Zum Register der aussterbenden Volksgebräuche

Textdaten
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Autor: Phil. Koehler-Lugge
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Titel: Zum Register der aussterbenden Volksgebräuche
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 7, S. 120
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1880
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[120] Zum Register der aussterbenden Volksgebräuche. Bei dem Durchlesen eines früheren Jahrgangs der „Gartenlaube“ treffe ich auf die Veröffentlichung eines altdeutschen Liederbruchstückes, welches mit den Worten „Hermen slag lermen“ beginnt. Dieses Lied erinnert mich an etwas Aehnliches aus unserer Gegend.

Als ich zu den Kindern meines Heimathsdorfes Langsdorf in der Wetterau zählte, da war es noch – es ist kaum ein Jahrzehnt her – an der Tagesordnung, daß alljährlich vierzehn Tage vor und vierzehn Tage nach Ostern die gesammte Kinderschaar des Dorfes sich auf einer nahe beim Orte belegenen Wiese, die „Au“ genannt, versammelte, um unter Aufführung eines eigenthümlichen Reigens ein seltsames Lied anzustimmen. Schon die ältesten Leute hatten es so gesungen in ihrer Jugend und so den Reigen getanzt wie wir. Das Lied heißt:



So einfach, wie die Melodie, ist auch der nach derselben aufgeführte Tanz. Bei den letzten Worten läßt der Tänzer die Tänzerin stehen und engagirt eine andere.

Der Text des Liedes ist ein völlig räthselhafter.

Sollte in den zum Theil unverständlichen Worten nicht ein tieferer Sinn liegen? Sollte es nicht etwa ein spärlicher Rest uralt-germanischer Poesie sein? fragen wir billig, die wir wissen, daß die „Au“, auf der, so weit die Ueberlieferung zurück reicht, die Tänze alljährlich zu Ostern aufgeführt wurden, früher mit vielen Hünengräbern oder „Ringköppeln“, wie's im Volksmunde heißt, bedeckt war, welche Herr Pfarrvicar Emil Ohly in früheren Jahren (um 1847) mit Erfolg öffnen ließ, und daß man ferner den gegenüberliegenden Hügel noch heutzutage das „Hainholz“ nennt. Und wäre dem so (was außer allem Zweifel steht! D. Red.), sollte sich dann nicht unter Deutschlands Sprachforschern einer finden, der das Lied zu deuten vermöchte?

Unterdessen möge die „Gartenlaube“ das Archiv sein, wo es dem deutschen Volke erhalten bleibt, denn jetzt ist das Lied verklungen. Die Prosa des neunzehnten Jahrhunderts griff auch hier mit rauher Hand ein: nachdem der Tanzplatz im Jahre 1869 von der Verwaltung der Oberhessischen Bahnen angekauft worden, ging allmählich im Laufe des letzten Jahrzehnts auch der Tanz ein, und das Lied verfiel der Vergessenheit. Es daraus zu retten, das war neben dem Wunsche, den wahren Sinn zu erfahren, der Zweck dieser Zeilen.

     Langsdorf in der Wetterau.
Phil. Koehler-Lugge.