Zedler:Zucht auf Gymnasien und Schulen

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Zucht-Haus oder Werck-Haus

Band: 63 (1750), Spalte: 1001–1007. (Scan)

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Zucht auf Gymnasien und Schulen, ist ein sorgfältig und emsig Bestreben, junge Leute, in denen Werckstätten nützlicher Sprachen, Künste und Wissenschafften, vom Bösen klüglich abzulencken, und zum Guten zu reitzen. Es gehöret hierzu theils eine weise Einrichtung und Verbindung der Hülffs-Mittel: Theils eine wohlbedächtige Ausübung der Zucht selbst, nach ihren Umständen.

Die Hülffs-Mittel sind, ein aufmercksames Unterstützen des Ansehens, und sorgsames Ermuntern des Eyfers treuer Lehrer, auf Seiten derer Oberern; ein gründlicher Unterricht im göttlichen Worte, Christlichen Glaubens-Lehren und Lebenspflichten, ingleichen ein guter Vortrag und die Geschicklichkeit, eine Sache nicht nur Beyfalls werth vorzustellen, sondern auch die Gemüths-Bewegungen dahin zu lencken, und endlich ein erbaulicher Lebens-Wandel, auf Seiten der Lehrer; Auf Seiten der Eltern Anverwanden, Wirthe und Bürger gegentheils, ein ernstlicher Beystand und hertzliches Bemühen, alles dahin einzurichten, das jungen Gemüthern die Gelegenheit zum Ausschweiffen benommen werde, vielmehr aber dieselben unter genauer und behutsamer Aufsicht immerdar stehen mögen und was dergleichen mehr.

Bey der Ausübung erwäget man die Personen, die Zeiten, die Oerter, den Zweck, die Ursachen, was eigentlich der Zucht unterworffen, und wie solche endlich selbst eingerichtet werden müsse. [1002]Mancher scheinet in seiner Zucht ein allzu scharffer Jacob zu seyn, welcher sogleich mit Donner und Blitz drein schlagen möchte: Der andere ein eyfriger Elias, den die Ehre des Herrn, und der wahre Nutz seiner Untergebenen, zur gerechten Straffe nöthiget: Noch ein anderer ein liebreicher Johann, welcher nur durch Bitten und Gedult, und Erinnern ziehen will: Ja der vierdte endlich wohl gar ein sündlich gelinder Eli, der zu den grösten Bosheiten der seinen nicht einmahl sauer siehet. Kömmt der junge Mensch von einer genauen Zucht: so wird es ihm nicht übel gefallen, etwas mehr Freyheit und Gütigkeit zu empfinden: Ist ihm aber der Zaum soweit gelassen worden, als nur möglich gewesen, wie dergleichen dann und wann aus den Händen allzuliebreicher Eltern erhalten werden; so wird er sich ungerne in engere Grentzen einschliessen lassen, und wohl gar, besonders bey etwas reifferen Jahren, solche Bande zu zerreissen suchen. Es ist derowegen auch sonderlich ein Glück für eine Schule, wenn Lehrer, in Ansehung der Zucht, sich bey guter Uebereinstimmung befinden; daß, je näher Untergebene der so weitläufftigen Academischen Freyheit kommen, je mehr auch die Zucht, gleichsam unvermerckt erweitert werden könne. Es ist aber auch ein Unglück für Lehrer, und um soviel grössere Behutsamkeit von nöthen, daferne sie die bereits in Kinder-Jahren nachgelassene Frechheit einschräncken sollen. Ja, wenn man alle Vorsicht angewendet hat, wird doch alsdenn mancher Rücken eher brechen, als sich biegen lassen. Diejenigen, die im Lehr-Amte stehen, haben sich selbst vor der Verzärtelung um soviel sorgfältiger in Acht zu nehmen; je mehr reitzendes solches Laster bey sich hat, und je mehr es seinen Gifft gleichsam mit Zucker bedecket. Es ist dasselbe besonders die vornehmste Ursache der unächten Liebe und des unächten Hasses, womit Lehrer offtermahls