Zu unserer Kunstbeilage und den Bildern
[196] Zu unserer Kunstbeilage und den Bildern S. 169 und 172. Unruhige Märztage sind es. Der Sturm braust und dunkle Wolken jagen am Himmelszelt; Schnee und Regen wechseln ab und bald strahlt die Sonne auf eine blendend weiße Winterlandschaft, bald spiegeln sich ihre Strahlen in Millionen von Wasserperlen der triefenden Wälder und verregneten Auen. Das ist die unbeständige wechselvolle Zeit, in welcher der Frühling auf den Schwingen des Westwindes herbeieilt und in hartem Kampfe den grimmen Winter verdrängt. Allmählich siegt er. Wer an solchen Tagen, wenn in dem stürmischen Ringen der Elemente eine Pause eingetreten ist, hinauswandert in die freie Natur, in den stillen schwarzen Wald, den umfängt der Zauber des ersten Frühlingserwachens.
Im Westen ist die Sonne gesunken und die Wolkenschichten über dem dunklen Hochwald glühen in den Purpurtönen der Abenddämmerung; in dem Jungwald sind die weißen Birkenstämme mit rosigem Hauch übergossen, tiefer im Dorngebüsch glänzen die schwellenden Knospen und von der hohen Krone der finstern Fichte schallen die letzten Strophen des Abendliedes, das eine Drossel zum Himmel emporsendet. Dann wird es still im Walde. Doch horch! „Flapp, flapp!“ rauscht es in den Lüften und „Bist, bist! Psit, psit“ schallt es von der Höhe nieder. Da schweben wie Schatten an dem matt erleuchteten Himmel zwei balzende Waldschnepfen, die auf einander „stechen“, während tief im Gebüsch das versteckte Weibchen mit zwitschernden und pfeifenden Tönen die beiden Gegner zu weiterem Liebesstreite anspornt. Heute richtet sich kein Jagdgewehr gegen die eifernden Nachtvögel; kein Hund verscheucht den langsam durch das Gebüsch streichenden Rehbock. Ungestört dauert das Liebeswerben zwischen Bäumen und Zweigen, bis der Ruf des Käuzchens den ersten Tag des Vorfrühlings beschließt.
Am andern Morgen ist der warme Lenzeshauch, der die Natur belebt hat, vielleicht wieder dem eisigen Nordwind gewichen, aber immer kürzer und immer schwächer werden die Vorstöße des Winters. Lauer und wärmer werden die Lüfte, heiterer und sonniger lacht der Himmel nieder, und in der Erde regen sich tausend Keime; frisches Grün sprießt empor, die ersten Blumen schmücken die Flur und Baum und Busch prangt in schneeigem oder rosigem Blütengewande. Wenn über eine solche Frühlingslandschaft von Kapellen und Kirchtürmen der Klang der Osterglocken dahinschwebt, dann gehen den Menschen die Herzen auf, dann feiern sie doppelt fröhlich das große Fest der Auferstehung.
Lenzeswehen und Osterstimmung werden trefflich durch unsere Bilder „Vorfrühling“ und „Osterläuten“ wiedergegeben. Ob auch zu ihnen das farbige Bild „In Erwartung“ paßt? Wir glauben es wohl. Ostern ist ja auch eine Reisezeit. Der Strom der Reisenden wendet sich aber in diesen Festtagen nicht dem Gebirge oder dem Seegestade zu. Ostern ist die Zeit, in welcher man Verwandte und Freunde aufsucht. Wie viele, die durch den Lebensberuf von ihrer Heimat getrennt worden sind, benutzen nicht die Feiertage, um ihre Lieben wieder aufzusuchen? Fragt nur die Eisenbahnbeamten, und sie werden euch sagen, wie gewaltig die Schar der Urlauber vom Heere und von der Bureaustube ist, die gerade zu Ostern das Dampfroß in Anspruch nimmt. An diesem Festtage drückt so manche Mutter ihren Sohn wieder an ihr Herz, und wer weiß es, ob das schmucke Bauernmädchen auf unserm Bilde nicht gerade am Ostermorgen auf die Straße blickt „in Erwartung“, daß ihr Schatz just an der Ecke auftauchen muß? So wird es gewiß kommen und dann wird sie ihm entgegeneilen und unter blühendem Baum werden sie sich in die Arme fallen, vergessen wird der Winter der langen Trennung sein und Frühling in ihren Herzen blühen!