Zur Geschichte der geheimen Gesellschaften
Zur Geschichte der geheimen Gesellschaften.
Der Hang des Menschen zum Geheimnißvollen, zum Räthselhaften und Unerklärlichen ist so alt wie die Welt, liegt er doch tief in unserer Natur begründet. In den Cultusformen aller Völker und aller Zeiten sehen wir darum auch dem Mystischen eine Hauptrolle zugewiesen, ja die Macht der meisten Religionen beruht wesentlich auf dem Mystischen, mit dem man die Geschichte ihres Ursprungs und ihre Lehren und Gebräuche zu umhüllen pflegt. Merkwürdiger Weise aber ist diese uns angeborene Neigung zum Geheimnißvollen und Uebernatürlichen kaum jemals stärker hervorgetreten, als in einer Periode, deren specifisches Gepräge der große Kampf des Fortschrittes wider träges oder selbstsüchtiges Beharren, das Ringen nach Aufklärung, nach der Erlösung aus den Banden geistiger Unfreiheit, aus Aber- und Wahnglauben bildet, in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts. Neben dem Hoch und Niedrig erfüllenden Drange, überall Licht zu schaffen, wo bisher Dunkel und Finsterniß waren, ging als Charakterzug durch die damalige Welt die jener lichtfreundlichen diametral entgegengesetzte Tendenz nach Geheimbünden und mystisch ausgeschmückten Ordensgesellschaften, nach eidlich gebundenen Verbrüderungen mit seltsam verschnörkelten Gelöbnissen und Feierlichkeiten. Diese Tendenz aber entsprang theils aus der noch immer nicht überwundenen alchymistisch-theosophischen Richtung, theils stand sie im engsten Zusammenhange mit der die Zeit beherrschenden Gefühls- und Rührseligkeit, die selbst auf die klarsten Köpfe nicht ohne Einfluß blieb. Und dazu kam als vielleicht wichtigster Factor noch ein Drittes: es war die Epoche jener aufgeklärten Despoten, an deren Spitze wir Friedrich den Großen erblicken, jener von der Strömung der Zeit ergriffenen Monarchen, die wohl viel für, nichts aber durch das Volk in’s Werk zu richten geneigt waren. So ist das Spiel mit Geheimbünden und Ordensförmlichkeiten das gemeinsame Product ganz widerstrebender Tendenzen, ein Kind der aufklärenden Forschung und der mystischen Schwärmerei, der Humanität und des Absolutismus, alle diese verschiedenartigen Richtungen aber mischen und durchdringen sich in den geheimen Gesellschaften dergestalt, daß man in der Regel nicht zu entscheiden vermag, welche derselben die eigentlich kennzeichnende und maßgebende ist.
Die Anzahl der im achtzehnten Jahrhunderte bestehenden geheimen Gesellschaften ist zweifelsohne eine sehr beträchtliche, läßt sich jedoch schwerlich genau feststellen, da manche dem größeren Publicum nur ganz oberflächlich, mehrere wohl gar nicht bekannt geworden sind und somit ihren Namen bis zur heutigen Stunde mit vollem Rechte führen. Viele dieser Orden waren nichts als leere Modetändelei, willkommene Abwechselung bringende Zerstreuung für eine müßige und blasirte Welt; anderen lagen in der That bestimmte Absichten und Ziele zu Grunde, religiöser oder humanitärer, politischer oder socialer Natur; noch andere waren ein reiner Humbug, der die Zeitströmung, die Neugier und Leichtgläubigkeit der Menschen zum Vortheile einzelner Persönlichkeiten auszubeuten suchte, ohne irgend sonst welchen erlaubten oder unerlaubten Zwecken zu dienen. Die kurze Schilderung eines der allerwundersamsten Orden der letzterwähnten Kategorie, von dem der größere Theil unserer Leser wohl noch niemals vernommen, möge einen kleinen Cyclus von Aufsätzen einleiten, in denen nach und nach von einer Reihe der eigenthümlichsten geheimen Gesellschaften nicht blos des letzten Jahrhunderts, sondern auch früherer Zeiten berichtet werden soll.
