Zur Geschichte des Aberglaubens (Die Gartenlaube 1861/1)

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Titel: Zur Geschichte des Aberglaubens
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aus: Die Gartenlaube, Heft 1, S. 15–16
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1861
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[15] Zur Geschichte des Aberglaubens. Es wird den meisten Lesern noch erinnerlich sein, wie der Königin von Preußen vor zwei Jahren auf einer Reise ihr Portefeuille verloren ging, und daß es selbst Stieber sammt der ganzen thätigen Polizei, die doch einen so langen Arm hatte, nicht gelang, den Verbleib desselben auszukundschaften; es wurde deshalb dem Finder eine Belohnung von 300 Thalern zugesichert.

Da plötzlich schien es, als wenn die Aufklärung von einem Lehrer eines märkischen Dorfes, das ich jedoch hier nicht nennen mag, ausgehen sollte. Der Nachbar dieses Lehrers hatte eine alte ererbte Bibel, welche, auf einem Schlüssel tanzend, schon manches Geheimniß enträthselt und manchen Sünder entlarvt hatte. Konnte diese Bibel hier nicht auch den Dieb nennen und dadurch alle schlauen Polizisten beschämen? Der Lehrer bringt Bibel und Schlüssel in gehörige Stellung und fängt dann sein Examen mit derselben an. Es waren besonders drei Fragen zu beantworten:

1. Wo ist der Diebstahl geschehen?
2. Was war der Dieb?
3. Wie hieß derselbe?

Damit die Bibel die erste Frage beantworten könne, wurden ihr verschiedene Ortsnamen genannt; sie rührte sich nicht! Endlich wird der Name Leipzig genannt, und siehe da, die Bibel bewegte sich! Natürlich nicht durch Zufall, sondern vermöge der durch das Vererben in ihr wohnenden Zauberkraft.

Die erste Frage war somit gelöst! Nun die zweite: Was war der Dieb? War er ein Schuhmacher, Schneider, Tischler, Diener etc.? Die Bibel rührt sich nicht! Endlich bei der Frage: War der Dieb ein Droschkenkutscher? zittert sie leise und bekundet damit ganz sicher, daß ein Leipziger Droschkenkutscher die Kühnheit hatte, sich an königlich Preußischem Eigenthum zu vergreifen. Nun aber die dritte und unbedingt schwierigste Frage: Wie hieß der Dieb?

Die Zahl der Eigennamen ist groß, noch dazu, wenn wir Gemeinnamen, wie Schulze (mit z und tz) und Müller mit dazu rechnen wollen; auch konnte ja der Zauberer in der Bibel mit dem Leipziger Droschkenpersonal nicht genau bekannt sein, oder doch mit dem Namen so verschwiegen sein, wie Frithjof gegen König Ring:

Gar viel fragst Du, o König, doch Antwort geb’ ich Dir,
Jedoch nicht meinen Namen, denn der gehört nur mir!

Aber mochten die Fragen so künstlich gestellt sein, oder mochte die Bibel das viele Fragen satt haben, genug, sie ertheilte auch noch die letzte Antwort. Bei dem Namen „Vogel“ bewegt sie sich ganz deutlich und hat nun unzweifelhaft ausgesprochen: „Der Dieb ist der Leipziger Droschkenkutscher Vogel.“

Ich bin nun mit dem Leipziger Droschkenwesen nicht so bekannt, daß ich sagen könnte, ob dort ein Fuhrmann solches Namens ist; aber der Entdecker des Diebstahls mußte doch wohl die Kraft und Wissenschaft seines Zauberers kennen und seiner Sache gewiß sein, denn er hatte nichts Eiligeres zu thun, als der Berliner Polizei das Resultat seiner mühsamen Forschung mitzutheilen. Wahrscheinlich verlangt der Zauberer für geleistete Dienste ein dankbares Herz, denn der Lehrer begehrte für seine Enthüllung nur 100 Thaler, die übrigen 200 Thaler sollten den Berliner Armen zugewiesen werden.

[16] Es sollen nun wirklich auf Grund der erhaltenen Mittheilung von der Berliner Polizei Nachforschungen angestellt sein, doch mögen dieselben nicht befriedigend ausgefallen sein. Der Lehrer erhielt statt der gehofften Belohnung einen derben Verweis, der zwar auch als Belohnung angesehen werden kann, aber doch eigentlich im Vergleich zu der gehabten Mühe zu gering war.