Zur Geschichte des deutschen Buchhandels in der Restaurationszeit

Textdaten
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Autor: Rudolf von Gottschall
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Titel: Zur Geschichte des deutschen Buchhandels in der Restaurationszeit
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 15, S. 246-248
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1882
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Zur Geschichte des deutschen Buchhandels in der Restaurationszeit.
Von Rudolf von Gottschall.

Hat sich auch der Jubel darüber, „wie wir es jetzt so herrlich weit gebracht“, oft allzu dithyrambisch geäußert, so wird doch jede wahrheitsgetreue Darstellung der deutschen Verhältnisse aus früheren Jahrzehnten unseres Jahrhunderts immer von Neuem den Beweis liefern, daß eine Menge jener Schranken gefallen sind, welche früher die Entwickelung des geistigen Lebens hemmten. Und wenn man die kleinlichen Interessen in’s Auge faßt, mit denen sich die damalige Staatsweisheit auch in den höchsten Regionen beschäftigte, so muß man anerkennen, daß die Perspectiven der innern und äußern Politik seitdem bemerkbar großartiger geworden sind.

Mit welchen Hindernissen damals besonders der Buchhandel zu kämpfen hatte, der als Träger der geistigen Bewegung angesehen werden mußte, davon entwirft uns der dritte Band der Biographie von Friedrich Arnold Brockhaus, die sein Enkel Eduard Brockhaus herausgegeben (Leipzig, F. A. Brockhaus), ein sehr lebendiges Bild. An der Treue und Wahrheit desselben darf man um so weniger zweifeln, als dieser Band wie die ganze Lebensbeschreibung überhaupt aus archivarischen Quellen geschöpft und durchaus gewissenhaft ohne jede Schönfärberei abgefaßt worden ist. Acten und Briefe sprechen für sich selbst, und das anscheinend Unglaubwürdige erhält durch sie eine unwidersprechliche Bestätigung.

Als einer der rührigsten und tüchtigsten deutschen Buchhändler, welcher den Kampf gegen die französische Fremdherrschaft und das Napoleonische Regiment in seinen „Deutschen Blättern“ und in vielen seiner Verlagsunternehmungen mit großer Ausdauer geführt hatte, konnte Friedrich Arnold Brockhaus doch nicht den Verfolgungen entgehen, welche zur Zeit der Karlsbader Beschlüsse sich an die Fersen vieler der besten Patrioten hefteten, und sowohl die preußische wie die österreichische Regierung belastete seinen Verlag mit Verboten, Recensuren, Postdebitentziehungen und anderen polizeilichen Chicanen; daneben hatte er unter den damaligen gesetzlichen Bestimmungen über den Nachdruck zu leiden, welche in die deutschen buchhändlerischen Verhältnisse eine unglaubliche Verwirrung brachten.

Wir haben zwar die scharfen Verdammungsurtheile gelesen, welche Jean Paul und andere damalige Schriftsteller über das Unwesen des Nachdrucks aussprachen, aber es wird wenigen bekannt sein, daß dieser Nachdruck zum Theil sogar von den Regierungen privilegirt wurde. Diese Erfahrung machte Brockhaus bei seinem Hauptunternehmen, dem „Conversationslexicon“, das seinen Weltruf bis auf den heutigen Tag behauptet hat und gegenwärtig in einer dreizehnten, völlig umgearbeiteten und wesentlich bereicherten, auch mit Illustrationen und Karten ausgestatteten Ausgabe erscheint, von welcher gegenwärtig der erste Band abgeschlossen vorliegt. Der Nachdruck des Lexicons, welchen die Firma A. E. Macklot in Stuttgart veranstaltete, erschien damals mit königlich württembergischer allergnädigster Genehmigung, und in der Ankündigung spendete die Firma in naivster Weise dem Original warmes Lob; über den Werth desselben sei in ganz Deutschland nur eine Stimme; es bewähre sich in ihm, was deutscher Geist und deutscher Fleiß bei großen literarischen Unternehmungen zu leisten vermöchten, und das durch den vereinten Fleiß vieler ausgezeichneter deutscher Gelehrten hervorgebrachte Werk mache eine ganze Bibliothek entbehrlich. Die Macklot’sche Buchhandlung habe sich entschlossen, eine neue Auflage davon zu veranstalten, um das so vortreffliche Werk besonders in dem südlichen Deutschland weiter zu verbreiten und durch Verringerung des Preises seinen Besitz auch unbemittelteren Lesern zu erleichtern.