Einem von Friedrich’s des Großen Obersten, der ein zu Wesel stehendes Infanterieregiment befehligte, einem erlauchten Herrn, dem Reichsgrafen Franz Karl Ludwig von Wied-Neuwied, mochte es zu Herzen gehen, daß er bisher nichts für die Unsterblichkeit gethan hatte; denn von seinen kriegerischen Lorbeeren meldet die Geschichte nichts, und so verfiel er auf den in jenen Tagen höchst zeitgemäßen und Erfolg verheißenden Gedanken, die Welt mit einem neuen geheimen Orden zu beglücken. Solches geschah im Octobermonat des Jahres 1746, noch mitten in den Stürmen des österreichischen Erbfolgekrieges, in welchem der junge preußische Aar das alte politische System Europas über den Haufen zu werfen begann.
Der Plan des neuen Ordens war der einfachste, der sich nur ersinnen läßt; bestand er doch in nichts Anderem, als in dem Bestreben, die größtmögliche Menge von Ducaten zusammenzubringen, weshalb die Vereinigung, der ihr Stifter den harmlosen Titel der „Löblichen 1746er Societät“ beigelegt, auch kurzweg die Ducatensocietät oder der Ducatenorden geheißen wurde. Als letzterer ist ihr Andenken auf die Nachwelt gekommen. Daß kein Schwindel und Unsinn in der Welt zu toll und zu plump ist, um Gläubige und Anhänger zu finden, sehen wir aus den Erfolgen, deren sich die abgeschmacktesten der sogenannten Wunder- und Geheimmittel noch fort und fort zu erfreuen haben, Unsinnigeres ist aber wohl kaum jemals auf das Tapet gebracht worden, als des hochmögenden Herrn von Wied-Neuwied Ducatensocietät. Sie bezeichnet unstreitig den Gipfelpunkt der zur Zeitkrankheit gewordenen Ordensbündelei und Geheimnißkrämerei. Fanden sich doch binnen Kurzem Hunderte sonst keineswegs unzurechnungsfähiger Menschen, die darauf „hineinfielen“, allmonatlich ihren Ducaten einzuschicken und ihrerseits neue Ducatenspender anzuwerben; denn, wie gesagt, das war der ganze Witz der Sache, und der Stifter des sonderbaren Bundes sprach dies auch, im directen Gegensatze zu anderen Gründern von dergleichen geheimen Gesellschaften, mit einer wahrhaft naiven Offenherzigkeit aus. Trotzdem aber nahm die Sucht, seine Ducaten los zu werden, bald dermaßen überhand, daß landesherrliche Erlasse dagegen einschreiten und der frechen Gaunerei – das war ja des Pudels Kern – ein Ziel stecken mußten.
Ueber sein Wesen, seine Organisation und seine Absichten hat der Orden selbst für seine Mitglieder eine eigene Schrift veröffentlicht, die uns ein Zufall in die Hände gespielt hat. Nach diesem jetzt äußerst selten gewordenen Documente, dessen vollständiger Titel lautet: „Kurtze und zuverlässige Nachrichten von dem Ursprung, itzigen Beschaffenheit und Endzweck der in Anno 1746 errichteten Societät. Herausgegeben durch G. Matth. von Gudenus, Hochgräfl. Wied-Runkelischen Hofrath, der Löbl. Societät Senior und Correspondenten. Neuwied, gedr. bei Joh. Balth. Haupt, Hochgräfl. Wiedischen Hof- wie auch der Löbl. Societät Buchdrucker. 1747,“ haben wir uns Gestalt und Wirksamkeit der reichsgräflichen „1746er Societät“ folgendermaßen zu denken.
Kaum hatte der vornehme Stifter seine sinnreiche Idee ausgebrütet, so gewann er auch schon Jünger derselben. Die ersten Mitglieder, Edelleute, höhere Officiere und Staatsdiener, empfing die Gesellschaft schon im Monate ihres Entstehens. Jedem der Neuaufgenommenen wurde eine in schwülstigem und mystischem Kauderwelsch abgefaßte Bescheinigung ertheilt: „daß sein Name in den Societäts-Gegenbüchern richtig eingetragen worden sei und daß er fortan der Societätsprivilegien zu genießen habe.“ Wogegen er eine schriftliche Erklärung abgeben mußte, nach welcher er sich zur Zahlung eines Ducatens pro Monat verpflichtete, auch anheischig machte, die Ducaten der von ihm für die Gesellschaft gewonnenen Personen beizutreiben und dem Cassirer des Vereins allmonatlich einzuhändigen. Das Ordenszeichen war ein in Silber gefaßter Kremnitzer Ducaten, den die „simplen“ Mitglieder an einem himmelblauen Bande im Knopfloche, die „Officiere“ der Societät am Halse, die „unbekannten Oberen“ in Gestalt eines von Strahlen umgebenen Sternes auf der linken Brustseite zu tragen hatten, wenn sie in den von Zeit zu Zeit auszuschreibenden Versammlungen der Gesellschaft erschienen.