von den Schülern beleget; so mancher unzeitigen Lobes-Erhebungen, womit sie angepriesen; so mancher Verläumdung, womit sie geschändet werden. Ein Eli wird gemeiniglich der Schutz und die Zuflucht derer übelgearteten seyn, wenn sie ein Elias straffen will. Hieraus erwächst unzähliges Unheil und wohl gar eine fast gäntzliche Zerrüttung. Der letztere thut sein Amt mit Seufzen, und betrübet sich, wenn er fremder Wollust, Ehrsucht oder Habsucht wegen, um nicht mehr Schaden als Nutzen zu schaffen, dem Unverstande klüglich nachsehen muß: Der erstere wird leicht alle Gelegenheit mit Freuden ergreiffen, das Vergnügen weichliger Mütter, übelberichteter Väter, nur nach dem Scheine urtheilender Bürger, und insonderheit die Lust verzärtelter Jugend zu werden. Man hat in Ansehung dieser ohnedem Behutsamkeit genug von nöthen, bey so verschiedenen Neigungen, und bey dem natürlichen Verderben der Menschen, zu ihrem wahren Vortheile, allen allerley zu werden, und, weiser Gerechtigkeit gemäß, jedem das seine mitzutheilen. Eben dergleichen Umstände verursachen auch, daß es nicht leicht möglich ist, die Zucht zu allen Zeiten, auf einerley Art und Weise zu führen. Sonst war dieses oder jenes heilsam, deswegen auch jetzt: [1003]bleibt immerdar ein Schluß von ungewisser Folge. Sind Lehrer und Eltern gleicher Meynung, kommen die übrigen Nebenumstände damit überein, dergestalt, daß der Untergebene weder einer andern Zucht gewohnt ist, noch eine andere suchen darf; so wird alles seine gute Richtigkeit haben. Man spanne aber zwey Pferde einander entgegen; man sehe, ob nicht der Wagen bald hinter bald für sich gezogen, in Abwege geführet, oder gar zerrissen und verderbet wird. Doch hat man auch etwas, das man hier beständig nennen kan. Der Morgen und Abend, der Ausgang der Woche, die Zeit, da eben eine merckwürdige Begebenheit vorgefallen, oder ein Fehler begangen worden, sind stets bequem die Sitten der seinen klüglich zu verbessern. Hingegen wird niemahls eine wahrhafftig heilsame Zucht ausgeübet, wenn man durch hefftige Affecten bemeistert worden. Jener Weltweise sagte zu seinem Knechte, daß er ihm Streiche geben würde, daferne ihn nicht der Zorn davon abhielte. Und gewiß, Lehrer haben noch viel mehr darauf zu sehen, daß sie, bey dergleichen Gelegenheit, so viel möglich, an sich halten. Der Umstand des Orts hat eben so viel Aufmercksamkeit von nöthen. Es ist nicht nur fleißig zu beobachten, woher und von welcher Zucht man Untergebene bekommen habe; sondern auch wo die Zucht selbst ausgeübet werde. Es gehören dahin insonderheit die Kirche, die Schule, die Privat-Wohnung, und endlich auch jeder andere Ort, wo etwas Gutes oder Böses verübet worden. Der Tempel ist derjenige Platz, wo man am meisten acht haben soll, daß nichts schändliches oder ärgerliches vorgehen möge. Doch wird, im Angesichte der Gemeine des Herrn, ein Blick, ein Winck, aufs höchste ein Wort, welches hernach, zu einer bequemern Zeit, um so viel Nachdrucksreicher gemacht wird, besser seyn, als wenn man mit vielem Geschrey, sein Ansehen zu zeigen trachtet, wodurch man gemeiniglich andere mehr zu irren, als Verbrecher zu bessern pfleget. In der Schule werden einer öffentlichen Belohnung oder Bestraffung würdige Dinge am füglichsten abgethan. Eine etwas geringere, aber auch offt eine sichere Art beydes zu vollbringen, ist die Privat-Wohnung, wo man, ohne Neid zu besorgen, ohne sich in den Verdacht der Beschimpffung zu setzen, so