Weihnachtsgeschenke in alter Zeit

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Autor: M. Hagenau
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Titel: Weihnachtsgeschenke in alter Zeit
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 26, S. 832, 834
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1898
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Weihnachtsgeschenke in alter Zeit.

Von M. Hagenau.

Wieder sind die Tage gekommen, da wunderbare Gestalten das Sinnen und Denken der kleinen, noch leichtgläubigen Kinder mächtig beschäftigen. An dunklen Winterabenden, vermummt in Pelze und Mäntel, aus denen nur der lange weiße Bart hervorschaut, mit Sack und Bündel bepackt und eine Rute in der Hand, schreiten sie auf verschneiten Wegen von Stadt zu Stadt und von Dorf zu Dorf: Ruprecht, Martin, Nikolaus heißen sie und sind Sendboten des Christkinds, bringen den artigen Kindern Aepfel und Nüsse, Kuchen und Spielzeug und drohen den unfolgsamen mit der Rute. Nur wenige Jahre pflegt die Täuschung zu gelingen; die klüger gewordenen Kleinen merken bald die Vermummung; hinter der Maske des Knechtes Ruprecht wird ein Onkel und unter dem Mantel des Nikolaus eine Tante richtig vermutet. Und mit der Erkenntnis schwindet aus dem Leben ein Stück naiver Märchenpoesie. Wir können diesen Verlust freilich leicht verschmerzen, denn die heutige deutsche Weihnachtsfeier mit der Bescherung unter dem lichterstrahlenden Christbaum übt einen tieferen mächtigeren Zauber, der die Herzen noch mehr ergreift. Trotzdem sollten wir die Vermummung des alten Ruprechts nicht ohne weiteres in die Rumpelkammer werfen; bei allen Freuden des heutigen Weihnachtsfestes sollten wir nicht vergessen, daß Ruprecht und seine Genossen die ersten Vorläufer der Weihnachtsbescherung waren.

In uralte Zeiten wollen wir uns zurückdenken, da in Deutschlands Gauen das Licht des Christentums noch nicht erstrahlte. Damals wohnten unsere Vorfahren nicht in festen Burgen und gemauerten Städten. Sie hausten zerstreut im Lande und waren weniger Ackerbauer als vielmehr Viehzüchter. Herden von Pferden, Rindern und Schweinen bildeten ihren Hauptreichtum, und durch diese Beschäftigung waren ihre Feste beeinflußt. Mit Freuden begrüßten sie den Frühling, mit dem die Zeit der Weiden und der Ackerbestellung begann, und zu freudigen Festen gab ihnen auch der Wintersanfang Anlaß, da die Ernte eingeheimst war und das wohlgenährte Vieh von den Weiden heimgetrieben wurde. Zu Anfang November veranstaltete man große Schmäuse, schwelgte in Roßfleisch, Schweinen und Gänsebraten, vergaß aber in den frohen Tagen auch der Götter nicht, die den Menschen Gutes erwiesen hatten. Zu ihren Ehren wurden Umzüge veranstaltet, und bei diesen Festen erschienen auch die Urbilder von Martin, Klaus und Ruprecht. Ein weiser Hirte oder ein Priester nahte dem Herdenbesitzer, gab ihm eine Birkenrute oder einen Zweig grünen Wacholders und beschenkte die Kinder mit Aepfeln und Nüssen. Aus dem Walde stammten diese Gaben, und wer da weiß, welche Bedeutung der Wald und seine Bäume in dem Glauben der germanischen Völker hatten, wird leicht den Sinn der Spenden erraten.

In den Waldbäumen lebten Geister aller Art, Holde und Unholde, und die Holden brachte man ins Haus oder in das Dorf, damit sie den Menschen Schutz gewährten. Die Birke, die am frühesten grünte, war ursprünglich den indogermanischen Völkern vor allem als der Sitz guter Geister heilig, und Birken oder Maien holte man mit Vorliebe aus dem Walde; noch heute ist die Sitte in der Aufstellung des Maibaumes in vielen Gegenden erhalten und noch heute werden neu errichtete Gebäude nach altem Brauch mit einem Birkenbäumchen gekrönt. Neben der Birke galten auch die immergrünen Bäume als zauberkräftig und wurden für Winterfeste lieber als die um jene Zeit blätterlosen Birkenreiser verwendet. So waren die Gaben, die der Priester oder geisterkundige Mann bei dem großen Feste zu Winteranfang den Leuten überreichte, Geschenke guter Geister, und Wacholderzweige und Birkenruten sollten während der rauhen Jahreszeit Menschen und Vieh, Haus und Hof vor Ungemach beschützen.