Allerdings bemüht sich das Actenstück oder vielmehr der Stifter des „Hochlöblichen“ Ordens, dem Kinde ein anständiges Mäntelchen umzuhängen, das heißt in pomphaften Worten die Motive anzuführen, die männiglich, Vornehm und Gering, zum Eintritte in eine so ersprießliche Gesellschaft bestimmen müssen. Zunächst werden die allgemeinen Beweggründe gar weit herbeigeholt. „Der Mensch ist zur Geselligkeit geboren,“ so lautet der sicher nicht anzufechtende Ausspruch des ersten Paragraphen des Statuts. „In Folge dieses seines Berufes“ – fährt Paragraph 2 fort – „heißt das erste und Grundgesetz des Naturrechts: ‚Socialiter vive!‘“ (Lebe gesellig!), ein Satz, der nun höchst umständlich durch eine Menge von Beispielen aus der Urgeschichte der Menschheit bis auf die jüngsten Zeiten herab zu beweisen [708] versucht wird. „Die ersten Bewohner des Erdballs bereits und zwar die bösen sowohl wie die guten“ – lesen wir in Paragraph 5 – „fanden es besser, sich in zahlreiche Gesellschaften zusammenzuthun, als einzeln zu leben, und die Nachkömmlinge sind dem Exempel ihrer Vorfahren gefolgt.“ Um aber das Verdienstvolle und Würdige des neuen Ordens, seine erhabenen und lauteren Tendenzen gehörig an’s Licht zu stellen, wirft sich Paragraph 8 zum strengen Sittenrichter und Tugendhelden auf, indem er über den „Mißbrauch“ klagt, „so in den jetzigen Zeiten eingerissen sei, durch ein läppisches Spielwerk, durch nichtswürdige Gaukelpossen und ein ausdecorirtes Nichts neugierige und leichtgläubige Gemüther unter der Larve eines Ordens zu betrügen,“ während der menschenfreundliche Urheber der Ducatensocietät, wie Paragraph 16 besagt, „eine Stiftung ausgedacht habe, die nicht allein dem gemeinen Wesen überhaupt, sondern auch gewissen einzelnen Personen zu wesentlichem Nutzen gereichen könnte.“
Diese philosophischen Betrachtungen hätten indeß begreiflicher Weise nicht den Speck geliefert, dessen man zu dem reichlichen Mäusefange bedurfte, den man erstrebte. Da mußten noch andere näherliegende und praktischere Motive zu Hülfe genommen werden, um den verlockenden Köder in ausgiebigem Umfange auswerfen zu können, und schlau genug wußte der erlauchte Graf des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation und königlich preußischer Oberst dasjenige auszuwählen, welches in alten und neuen Tagen unter den packendsten und bestimmendsten obenan gestanden hat und bis in die fernste Zukunft wahrscheinlich auch stehen wird – er speculirte auf die menschliche Habgier. „Da derjenige allmonatlich gern einen Ducaten zur Societätscasse zahlen wird, der billig hoffen kann, nicht nur dieser Zahlung bald entledigt zu werden, sondern im Gegentheile monatlich viele Ducaten ohne jedwede persönliche Obliegenheit zu empfangen: so wird er selbst für den Ersten, so er für die Societät engagirt hat, von der Zahlung befreit,“ heißt es in der gedachten Urkunde weiter. „Der Zweite, den er engagirt, zahlet gleichfalls zur Societätscasse, für den Dritten aber empfängt er monatlich einen Ducaten für sich; der Vierte zahlet ebenmäßig zur Casse, hingegen empfängt er wiederum für den Fünften einen Ducaten monatlich für sich. Dergleichen auch für den Siebenten, Neunten, Elften, Dreizehnten und sofort für jede ungerade Zahl monatlich seinen Ducaten. Wer also die Gelegenheit hat, ein halb Hundert Mitglieder zu dieser Societät zu engagiren, der macht sich monatlich eine Revenüe von vierundzwanzig Ducaten.“