Das erscheint von unserem heutigen Standpunkte aus als eine ganz unbegreifliche Naivetät; Brockhaus aber hatte mit thatsächlichen Verhältnissen zu rechnen und mußte alle erdenklichen Schachzüge unternehmen, um jenen Nachdruck so unschädlich wie möglich zu machen. Er erlangte für die vierte Auflage seines Conversationslexicons ein Privilegium der württembergischen Regierung auf sechs Jahre; aber die Regierung war so gerecht und wohlwollend, das Privilegium, das sie der Firma Macklot für die dritte Auflage ertheilt hatte, nicht zu vergessen und Herrn Brockhaus an’s Herz zu legen, daß er ja die noch nicht erschienenen Bände derselben ausgebe und Macklot das Recht des Nachdrucks gestatte; Brockhaus hielt es für das Beste, mit seinem Nachdrucker nun selbst einen Vertrag abzuschließen, in welchem er diesem die Vollendung des Nachdruckes in einer bestimmten Zahl von Exemplaren gestattete, auf einen späteren Druck verzichtete und 1500 Gulden Schadenersatz zahlte. Doch auch dieser Vertrag hatte nicht den gewünschten Erfolg; er wurde unter allerlei Vorwänden nicht eingehalten; es kam zu Händeln, zu Processen, die durch mehrere Instanzen gingen.

Gleichzeitig traten auch andere Nachdrucke des Conversationslexicons zu Tage; kann man es Brockhaus verdenken, wenn er sich in einem geharnischten Flugblatte gegen die Flibustier-Industrie des Nachdruckes aussprach, in jener kräftigen, witzigen Weise, die an das Vorbild Jean Paul’s erinnerte? „Nein, liebes Publicum,“ läßt er sich vernehmen, „solange der Deutsche noch nicht auf dem Kopfe geht und mit den Füßen denkt, wird dir kein Mensch – und wäre dieser selbst ein königlich württembergischer Geheimer- oder ein Regierungsrath – einreden, daß Verlagsrecht kein Recht, Buchhandel kein Handel sei. Wenn du dagegen alles das bedenkst, was seit Luther und Frobenius, 300 Jahre lang, verständige und rechtliche Leute und darunter Männer wie Kant, Fichte, Pütter, Munde, Campe, Becker, Jean Paul, gegen den Nachdruck gesagt haben, so wirst du wohl begreifen, daß der Bücher-Nachdruck nichts weiter sei, als ein Polyp im Herzen des edelsten Eigenthumsrechtes, das je eine Nation in Anspruch nehmen kann. Du wirst also einsehen, liebes Publicum, daß Gesetze, die den Nachdruck erlauben, nichts anderes erzielen, als Verleger und Schriftsteller, die nun auch einen Magen haben wie der Nachdrucker, wenn auch keinen Straußenmagen wie dieser – zu nöthigen, an ihrer eigenen Tafel zu fasten, an der sie Herrn Macklot und Compagnie bewirthen.“

Mit solchen Anklagen der Nachdrucker, die er weiterhin mit dem Crispin vergleicht, der das Leder stiehlt und den Armen Schuhe daraus macht, aber nicht umsonst, wie dieser, oder mit den [247] Falschmünzern, die in das Raspelhaus gesteckt und an den Galgen gehenkt werden, begnügte sich Brockhaus nicht; er wandte sich an die Quelle der Gesetzgebung, an die Regierungen und den Bundestag mit seinen Eingaben und muß jedenfalls als einer der tapfersten Vorkämpfer gegen einen Mißbrauch angesehen werden, der uns jetzt nur noch wie eine dunkle Sage aus den Zeiten bundestäglicher Rechtsanarchie gemahnt.

Viel aufreibender noch waren die Kämpfe, welche F. A. Brockhaus mit der preußischen Regierung zu bestehen hatte, in denen sich Erfolge und Mißerfolge, Zugeständnisse und die Zurücknahme derselben in oft überraschender Weise ablösten. Diese Kämpfe werfen zugleich ein Licht auf die damaligen politischen Strömungen in den höchsten Kreisen Berlins, wo die Intentionen des Fürsten Hardenberg oft genug von den anderen Ministern gekreuzt wurden; denn der alte Staatskanzler hatte in dem absolutistisch regierten Preußen lange nicht jene durchgreifende Macht, wie sie Fürst Bismarck in dem parlamentarischen Preußen und Deutschland besitzt. Brockhaus hatte in dem Historiker Friedrich von Raumer einen getreuen Bundesgenossen, der ihm nicht nur Stimmungsberichte aus Regierungskreisen schrieb, nicht nur Rathschläge über die besten zu ergreifenden Schritte ertheilte, sondern auch selbst Mitglied des Obercensurcollegiums war; trotzdem konnte Brockhaus der widerstrebenden Elemente in Berlin nicht Herr werden und mußte, wenn er zwei Schritte nach vorwärts gemacht hatte, bald darauf wieder einen Schritt zurückthun. Das gerade zehrte an seinem Leben und hatte, zusammen mit anderen Mißhelligkeiten und mit der literarischen Polemik, in die er mit dem kritischen Kernbeißer Advocat Müllner in Weißenfels gerathen war, seinen verhältnißmäßig frühen Tod zur Folge.