manche Dinge, insonderheit heimliche und das erstemahl begangene Fehler, mit grossem Vortheile schlichten kan. Da endlich zuweilen eine Bestraffung gleich bey frischer That, desto mehr Eindruck zu haben scheinet: So kan auch ausserdem ieder andere Ort dazu dienlich seyn. Vornehmlich aber wird man Lob-Sprüche, welche Tugendliebende gantz ungemein anspornen, in so mancher Gesellschafft, wohl bedächtig vorzubringen, nicht selten Anlaß bekommen. Endlich geben öffentliche Einladungs-Schrifften noch schönere Gelegenheit an die Hand, solches, nach Maasgebung der Wahrheit und des Gewissens, öffentlich ins Werck zu richten, und damit, zu Beförderung des Wohlergehens würdiger Personen, das Gehörige beyzutragen. Gleichwie es nehmlich eine strafbare Absicht ist, in der Zucht, seine Rache, Heucheley, und Partheylichkeit an den Tag zu legen; also muß das wahre Wohl und der gröste Vortheil eines Menschen, der sich selbst noch nicht gnugsam zu rathen [1004]weiß, in Verbindung mit der göttlichen Ehre und dem gemeinschafftlichen Besten, welches beydes zu einem gerechten Vergnügen erfodert wird, nicht nur bey den Lobes-Erhebungen insonderheit, sondern auch bey der Zucht überhaupt, immerdar redlich beobachtet werden. Man hat die bündigsten Bewegungs-Gründe solches zu thun. Der Befehl des Allerhöchsten, die Bedrohung: Deine Seele soll statt seiner Seele seyn; Der Nutzen des gemeinen Wesens; der aus dem Gegentheile erwachsende Schaden; die obliegende Pflicht, Gottes Ehre und das Beste der menschlichen Gesellschafft, aus allem Vermögen zu befördern; Die schätzbarsten Verheissungen, so der Herr seinen treuen Knechten gegönnet hat, und unzählig andere Ursachen, dringen darzu.

Doch es ist nöthig zum Hauptwercke dieser Betrachtung fortzueilen. Wir haben, wie schon erinnert worden, bey der Beschaffenheit der Zucht selbst, zweyerley zu erwegen, das Abhalten vom Bösen; und das Anhalten zum Guten. Beydes wird durch Belohnungen und Bestraffungen, sie mögen nun auf Geberden, Worte oder die That selbst ankommen, am füglichsten geschehen können. Hier kommen die Fragen zu beantworten vor: Wobey und wie man dergleichen Hülffs-Mittel brauchen solle? Belohnungen sind billig die Würckung von Fleisse, Tugend, Ordnung und guten Sitten. Der Mangel aber so Löblicher Eigenschafften, oder das Gegentheil davon, bringt auch gegenseitige Früchte. Da inzwischen die Bestraffungen mehr als einerley sind, so ist zu untersuchen; ob irgend etwas, und was eigentlich, mit der That gestraffet, zu werden verdiene? Man hört offt den Einwurf: Wer nichts lerne, schade sich selbst, und brauche keine weitere Züchtigung; ingleichen: Die Gottesfurcht solte nicht mit dem Stabe, sondern mit Ueberzeugung ins Hertz gebracht werden. Beydes ist wahr. Man hält den billig für halb verlohren, welcher nur wie die lastbaren Thiere zur Arbeit gereitzet wird: Und wenn der Mensch keinen andern Trieb spühret, in die Kirche zu gehen, als das harte Muß, so zeigt solches ein schlechtes Christenthum an. Allein, solte man nicht vielleicht, bey jungen Gemüthern, welche Wollust, Uebereilung, Unbedacht zurücke hält, durch dergleichen Zwangs-Mittel, wenn sie auf der andern Seite mit Unterricht und Reitzungen begleitet werden, nach und nach, auch Lust zu beyden erwecken können? Ueber dieses finden sich die nachdrücklichsten Ursachen, das Aergerniß und die bösen Beyspiele, absonderlich in grossen Versammlungen, zu tilgen. Das Unkraut würde gar bald den