Vortrefflich auscalculirt, und wie billig verfährt der Orden bei solcher Theilung! Selbstverständlich behält er freilich immer den ersten Theil für sich und streicht seine Ducaten ein, auch wenn es seinen Mitgliedern mit dem Apostelthum für die Societät nicht in’s Größere glücken will und manches derselben wohl nicht eine schöne Seele findet, welcher der Ueberfluß an Ducaten Kopfschmerzen verursacht. Die Ducatenspedition war mithin die Hauptsache des Bundes. Wer keine Lust verspürte, mehr als einen von seinen Ducaten zu opfern, der brauchte ja nur einen seiner Freunde für die Gesellschaft zu gewinnen, was jedenfalls keine absonderliche Mühe kostete, und dieser setzte dann das vorzügliche Goldwanderungsgeschäftchen fort, und so mit Grazie in infinitum. Zu welchem Zwecke diese ganze Ducatenjagd im Grunde in Scene gesetzt worden war, davon mögen nur Wenige sich Rechenschaft gegeben haben. Sah man sich doch als Mitglied eines geheimen Ordens am Ziele vielleicht lange sehnsüchtigst genährter Wünsche; denn „geheim“ war die Gesellschaft, mußte doch Jeder geloben, nur denen die Statuten derselben zu offenbaren, die bereits versichert hatten, dem Orden beitreten zu wollen. Auch drohte dem Verräther „schauerliche“ Strafe, eine geheime Vehme mit allen möglichen grausigen Schrecken und Bußen, Haft in finsteren Verließen und nervenerschütternde Ceremonien. Gerade dieser – auf dem Papiere stehende – Schauerapparat, die erregte Neugier und das so angenehme Gruseln thaten, wie bei anderen ähnlichen Vereinen auch, das Ihrige, zur Mitgliedschaft des Bundes anzureizen.
„Kaum“ – so steht ferner in der Ordensschrift zu lesen, der wir in unserer Darstellung folgen – „kaum hatten die Ordensstatuten (die in drei Sprachen, der deutschen, der französischen und der holländischen, gedruckt sind) durch die Mitglieder eine gewisse Verbreitung zu finden begonnen, als sich gleich Viele meldeten, so Lust bezeigten, in die Löbliche Societät zu treten; welches um so mehr zu bewundern ist, je weniger anfänglich weder von dem Aufenthalte noch auch von den Stiftern und der eigentlichen Beschaffenheit dieser neuen Societät icht was zu erfahren war, inmassen man der Neugierigkeit des Publici hierinnenfalls mit Fleiß nicht ehender ein Genügen leisten wollen.“ Dieser „Bewunderung“ des Wied-Runkelischen Hofrathes und Ordensseniors möchten wir unsererseits uns indessen nicht anschließen; wir sind vielmehr davon überzeugt, daß der größte Reiz, den der Orden auf die Gemüther der Menschen ausübte, im Gegentheile darin bestand, daß man so wenig oder nichts von der Beschaffenheit und den Zwecken der Gesellschaft wußte; die Lockung des Geheimnißvollen ist ja schier unwiderstehlich. Das hatte der erlauchte Stifter gar wohl bedacht. Ein anderer seiner Kunstgriffe war der, daß die Aufnahme-Certificate durch die Unterschrift eines hochgräflichen Buchhalters ein besonderes Relief erhielten, das von der Societät selbst eine hohe Meinung einflößte. Ein Orden, hinter dem man Personen sehr vornehmen Standes vermuthete, durfte von vornherein darauf zählen, daß sich das Publicum nach dem Glücke drängte, in seine Reihen aufgenommen zu werden, selbst dann noch, wenn der Bund schon als der abgeschmackteste Humbug enthüllt war. Der Ducatenorden unterschied sich von der Mehrzahl der geheimen Gesellschaften, die sich entweder blos aus männlichen oder nur aus weiblichen Mitgliedern zusammensetzten, dadurch, daß er beide Geschlechter aufnahm. Auch die religiösen Anschauungen des Vereins ruhten auf breitesten Grundlagen, wie das die Eingangs der Schrift ausgesprochene Naturrechtsphilosophie nicht anders erwarten läßt. „Religionsvorurtheile können unmöglich bei einer Einrichtung einen verhaßten Einfluß haben, welche sich auf die richtigen Sätze der Tugend und Geselligkeit gründet und die wahre Menschenliebe zu ihrem Wegweiser hat,“ heißt es sehr schön und hochsinnig auf Seite 21 unserer merkwürdigen Urkunde. Und schon das erste Mitgliederverzeichniß hat einen Israeliten aufzuführen, der bereits sechs Wochen nach der Stiftung der Societät um Aufnahme in einen Bund ersuchte, dessen Name einen so verführerischen Klang hatte.
