Zudrang zum Rechtsstudium vor 100 Jahren
← Eine Wette im Jahre 1560 | Zudrang zum Rechtsstudium vor 100 Jahren (1894) von Erschienen in: Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896) |
Aus Julius Schnorrs Tagebüchern. Teil 1 → |
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Der Dresdner Advokat Friedr. Aug. Fritzsche ließ im Jahre 1789 bei Carl Christian Meinhold ein Buch erscheinen betitelt „Der Rechtsgelehrte als Mensch“, dessen § 1 mit folgenden Worten beginnt:
„Alles, was athmet, will jetzt studiren. Das Kind an der Hand der Mutter, der Junge in der Dorfschule, hinter dem Pflug, in der Werkstatt, sogar der Handwerksgesell noch, alle wollen studiren; nicht etwa Heilkunde, oder Mathematik, oder Kriegskunst, oder Gottesgelahrtheit, nein: die Rechte wollen sie einstimmig studiren. Mancher Knabe ist einige Jahre im Chor gewesen, ist nach und nach durch verschiedene Klassen gerückt, hat etwas Griechisch und Lateinisch, sammt Zubehör, begriffen: „und der kann doch unmöglich bloß deswegen, weil er arm ist, ein Handwerk lernen!“ Dies sagt und hört man sehr oft. „Gott! der Jüngling hat doch so schöne Kenntnisse!“ sagt ein Mitleidiger. Wo folgt denn, daß derjenige, der einige Vorkenntnisse von Sprachen und einigen andern Wissenschaften besitzt, studiren müsse? Ist denn dieser junge Mensch deswegen von Gott verlassen, wenn er nicht studiren kann? Besteht denn das Merkmal der Vorsorge Gottes bloß darinnen, daß er jedem Armen, der einige Fähigkeit hat, zum Studiren Gelegenheit geben muß? Bedarf denn der Staat nicht auch aufgeklärte Handwerker? Will man diesem Stand nur solche Männer überlassen, welche sich oft vom Thier durch nichts als durch den Körper unterscheiden? Sind denn Handwerke entehrende Beschäftigungen? Wie mancher Bürger erwirbt sich Ruhm und Achtung bei einem ganzen Bezirk, wenn er Geschicklichkeit zeigt?....“