guten Saamen dämpffen, wenn man es ungehindert wachsen liesse. Es müssen wahrhafftig, so zu sagen, Helden im Fleisse und in der Tugend seyn, die, durch den Strohm der ungestrafften Nachlässigkeit, der ungehemmten Ruchlosigkeit, in Gymnasien und Schulen, nicht mit fortgerissen werden sollen. Man darf sich dabey keinesweges befahren, daß auf solche Weise nur Heuchler gezogen würden: Wenn man erst im Nothfalle zu harten Milteln schreitet, auch gründliches Lehren und liebreiches Ermahnen damit jederzeit verbindet. Gesetzt [1005]aber, es wäre jemand so verderbt, daß er nur zum äusserlichen beweget würde, und lediglich aus Furcht der Straffe das Böse hassen lernte: so wäre er doch der Gesellschafft erträglicher, als ein offenbarer Gottloser; ob er gleich für seine Person dadurch das gerechteste Verderben häuffen dürffte. Allein, in Ansehung des Lernens, ist noch etwas zu erinnern. Natürliches Unvermögen, und die daher erwachsene Langsamkeit, welche offt einiger Nachläßigkeit ähnlich siehet, soll man mit Ermuntern und Zureden, und mit furchtbarer Strenge, zu verbessern suchen: Wenn aber gegentheils Wollust und Gemächlichkeit das Pfund vergraben, hat man Ursache nach und nach dergleichen Schlafsucht, mit nöthiger Gewalt zu vertreiben. Doch am allermeisten ist Trotz und Widerspenstigkeit zu unterdrücken; da man vornehmlich die zugedachten und auferlegten Züchtigungen, nicht übernehmen will, ja wohl gar schmähet und höhnet. Dergleichen Mensch ist billig nicht eher für einen Schüler zu erkennen, bis er seine Straffe nachdrücklich ausgestanden, und den Ungehorsam öffentlich abgebeten hat (Man sehe die Schul-Ordnung für die Churfürstl. Braunschweig-Lüneburg. Lande, p. 163).

Wie wird aber endlich die Zucht einzurichten seyn? Ueberhaupt, aufrichtig und bedachtsam. Junge Leute sehen gemeiniglich ihre Sünden für etwas gutes, oder doch wenigstens für Kleinigkeiten an. Sie lassen sich folglich ungerne bestraffen, aber gerne loben. Wer dieses letztere thut, wird wieder gelobet: Wer aber die Wahrheit sagt, pflegt gemeiniglich, mit seiner Treue Haß zu verdienen. Eltern und Kinder scheinen hier mehrmahls einerley Sinn zu hegen: Und es thut jenen empfindlich weh, wenn sie etwas ungleiches von den ihren vernehmen sollen. Darf man aber deswegen seine Pflicht aus den Augen setzen? Nein: Recht muß Recht bleiben! Dem ohngeacht soll man auch auf die Behutsamkeit sein Auge richten. Hat man sich GOtt gefällig gemacht: Trachtet man billig zugleich dahin, daß man Menschen werth seyn möge. Man muß derowegen so gar den Schein der Unbilligkeit oder Partheiligkeit zu vermeiden suchen, und dem Verläumder, so viel nur möglich ist, alle Gelegenheit zu lästern beschneiden. Insonderheit belohnet man demnach, da ferne man, durch ein freundlicheres Bezeugen, seinen Gefallen über des Untergebenen löbliches Verhalten an den Tag legt, solches lobt, ihm, unter der Bedingung, daß er beharren müsse, nicht nur die göttliche Gnade, die Huld und Liebe der Menschen, sondern auch den Eyfer ihm Vergnügen, Vortheil und Ehre zu erwerben, verheisset, und endlich in der That selbst bewähret, daß die Versicherung nicht in blossen Worten bestehe. Zeigt sich folglich Gelegenheit öffentliche oder absonderliche Wohltaten zu erweisen, muß man, nebst der Nothdurfft, auf die Würdigkeit sehen, und die übrigen fleißig erinnern, es beruhe bey ihnen selbst, sich einer ähnlichen Gütigkeit, durch gutes Verhalten, theilhafftig zu machen.