Ehe noch das Jahr 1746 abgelaufen, besaß der Orden schon neunundvierzig Ritter und Ritterinnen, zu Ende Juli 1747 aber bezifferten sich seine Mitglieder auf die erkleckliche Menge von vierhundertundsechszehn. Der Orden war nun vollkommen constituirt. Er hatte seinen jetzt öffentlich bekannten Stifter und Director, einen Protector (den regierenden Monarchen von Neuwied), sieben Senioren, einen Schatzmeister, einen Secretär und einen Archivar. Die ersten Mitglieder waren, wie erwähnt, in Wesel stationirte Officiere und Beamte, auch mehrere Bewohner von Neuwied, unter ihnen das gesammte hochgräfliche Haus. Auch Damen traten schon in den ersten Monaten der Gesellschaft bei, und bald kommen Gräfinnen und Edelfräulein, Pastorinnen und Bürgerfrauen, sich ihrer Ducaten zu entledigen. Selbst kleine Handwerker konnten die Lust nicht bezähmen, einem so vornehmen Orden anzugehören. Ueber Deutschland hinaus scheint sich die löbliche Societät jedoch nicht verbreitet zu haben, trotz ihrer dreisprachigen Statuten, innerhalb Deutschlands aber sind fast alle größeren Städte unter der Mitgliederzahl vertreten, vorzugsweise Dresden und Berlin. Von geschichtlichen Namen finden wir darunter nur den Gleim’s, der, nachdem er seine Stelle als Secretär des alten Dessauers niedergelegt, damals in der preußischen Hauptstadt privatisirte.
Die erste Versammlung des Ordens, oder doch seiner ältesten Mitglieder, ward im April 1747 zu Wesel abgehalten. Es hatte sich nämlich inzwischen die Kritik geregt und den Vorstand der Gesellschaft mit allerhand naseweisen Anfragen belästigt; sind ja die vortrefflichsten und weisesten Einrichtungen nicht vor dergleichen Vorwitz geschützt. Da galt es denn zu beruhigen und noch unliebsameren Forschungen vorzubauen, die am Ende das ganze hochpreisliche Institut in Frage stellten. Zugleich waren mancherlei andere Bedenken zu erledigen, um für kommende Eventualitäten Vorsehung zu treffen. Herr von Gudenius berichtet über die Versammlung und alle diese Punkte und Anliegen. Um der Menschheit aber gewissermaßen plastisch und handgreiflich vor Augen zu führen, welches Glück es sei, sich Ritter vom Ducatenorden nennen zu dürfen, fügt der Verfasser seiner Schrift eine bildliche Darstellung bei, die uns zeigt, „welchen [709] schönen Anblick es gewährt“, Vater von drei, Großvater von neun und Aeltervater von siebenundzwanzig „Societätsrekruten“ zu sein.