Bei der preußischen Regierung war Brockhaus schon seit dem Jahre 1810, wo er die „Memoiren Massenbach’s“ veröffentlicht hatte, nicht gut angeschrieben. Das „Literarische Wochenblatt“ aber hatte sich einen offenbaren Verstoß zu Schulden kommen lassen, indem es im Juni 1820 in der „Correspondance inédite de Napoléon Bonaparte“ einige wenig schmeichelhafte Bemerkungen über den König von Preußen und die Königin Luise mitgetheilt hatte. In Folge dessen war das Blatt durch den Minister Hardenberg verboten worden. Das „Literarische Wochenblatt“ war von Kotzebue begründet worden und erschien zuerst in Weimar; Müllner machte es in seinem Kriege mit Brockhaus zu einem Hauptorgane seiner Polemik; der gewandte Buchhändler suchte ihm diese Waffe zu entwinden, indem er das Blatt kaufte und in den eigenen Verlag übernahm, in welchem es bis auf den heutigen Tag geblieben ist. Zweimal (1820 und 1826) wechselte es in Folge der preußischen Censurscherereien seinen Titel; es sind die heutigen „Blätter für literarische Unterhaltung“, welche seit mehr als sechszig Jahren ihrem ursprünglichen Programme treugeblieben sind, dem Publicum, dem Salon wie dem häuslichen Herde ein Leitfaden zu sein für die Lectüre und ein Rathgeber mitten in einer überreichen Production, die ohne Sachverständige und Vertrauensmänner sich von dem Einzelnen gar nicht mehr sichten und beherrschen läßt.

Das Verbot des „Literarischen Wochenblattes“ wußte Brockhaus noch in demselben Jahre wieder rückgängig zu machen, indem er demselben einen veränderten Titel gab: „Literarisches Conversationsblatt“. Kaum aber hatte er durch Audienzen bei dem Staatskanzler und den Ministern die Freigebung des Blattes durchgesetzt, als ein anderer Sturm, der über den ganzen Brockhaus’schen Verlag hereinbrach, es wieder in Mitleidenschaft zog. Dieser Sturm war veranlaßt worden durch eine in’s Deutsche übersetzte Schrift des Abbé de Pradt über die damalige spanische Revolution, „welche“, wie der preußische Gesandte in Dresden meinte, „eigentlich gegen die ganze bestehende Ordnung gerichtet sei, ja den Meineid und die Empörungen der Armeen und Völker ohne Scheu predige.“

Die Schrift wurde in Preußen verboten, obschon sie mit Censur gedruckt worden war. Die preußische Regierung wandte sich an die sächsische mit Beschwerden über die Leipziger Büchercommission und über den „zur Verbreitung alles Revolutionären jederzeit fertigen“ Buchhändler Brockhaus. Die sächsischen Behörden erwogen den Fall unparteiisch und ließen sich auch durch das Sündenregister, welches der preußische Gesandte in Dresden von dem Brockhaus’schen Verlag, von einzelnen Artikeln des Conversationslexicons, von den „Zeitgenossen“ entwarf, nicht zu übereilten Schritten hinreißen; die Conferenzminister vertheidigten viele der angegriffenen Stellen; doch ein kleiner, anscheinend höchst unbedeutender Zwischenfall verbitterte die Stimmung in Berlin gegen Brockhaus im höchsten Grade: es waren in seinem Verlag zwei lobpreisende Biographien des Königs Friedrich Wilhelm des Dritten und des Staatskanzlers Fürsten Hardenberg veröffentlicht worden; die erstere wurde als soeben erschienen von Berliner Buchhandlungen im Inseratentheil der dortigen Zeitungen angekündigt. Der König war, wie Raumer an Brockhaus schrieb, ungehalten darüber, daß er und sein Leben ausgeboten wurde wie Häring und Neunaugen und mitten unter solchen Objecten. Der Minister Schuckmann, der seine Stellung gegenüber derjenigen Hardenberg’s zu befestigen suchte, benutzte den Unwillen des Königs, um eine entscheidende Maßregel gegen den ganzen Brockhaus’schen Verlag durchzusetzen, und in der That wurde die Recensur desselben in Preußen verordnet, auch betreffs aller künftig erscheinenden Schriften, das heißt: sie durften in Preußen nicht verbreitet und verkauft werden, bis die preußische Censur die Erlaubniß dazu ertheilt hatte.