[1006]Eben die Stuffen, die man im Belohnen beobachtet, kan man auch im Züchtigen betreten. Minen und Blicke sind der niedrigste Grad der Strafen, und alsdenn vornehmlich heilsam, wenn man, in den öffentlichen Vorlesungen wie billig, die Gemüther der übrigen Zuhörer nicht auf andere Dinge lencken, und die Zeit mit vielen Worten verderben will. Diese aber bestehen, wo der Gehorsam auf den Winck nicht erfolget, in Vorhaltung des Unrechts, in Ermahnungen, in Bedrohungen, in Beschimpfungen, in Nachrichten an die Eltern und so weiter. Es kan dergleichen theils insbesondere, vornehmlich bey kleinern und nicht öffentlichen Fehlern, eines sonst wohlgesitteten Menschen; theils öffentlich, wenn sich nehmlich das Gegentheil ereignet, und beydes wiederum, mit gelindern oder schärffern Ausdrücken geschehen. Daß die erstern nicht allemahl zureichend sind, zeigen viel Exempel. Es ist wahr, ein gutes Wort macht offt überaus beliebt. Aber es ist auch nicht allemahl von langen Nachdrucke, und schafft, wenn man alles damit auszurichten gedencket, bey endlich erfolgter Geringeschätzung, da und dort; mehr Schaden als Nutzen. Der Nahme eines bösen Buben, mit dem der Geist Gottes selber strafft, schreckt bisweilen mehr von Lastern ab, als der Titul eines lieben Sohnes. Man muß sich also beyder zu rechter Zeit zu bedienen wissen. Die so genannten realen Straffen endlich bestehen theils in Beraubung eines Vortheils, Z. E. der öffentlichen und besondern Wohlthaten, der ordentlichen Speisen, u.s.f. theils in Belegung mit einem Uebel, es sey nun am Cörper, oder an der Ehre, oder am Vermögen. Zur ersten gehören Schläge und Gefängniß. Jene sind vornehmlich bey noch etwas zarten Gemüthern von nöthen; des Gefängnisses aber pflegt man sich, nebst andern Züchtigungen, auch auf hohen Schulen zu bedienen. Zur mittelsten Gattung kan gezählet werden, wenn man die Fehler eines Oberern durch einen Unterern verbessern, oder, was jener nicht weiß, von diesem sagen lässet; als welches öffters mehrern Eindruck findet, als die weitläufftigste Beschimpfung mit Worten, und doch, bey der Nachläßigkeit in öffentlichen Stunden, da man ohnedem, die Aufmercksamkeit desto besser zu erhalten, bald da bald dort fraget, keinen besondern Zeitverlust nach sich ziehet; oder auch, wenn vornehmlich faule und nachläßige einen geringern Platz einnehmen müssen. Bey der letzten Gattung fragt sichs, ob man auch um Geld straffen solle? Man kan hier mit Unterschiede antworten: Geschiehts wider der Eltern oder Anverwandten Wissen und Willen, und doch aus ihrem Vermögen: So werden mehr diese als der Verbrecher gezüchtiget; ja es dürffte solches Gelegenheit zu vielen andern Vergehungen an die Hand geben. Befindet sich aber das Gegentheil: oder es lebt der junge Mensch, von dem, was er sich selbst verdienet, daß ihm also nicht unbekannt ist, wie sauer Geld zu erwerben sey: so findet sich, in so ferne besonders