader a. a. O. S. 76 und Mones „Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit“ VIII Sp. 532. Auch über die Basler Silberglocke geht eine ähnliche Sage. Vgl. B. Baader „Neugesammelte Volkssagen …“ Freiburg 1859. S. 7.
  3. Bekanntlich heißt die größte Glocke auf dem Münster in Freiburg auch Susanne. Marmon („Unserer lieben Frauen Münster zu Freiburg i. B.“ Freiburg 1878. S. 47) hält für den richtigen Namen Hosanna.
  4. Ganz ähnlich lässt sich die Glocke zu Bernsweiler hören. Vgl. Otte, Glockenkunde ², 169 ff.
  5. Nach anderer Angabe ein Kloster. Man soll nämlich auch schon eine Kirchturmspitze daselbst erblickt haben.
  6. Hier spukt bekanntlich auch die Tannhäusersage. Vgl. H. Schreiber, Taschenbuch für Geschichte und Alterthum in Süddeutschland, Freiburg 1839. S. 348 ff. Ein Aufsatz darüber vom Herausgeber dieser Zeitschrift wird später erscheinen. Unter der Schneeburg soll übrigens jetzt noch ein Keller mit Wein sich befinden. Man erzählt sich, die Bewohner des benachbarten Dorfes Ebringen hätten einmal darnach graben wollen, seien aber von staatswegen gehindert worden (wol wegen Baufälligkeit der noch vorhandenen Burgreste). Auch sonst sollen daselbst noch Schätze verborgen sein, wie ein Zwerg einem Manne, der Bausteine dort ausgraben wollte, geoffenbart hat, ihn vor weiterem Nachgraben unter Drohungen abmahnend.
  7. Dieser Zug findet sich bekanntlich noch in mehreren Sagen, so z. B. in der vom Titisee (vgl. B. Baader, „Volkssagen aus dem Lande Baden und den angrenzenden Gegenden“ Karlsruhe 1851. S. 39 und H. Schreiber, „Die Volkssagen der Stadt Freiburg i. B. und ihrer Umgegend“ Freiburg. 1867. S. 101), in der vom Suggental (Baader a. a. O. S. 61, Schreiber S. 78).