Den alten heidnischen Brauch vermochte das Christentum nicht zu verdrängen, die Kirche mußte ihn dulden, aber aus der heidnischen Gestalt machte sie einen Heiligen, so daß er fortan St. Martin oder St. Nikolaus hieß: in dieser Verkleidung wurde er allmählich dem Volke ein anderer: schließlich vergaß man die Bedeutung seines Hauptgeschenkes, der Rutenzweige. Als vollends die alten Winterfeste der Deutschen in der christlichen Weihnachtsfeier aufgingen, wurde Ruprecht ein Sendbote des Christkindes und die Rute in seiner Hand als Zuchtmittel für unartige Kinder betrachtet. Der schützende immergrüne Busch, den die Indogermanen für die rauhe Winterszeit in ihre Wohnstätte brachten, sollte aber in einer anderen Weise wieder zu Ehren kommen. Sicher ist aus diesem Segenszweige, den man aus dem Walde holte und vielfach mit buntem Schmuck versah, im Laufe der Zeiten und auf Umwegen, die wir nicht mehr genau feststellen können, der deutsche Weihnachtsbaum entstanden.

In die ferne heidnische Vergangenheit reichen auch einige der verschiedenartigen süßen Gebäckarten zurück, die um die Weihnachtszeit verschenkt werden. Kuchen in Gestalt von Hörnern, Ebern und Pferden erinnern nur zu deutlich an die alten Opfertiere der Germanen.

Neben dem Christentum zog die römische Kultur in die Länder von Mitteleuropa ein und wirkte umgestaltend auf die Anschauungen, Sitten und Gewohnheiten der Völker. Mit dem römischen Recht breitete sich auch römischer Brauch in Deutschland aus. Vom Süden kam zu uns die Sitte, den Jahresanfang festlich zu begehen. In Rom wurde der Neujahrstag durch laute Festlichkeiten eingeleitet, an ihm brachte man Beamten und angesehenen Personen Glückwünsche dar, und an diese knüpfte sich die Ueberreichung von Geschenken. Diese Sitte war so fest eingebürgert, daß die Neujahrsgeschenke oder strenae an den Kaiser und die Senatoren schließlich als eine pflichtgemäße Abgabe betrachtet wurden.

Die christlichen Gemeinden behielten diesen Brauch bei, verwandelten ihn aber in dem milden Geiste des Evangeliums. Nicht nur der Herr sollte Geschenke empfangen; sie sollten auch dem Diener und vor allem dem Armen und Bedürftigen gereicht werden. Dadurch wurde das Schenken zu Neujahr ganz allgemein. Natürlich bestanden diese Gaben nicht aus Nüssen und Aepfeln oder süßem Gebäck, sondern in nützlichen, selbst kostbaren Gegenständen und in barem Gelde.

Während des Mittelalters herrschte indessen, was das Kalenderwesen anbelangt, einige Verwirrung. Das neue Jahr begann nicht überall an einem und demselben Tage. Nach dem römisch-julianischen Kalender sollte der Neujahrstag auf den 1. Januar fallen. Gegen diesen Termin eiferte anfangs die Kirche, weil an ihm die Römer das ausgelassene Fest der Saturnalien begingen. So wurde von den einen der 1. März als Neujahrstag festgesetzt, und so rechnete z. B. die Republik Venedig bis zu ihrem Untergange; andere bestimmten den 25. März, den Tag Mariä Verkündigung, als den Jahresanfang, und dieses „Marienjahr“ galt z. B. auf deutschem Gebiete in den Diöcesen Trier und Köln lange Zeit. Es gab ferner ein „Osterjahr“, indem man das neue Jahr vom Ostersonntage oder vom Karfreitage an rechnete. Der größten Verbreitung erfreute sich aber während des Mittelalters in Deutschland der 25. Dezember, der Tag von Christi Geburt, als Jahresanfang; er wurde erst allmählich im Laufe des fünfzehnten und sechzehnten Jahrhunderts durch den heute üblichen Neujahrstag, den ersten Januar, verdrängt.