dergleichen Straff-Geld wohl angewendet wird, bey der Sache keine Unbilligkeit. Gleichwie man auch nichts tadelnswerthes [1007]findet, wenn gleich der Schüler seinen Unterhalt von Wohlthätern empfänget; daferne sich anderer Straffen, mit Bescheidenheit und Grunde, weigert, und sie auch deswegen nicht grössern Aufwand machen müssen: Sondern vielmehr der Verbrecher, entweder mit Wohlthaten zum Ueberflusse versehen ist, oder indessen dafür darben und genauer haushalten muß. Es wären freylich hierbey Wohlthäter zu ersuchen, daß sie nicht ihre Gütigkeit ohne Prüfung verschwenden, sondern vielmehr die Lehrer und andere unpartheyische Personen, vor und bey Gewährung derselben, fleißig um Rath fragen möchten. Leichtsinnige Menschen sind offtermahls die kühnesten; tugendliebende verschämt und blöde. Giebt man jenen ohne Vorbedacht, so wird die Wohlthat verlohren; die doch bey diesen den herrlichsten Wucher bringet. Es ist die Pflicht begüterter Personen, die Nothdurfft fähiger Köpffe zu erquicken: Aber es ist dabey der Klugheit gemäß, zu sehen, wem man gebe. Eben solche Bewandniß hat es mit dem besondern Unterrichte der zarten Jugend, welcher, an Orten, wo höhere Schulen und Gymnasien sind, von Rechtswegen lieber der studierenden Jugend, als unstudierten, unbefugten, und offt gantz ungeschickten Winckel-Lehrern anvertrauet wird. Diese suchen gemeiniglich bey Verachtung des öffentlichen Lehr-Amts, und derer Dinge, die sie doch vielleicht selbst nicht gnugsam einsehen, den Kopff junger Leute mit Winde, und das Gemüthe leichtgläubiger Eltern mit einer leeren Einbildung zu erfüllen. Jene stehen unter der Aufsicht ihrer Obern, und werden sich folglich desto eyfriger bemühen, alles so einzurichten, daß nicht Klage geführet werden dürffe: Ja sie gemessen auch auf solche Weise eine gerechte Wohlthat, und Beyhülffe zu ihren Unternehmungen. Findet man Mangel, so liegt die Schuld nur vornehmlich daran, daß man in der Wahl solcher Personen, nicht die Lehrer, sondern vielleicht einen Mit-Schüler, oder andern partheyischen Menschen, zu Rathe ziehet; auch wohl diejenigen auslieset, welche versprechen, für das wenigste Geld, die meisten Dienste zu leisten. Es kömmt noch hinzu, daß man nicht ebenfalls einem Lehrer, oder andern rechtschaffenen und der Sache kundigen Manne, die Ober-Aufsicht dabey anvertrauet: Dessen etwa monatliches Prüfen des Fleisses, auf Seiten des Präceptors, und des Fortkommens, auf Seiten der Untergebenen, beydes gar leicht einrichten, erhalten und vermehren könnte. Wolte man damit die Besuchung der öffentlichen Schulen verbinden, so würde man gewiß alsdenn doppelten Seegen und Vortheil schöpffen. Johann Gottfried Hauptmanns Abhandlung von der Zucht auf Gymnasien und Schulen, Gera 1742 in 4. Siehe auch die Acta Scholast. II Band, p. 464 u. ff. Sonst aber kan von dieser Materie auch der Artickel: Schul-Zucht, im XXXV Bande, p. 1645 u. ff. nachgelesen werden.