Dennoch – traurig, aber wahr! – gab es mehr als ein Mitglied der Gesellschaft, das „gar keinen Rekruten zu seiner eigenen Befreiung anzuwerben im Stande war“, und es erhob sich die andere Anfrage, ob sothanes von Mißgeschick verfolgtes Mitglied verbunden sei, bis an das Ende aller Dinge, das heißt Zeit seines Lebens, allmonatlich seinen Ducaten beizusteuern? Der hohe Orden fühlte ein menschliches Rühren; er entschied: „wer ein ganzes Jahr sich vergeblich bemühet, einen Rekruten auf seinen Namen zu engagiren, der soll nach Erlegung des zwölften und letzten Ducatens von allen Abgaben frei sein und nichtsdestoweniger aller Ehren und Vortheile der löblichen Societät genießen.“
Noch waren aber mancherlei fernere Bedenken zu entkräften. So wollte ein vorlautes Mitglied aus Frankfurt, vielleicht jener obengedachte Jude, ohne Umstände erfahren: Wie denn die einlaufenden Gelder zum Nutzen der Mitglieder eigentlich verwandt werden sollten? Allein auch zur Begegnung so frecher Neugier waren die hohen Oberen gerüstet. Sie hatten ein ganzes Register schöner und fördersamer Dinge und Unternehmungen in Bereitschaft, mit denen der Orden nicht säumen werde, die Welt zu segnen. So sollte eine große Lotterie in’s Leben gerufen werden mit höchst „considerablen“ Gewinnsten, doch wollte man die Capitalsumme selbst nicht den Gewinnern auszahlen, sondern nur zeitlebens pro Jahr mit fünf Procent verzinsen. Außerdem wurde „Unterstützung mit convenabler Tafel, Kleidung und Wohnung für solche Ordensmitglieder“ beabsichtigt, „welche in fatale Umstände verfallen sind, wofern die Noth dieses erfordert, als worüber der Aelteste der Societät (der erlauchte Reichsgraf von Wied-Neuwied) zu erkennen hat.“ Endlich trug man sich mit dem verdienstlichen Plane, „wohleingerichtete Freischulen zum Besten der Jugend beiderlei Geschlechtes und aller Religionen zu gründen.“
Was konnte man von dem Orden mehr noch verlangen? Schade nur, daß diesem zur Verwirklichung seiner menschenfreundlichen Projecte keine Zeit vergönnt war. Bereits gingen seine Tage zur Neige. Das Ducatensammeln und Ducatenverschicken war mittlerweile zu einer derartigen Ausdehnung gediehen, daß es den Staatsregierungen nicht verborgen bleiben konnte, die diese Steuer „zum Besten der hohen Oberen“ nicht länger gestatten wollten. Und so mußte die so sinnreich erdachte und wohlthätige Ducatengenossenschaft des Reichsgrafen Franz Karl Ludwig von Wied-Neuwied schon Anfangs des Jahres 1748 ihr junges Leben beschließen. Unter Anderem hatte das königlich preußische Hof- und Kammergericht zu Berlin am 8. December 1747 das nachstehende Rescript gegen die Gesellschaft erlassen:
„Nachdem Seine königliche Majestät in Preußen etc. etc. durch eine allergnädigste Cabinetsordre vom Ersten des Monats geordnet: daß die im Reiche entstandene sogenannte Ducatensocietät, durch welche und deren Einrichtung das Publicum unter dem Scheine eines zu hoffenden considerablen Profites sehr dupirt und hinter das Licht geführt worden, in deren Landen nachdrücklichst verboten werden solle, damit Niemand bei solcher sich einlassen, oder einigen Theil daran nehmen möge: Als wird hierdurch nicht nur das Publicum in Seiner Majestät Landen vor dieser gefährlichen Societät gewarnt, sondern auch männiglichen bei namhafter und arbitrairer Geldstrafe untersaget, an mehrerwähnter Societät den geringsten Theil, er sei direct oder indirect, zu nehmen, bei solcher etwas einzusetzen, oder selbige auf einige Weise zu favorisiren; allermaßen auch dem Officio Fisci aufgegeben worden, darauf genau zu vigiliren und bei vorkommenden Contraventionsfällen sein Amt zu beobachten.“
Daß einer seiner eigenen Officiere der geniale Erfinder des tollen Schwindels gewesen, hat Friedrich der Große offenbar nicht gewußt, sonst würde das Kammergericht schwerlich behaupten, daß die in der gutpreußischen Stadt und Festung Wesel geborne Gaunerei „im Reiche“ aufgekommen sei. Auch finden wir keine Spur davon, daß die Urheberschaft seiner Löblichen Ducatensocietät dem Grafen in seiner militärischen Laufbahn geschadet habe. Derselbe starb 1765 als königlich preußischer Generallieutenant, jedenfalls im unbehelligten Genusse der goldenen Früchte einer Speculation, die in der Gründer-Aera unserer Tage Figur gemacht haben würde.