Auf diese Weise kam es, daß in Deutschland während langer Jahrhunderte die christliche Weihnachtsfeier mit Gottesdienst, religiösen Schauspielen und Krippenausstellungen und das Neujahrsfest mit den Glückwünschen und Geschenken an einem und demselben Tage begangen wurden. Je mehr die neuen Sitten sich einbürgerten, zu einem um so größeren Feste gestaltete sich Weihnachten, und es war durchaus natürlich, daß nunmehr althergebrachte einheimische Volksbelustigungen, die man ursprünglich im November und Anfang Dezember abhielt, auf die Weihnachtszeit verlegt wurden. Jetzt erschienen Ruprecht, Martin und Nikolaus als Vorboten oder Sendboten des Christkinds und die Lust am schenken nahm immer mehr zu: die Bezeichnung „Neujahrsgeschenke“ wurde allmählich durch den Namen „Weihnachtsgeschenke“ verdrängt.

[834] In die „Christbürden“ waren aber auch nützliche Sachen eingepackt. Neben neuen Kleidern schenkte man besonders gern Schulsachen oder „Scholasticalia“, wie z. B. „Abctefflin“, Schreibzeuge, Papier und Tintenfässer; ja auch die Weihnachtslitteratur für die Jugend erstand frühzeitig in Gestalt von Bilderbüchern.

Nicht überall erhielten jedoch die Kinder ihr Christgeschenk zu Hause; an manchen Orten wurde es ihnen beim Gottesdienst in der Kirche überreicht. Aus den alten Weihnachtsumzügen entwickelte sich auch die Sitte, daß die Kinder unter Absingen von Liedern von Haus zu Haus zogen und kleine Geschenke, die zumeist in Aepfeln, Nüssen und Gebäck bestanden, einsammelten. Zuletzt thaten es nur noch Kinder ärmerer Leute, die dafür auch mit Geld beschenkt wurden.

Die „Christbürden“ reichten jedoch nicht, um die Geschenke, die für Kinder der Fürsten und reicherer Leute bestimmt waren, zu fassen. Diesen wurde die Bescherung auf einer Tafel aufgebaut. Das reizte wohl auch in anderen Ständen zur Nachahmung. Dazu kam noch, daß die langen Winterabende auch im bürgerlichen Hause sich gemütlicher gestalteten. In den früheren Zeiten konnte man mit dem qualmenden Kienspan oder den rußenden cylinderlosen Oellampen keine angenehme Beleuchtung der Wohnräume erzielen. Nun gewann die Kerze eine immer weitere Verbreitung. Ursprünglich nur in der Kirche verwendet, erleuchtete sie lange Zeit die Gemächer der Reichen; dann aber wurde sie zum Gemeingut aller. Im Lichterschein wurden zuerst die Gaben für die Kinder auf dem Tische ausgebreitet: später kamen auch die Geschenke für Erwachsene auf denselben Platz, und so entstand die deutsche Weihnachtsbescherung, die, zuletzt vom Glanze des Christbaumes verklärt, zum schönsten Familienfeste wurde.

In andern Ländern sind die Neujahrsgeschenke nicht auf das Christfest übergegangen. In Frankreich z. B. beschenkt man sich nach wie vor zu Neujahr. Bei uns lebt dieser mehr römische Brauch nur hier und dort kümmerlich fort. Es kommen an einem Orte zu Neujahr Schornsteinfeger ins Haus, um Glückwünsche darzubringen, und erhalten dafür ein kleines Trinkgeld. Der Bäcker schenkt in einer anderen Stadt seinen treuen Kunden zu Neujahr einen Kuchen oder der Fleischer eine Wurst. Aber auch diese Sitten schwinden mehr und mehr dahin. Wir begnügen uns am Neujahr mit Glückwünschen, Weihnachten aber bleibt dauernd das große Fest der Liebesgaben.