Es genügte also nicht, daß ein Werk die Censur eines Bundesstaates passirt hatte; es mußte sich eine zweite Censur in Preußen gefallen lassen, sowie ja auch die Druckerlaubniß in einem Staate nicht vor dem Verbot in einem andern schützte. Diese politische Zwickmühle war ganz darnach angethan, daß dem deutschen Buchhandel ein Stein nach dem andern geschlagen wurde. Unermüdlich war Brockhaus bestrebt, diese Maßregeln rückgängig zu machen oder ihnen wenigstens die Spitze abzubrechen; er hatte mehrfach Audienzen bei Herrn von Schuckmann in Berlin, sandte dem Staatskanzler eingehende Memoiren ein und wandte sich wiederholt direct an den König; es gelang ihm auch, vorübergehende Erleichterungen durchzusetzen; namentlich schlief längere Zeit die Recensur des „Conversationsblattes“, für welches der Postdebit wieder gestattet worden war, gänzlich ein, ja einmal wurde sogar die Maßregel dem ganzen Verlag gegenüber suspendirt. Doch irgend ein neues corpus delicti, das der Brockhaus’sche Verlag in’s Leben gerufen, wie das satirische „Taschenbuch ohne Titel“, wirbelte wieder so vielen Staub auf, daß die Recensur, obschon sie jährlich zweitausend Thaler kostete, wieder auf der Bildfläche erschien. Brockhaus führte diesen Kampf tapfer und unerschrocken durch.

„Was mein ‚Literarisches Conversationsblatt‘ betrifft,“ schrieb er an Raumer, „so habe ich Einsicht und Urtheil genug, um zu erkennen – und ich sage es frei heraus, ohne zu glauben, deshalb unbescheiden zu sein – daß es in seiner Art das erste Blatt nicht blos in Deutschland, sondern in Europa ist und daß jede Regierung, die das Blatt verbietet, sich beschimpfen muß.“ Er verhandelte wie eine kriegführende Macht mit der anderen und ging soweit, den Ministern selbst abgearbeitete Vorschläge zu unterbreiten, wie die Ausnahmegesetze am besten gehandhabt werden könnten. Keine günstige Chance in diesem Kampfe ließ er sich entgehen. Als in der „Allgemeinen Zeitung“ heftige Artikel gegen ihn erschienen, spürte er dem Verfasser derselben nach, und als er entdeckte, daß sie von einem Doctor Klindworth herrührten, einer problematischen Existenz, in welcher manche Söldlinge des Reptilienfonds vorspukten, ruhte er nicht eher, bis er den Staatskanzler von der Verworfenheit dieses Scribenten überzeugt hatte, der sich jetzt als Held der Legitimität aufspiele, während er früher dem Brockhaus’schen Verlag selbst eine auf demagogischen Grundsätzen beruhende Constitution für Preußen zur Verbreitung durch den Druck angeboten habe. In der That kam es hierüber zu scharfen Differenzen zwischen dem Staatskanzler, der damals allerdings schon altersschwach war, und dem Polizeiminister von Schuckmann, der aber zuletzt doch wieder über den Grafen Hardenberg triumphirte und die Wiedereinführung der Recensur durchsetzte. Brockhaus selbst, der immer verbitterter wurde, unterwarf sich derselben nicht mehr und suchte sie durch Gründung einer Altenburger Filiale und dadurch, daß er viele Verlagsartikel in der Metzler’schen Buchhandlung in Stuttgart erscheinen ließ, zu umgehen. Die preußischen Behörden behandelten ihn jetzt wenig glimpflich; Schuckmann spricht von seinen „verächtlichen Drohungen“, „absichtlichen Unwahrheiten“, „den Phantomen seiner eingebildeten Wichtigkeit“, ja er selbst fügt eine Drohung hinzu, welche ein höchst charakteristisches Streiflicht auf die damaligen Verhältnisse wirft, daß nämlich die Producte der Brockhaus’schen Handlung in Preußen ohne Ausnahme verboten, dagegen „der Nachdruck derselben unter diesseitiger Censur verstattet und dies öffentlich bekannt gemacht werde, damit achtbare Verfasser, denen an dem Umlauf ihrer Werke im diesseitigen Staate gelegen ist, in der Wahl ihres Verlegers sich hiernach richten.“ Der vom Fürsten [248] Hardenberg für ehrlos erklärte und in Preußen gesetzlich verbotene Nachdruck ward hier von einem preußischen Minister selbst als Schreckgespenst heraufbeschworen, und mit dieser Verhöhnung des Gesetzes war es vollkommen ernst gemeint.

