Zeitgenössische Aufzeichnungen über die Einführung der Reformation in Dresden

Kurfürst Moritz und die Musik Zeitgenössische Aufzeichnungen über die Einführung der Reformation in Dresden (1892) von Otto Richter
Erschienen in: Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896)
Der erste Dresdner Buchhändler
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Zeitgenössische Aufzeichnungen
über die
Einführung der Reformation in Dresden

finden sich in einem Copialbuche des Rathes für die Jahre 1513 bis 1553, das nebst mehreren andern älteren Rathsakten bei der Abtretung der städtischen Gerichtsbarkeit an den Staat in das Amtsgerichtsarchiv gelangt war und erst neuerdings wieder an das Rathsarchiv zurückgegeben worden ist. Diese Aufzeichnungen rühren von der Hand des Dr. Martin Heußler her, der im Jahre 1539, wo das fragliche Ereigniß sich vollzog, Oberstadtschreiber und zugleich Rathsherr war, den Dingen also so nahe wie nur möglich stand. Im Wesentlichen bestätigen sie das, was neuere Forscher (G. Müller: Paul Lindenau, der erste evangelische Hofprediger in Dresden, Leipzig 1880, und F. Dibelius: die Einführung der Reformation in Dresden, Dresden 1889) über diesen Gegenstand festgestellt haben. Dennoch sind sie nicht ohne Wichtigkeit. In einigen Punkten war man bisher auf den Bericht in Weck’s Chronik Seite 308 angewiesen, die doch volle 140 Jahre später geschrieben ist. Eine Vergleichung des Weckschen Berichts mit unsern Aufzeichnungen ergiebt nun sowohl im Gange der Erzählung als vielfach auch im Wortlaute die vollständige Uebereinstimmung beider, und es unterliegt daher keinem Zweifel, daß uns hier die ursprüngliche Quelle Weck’s vorliegt. Nur hat Weck, abgesehen von Kleinigkeiten, einen wichtigen Satz ganz weggelassen, nämlich den, der sich auf die Mitwirkung des Hofpredigers Paul Lindenau bezieht, so daß man darüber bis jetzt im Unklaren geblieben ist. Aus diesem Satze aber geht hervor, daß der Rath Anfang Juni 1539 dem Paul Lindenau bis auf Weiteres das Pfarramt in aller Form übertrug und daß daher eigentlich nicht der am 27. Juni eingewiesene Johann Cellarius, sondern Lindenau als der erste, wenn auch nur interimistische, evangelische Pfarrer von Dresden zu betrachten ist.

Die Aufzeichnungen lauten:

„Dornstag nach quasimodogeniti anno uts. im XXXIX. als den XVII. tag aprilis ist hertzog [44] George zu Sachsen etc. in goth vorschyeden vor mittage umb 9 hor und den abend zuvor erst kranck wurden.

Uffn abend desselbigen tags als den XVII. aprilis umb X hor in der nacht ist hertzog Hainrich zu Sachßen etc. von Freybergk herunder kommen.

Um XXI. aprilis volgend bald hat der rath und dy gemeyne hertzog Hainrichen hochgemelt holdung gethan.

Dinstags nach trinitatis den III. Junii ist der circuitus corporis Christi, alle messen, vigilien, salve etc. abgeschafft.

Und dieweil allein das lautter evangelium ane allen zusatz des bapsts etc. geprediget und das sacrament in beyder gestalt sal gereicht werden, hat doctor Petrus Eysenbergk pfarher, weil ers nicht wuste zu thun, wy er saget, dy pfarrhe dem hertzogen resignirt, dorauff den volgenden tag [letztere drei Worte ausgestrichen] und uff schrifftlichen bevelh s[einer] f[urstlichen] g[naden] hat der rath dy pfarrhe eyngenohmen, aldo alles lassen inventiren und alsden hern Paulo Lindenau s. f. g. prediger dyeselbige eingereumet, ihnen investirt und das inventarium uberreicht bis uff ferner bestellung. Und ist ime zugeordent mgr.Eberhardus prediger von Aldenburgk und eyn diacon von Freybergk.

Freytag nach Johannis baptiste den XXVII. Junii hat der rath magistrum Joannem Cellarium uff bevelh f[urstlicher] d[urchlaucht] zum pfarher investirt und das inventarium eyngereumet, haben ime gehulffen dy kirche zu vorsorgen gedachter mgr. Eberhardus und 2 diacon, bis so lange dy erste visitation gehalten.

Sontags post visitationis Marie am 6. tage Julii anno etc. uts, im XXXIX. ist dy erste evangelische ader deutzsche messe gehalten und das sacrament beyder gestalt gereicht, dy cantanten haben den introitum kirieleyson et in terra etc. alleluia und dy prosa de sancta trinitate figurirt.

Dozumal der churfurst hertzog Johans Friderich mit s. churf. gemahel neben hertzog Heinrichen und dem frauentzymmer in der kirchen dobey gewest.“

Dr. O. Richter.