Zu unseren Weihnachtsbildern (Die Gartenlaube 1898)
[834] Zu unseren Weihnachtsbildern. Dem schönsten aller Feste sind die Bilder gewidmet, die unser heutiges Halbheft schmücken. Sie spiegeln den Zauber wider, der so mannigfaltig Weihnachten durchdringt und um diese Zeit die Herzen der Menschen bewegt. Das große Ereignis der Geburt des Heilands, der Licht und Frieden der Welt brachte, hat seit jeher die Künstler zu allegorischen Darstellungen begeistert.
Dieser Art ist auch das stimmungsvolle Bild auf S. 808 und 809, in welchem F. Brütt uns mit einfachen, aber ergreifend wirkenden Mitteln die Weihe der „Heiligen Nacht“ vor Augen führt. In einem durch tiefe Schatten unbestimmt gehaltenen Raume kniet, in innigem Gebet versunken, die Mutter Maria neben dem Kindlein, von dem das strahlende Licht ausgeht; Engelsgestalten schweben herbei und drücken symbolisch das Staunen und die Freude der Unschuldigen und Reinen über das himmlische Wunder aus. – Vor die Christkrippe führt uns ferner die Kunstbeilage „Die Andächtigen“ von Walther Firle.
Sie ist die gelungene Wiedergabe einer Studie, welche der Maler zu seinem vielgerühmten Bilde „Die Heilige Nacht“ gemacht hat. Dasselbe wurde auf der Kunstausstellung in München mit der Goldenen Medaille ausgezeichnet und befindet sich gegenwärtig in dem Museum zu Bremen. Auf unserer Kunstbeilage sind die Andächtigen vor der Krippe versammelt, von der das Licht ausstrahlt. Meisterhaft ist die Charakteristik der einzelnen Köpfe. – Echte Weihnachtsstimmung weht uns aus dem Püttnerschen Bilde „Gang zur Christmette“ (S. 817) entgegen. Das Silberlicht des Mondes verklärt das romantische Gemäuer eines alten Burghofes; weicher Schnee deckt das Pflaster und schimmert auf Dächern und Simsen und durch die Burgpforte wandern die Stadtbewohner in die hellerleuchtete Kirche, um dem Gottesdienst beizuwohnen. – Weihnachtsfreuden im Hause stellen die übrigen Bilder dar. Zu dem schlummernden Mädel auf Mocks reizender Vignette „Der Weihnachtstraum“ (S. 835) steigen vom Himmel die lieben Engelein mit herrlichen Gaben und dem duftenden Tannenbaum hernieder. Auf dem Bildchen von G. Schöbel (S. 836) naht der Träume Erfüllung. „Der Weihnachtsmann ist da!“ schallt es fröhlich durch die Stube und das vierblättrige Kleeblatt belagert ungeduldig die Thür zu dem „Salon“, in welchem die geheimnisvollen Vorbereitungen getroffen werden. Durch Schlüsselloch und Ritzen suchen die Kleinen wenigstens einen flüchtigen Blick auf die Herrlichkeiten der Bescherung zu erhaschen. – Einsame Weihnachten, fernab vom elterlichen Hause verleben die beiden Mädchen auf dem farbigen Bilde von R. Beyschlag „Weihnachtsabend in der Dachstube“ (S. 812). Aus dem kleinen Städtchen sind sie hinausgezogen in die Fremde, um ihren Unterhalt sich zu erwerben. Die jungen Verwandten haben sich ein Weihnachtsbäumchen geschmückt und wollen zusammen den Heiligen Abend feiern. Da trifft zur rechten Zeit die Weihnachtskiste aus der Heimat ein, und der sie begleitende Brief wird nun mit freudestrahlenden Augen beim Glanz der Weihnachtskerzen vorgelesen. Verschwunden ist mit einem Schlage das traurig stimmende Heimweh; vereint mit Eltern und Geschwistern fühlen sich die beiden; denn über Berge und Steg findet die Liebe ihren Weg, und Zeit und Entfernung vermögen nicht ihre festen Bande zu lösen. *