Friedrich Arnold Brockhaus selbst erlebte den Frieden mit der Regierung nicht; erst nach seinem Tode, im December 1823, nach dreijähriger Dauer, wurde die Recensur in Preußen aufgehoben; nur das „Conversationsblatt“ mußte sie bis zum Mai 1825 über sich ergehen lassen, wurde dann gegen Ende jenes Jahres abermals verboten und erst unter dem veränderten Titel: „Blätter für literarische Unterhaltung“ zugelassen.

In Oesterreich machte der tapfere Verleger nicht minder bittere Erfahrungen: es war ja die Zeit der Karlsbader Beschlüsse; Metternich saß am Staatsruder, und Gentz führte die diplomatische Feder und übte das kritische Censoramt über die verwerfliche Literatur. Mehrere Bände des Conversationslexicons, eine große Zahl von Verlagswerken, darunter auch ein Jahrgang des Taschenbuches „Urania“, wurden hier verboten. Auch hier nahm sich Brockhaus seiner buchhändlerischen Producte auf’s Eifrigste an, ohne je pater peccavi zu sagen oder in einen kriechenden Ton zu verfallen. So erklärt er dem Polizeiminister Grafen Sedlnitzky, daß er der entschiedenste Feind jeder Willkür und alles Despotismus sei, und leugnet nicht, in einzelnen Momenten tief von der politischen Lage Deutschlands ergriffen gewesen zu sein und in diesen Momenten mehr gethan zu haben, als sich vielleicht dem Buchstaben nach rechtfertigen ließ oder läßt. „Sowie ich bis zum Jahre 1813 und wieder 1815 der glühendste Feind der Napoleonischen Herrschaft war, so ergriff mich 1819 die preußische Denunciation Deutschlands in Beziehung auf die angeblichen demagogischen Umtriebe, an die ich so wenig damals glaubte, wie ich ihnen noch jetzt im Sinne der preußischen Denunciation Glauben schenken kann; mich ergriff die Reaction, die ich in den Karlsbader Beschlüssen wahrzunehmen glaubte, und die mir die Ehre des deutschen Volkes und der deutschen Regierungen anzugreifen schien.“

Uebrigens war die österreichische Censur insofern nicht so intolerant, wie die preußische, als sie einzelnen Schriften nicht das Recht entzog, im Buchhandel verkauft, sondern nur die Erlaubniß, in den Zeitungen angezeigt zu werden, und einigen Kategorien von Persönlichkeiten, Gelehrten und Staatsmännern, gegen Reverse von der Polizeihofstelle den Ankauf solcher Bücher gestattete, in denen die Anstößigkeiten das Gute und Gemeinnützige überwogen.

Auch die Ungleichheit der deutschen Rechtsverhältnisse mußte der Leipziger Verleger schmerzlich empfinden in den Injurienprocessen, die er gegen den Advocaten Müllner in Weißenfels und dieser gegen ihn führte. Nach sächsischem Recht mußte der Verurtheilte eine gerichtliche Abbitte leisten, und auch Brockhaus mußte sich dieser Demüthigung unterziehen, während dies nach preußischem Rechte der unterliegenden Partei erspart blieb. Der literarische Großkophta von Weißenfels war mit allen diesen Kniffen hinlänglich vertraut, um jeden Vortheil wahrzunehmen, den ihm die zersplitterte deutsche Justizorganisation gewährte. Wie hoch der fehdelustige Rabulist auf seinem Kampfroß saß und welchen kräftigen Stil man damals in literarischer Polemik schrieb, möge man in der Brockhaus-Biographie selbst nachlesen! Wie sehr aber der Dichter der „Schuld“ damals zu den Modeschriftstellern gehörte und wie unglaublich sich die buchhändlerischen Honorare für dramatische Werke und der Absatz derselben seitdem verschlechtert haben, geht aus der Notiz hervor, daß Müllner’s „König Yngurd“ in Auflagen von je 4000 Exemplaren gedruckt wurde und er für jede Auflage 1200 Thaler Honorar erhielt, ja für die in 10,000 Exemplaren gedruckte „Albaneserin“ ein Honorar von 3000 Thalern. Und wer liest und kennt diese Stücke jetzt? Mögen die Lieblinge der Mode von diesen Thatsachen Notiz nehmen und des alten Spruchs eingedenk sein: „Sic transit gloria mundi – so geht der Ruhm der Welt vorüber.“