Zedler:Wein verfälschen
Wein verfälschen, Lat. Vitiatio, Spurcatio, oder Deteriatio Vini, begreiffet nach Maßgebung der Rechte alle verbotene Künste und Betrügereyen unter sich, welche mit dem Weine, und absonderlich bey dessen Verkauf vorgenommen werden. Also begehet derjenige ein crimen stellionatus, welcher dem Käuffer einen andern und bessern Wein zu kosten giebt, hernach aber, wenn er solchen bedungen und erhandelt, ihm einen andern und schlechtern ausliefert, arg. l. 3. §. 1. ff. de crim. stellion. woselbst gesaget wird, daß, so jemand falsche Waaren unterschiebet, oder die einmahl verhaffteten austauschet, verwechselt, wegnimmt, oder verschlimmert, ein solcher des Stellionatus schuldig sey. Nun gehöret aber der Wein nicht allein als ein beweglich Gut unter die Waaren sondern auch daher, weil er mit ausdrücklichen Worten darunter benennet wird. Wohin auch die Verfälschung des Weins durch Zugiessung des Wassers zu ziehen, als welches ebenfals ein Stellionatus ist. Ob wohl Marquard solches ein Falsum, diejenigen aber die es thun, Falsarios nennet, so nennen doch dagegen Ulpianus und andere Rechtslehrer dieses Verbrechen Stellionarum, welcher mit einer ausserordentlichen Straffe zu belegen ist; wiewohl auch eine solche Spurcatio Vini zu dem so genannten Lege Aquilia gezogen werden kan, weil das Wort: Spurcatio, nicht eben etwas unreines, sondern auch pures Wasser unter den Wein giessen, bedeutet. Nach dem Reichs-Abschiede vom Jahr 1497. §. 3. werden auch die Fuhrleute unter die Wein-Verfälscher gerechnet, welche die ihnen anvertraute Weine bezapffen, und hernach mit Wasser wieder voll füllen. Diese sollen nun nach Maaß ihrer Verhandlung an ihren Ehren, Leib und Gütern, ohne Nachlassung, gestraffet werden. Vor eine Wein-Verfälschung wird auch gehalten, wenn die Weine allzu sehr geschwefelt werden, daß sie darüber ihren Geschmack verlieren. Etwas Schwefel zur Erhaltung des Weines darein zu thun, ist wohl zugelassen, wenn nur der Verkäuffer dem Käuffer anzeigt, daß solches geschwefelte Weine wären. Solte aber jemand über den zugelassenen Schwefel mehr in den Wein thun, demselben sollen zuförderst von Stund an, an den Enden, da solche Weine gefunden werden, den Fassen der Boden ausgeschlagen, der Wein verschüttet, und darzu ein jeder jedesmahl an Pön 100. Gulden Rheinisch unabläßlich zu bezahlen schuldig seyn. Angemachte Kräuter-Weine hingegen, in so weit sie der Gesundheit nicht schädlich fallen, sind zugelassen, nach erstbemeldetem Reichs-Abschiede §. 6. Von Kräuter-Weinen etc. Obiges Verbot ist hernach vom Kayser Carln V. in der Policey Ordnung von Jahr 1548. tit. von Schiff- und Fuhrleuten, wiederholet, ferner vom Kayser Rudolphen II. vom Jahr 1577. tit. 6. in folgenden Worten bestätiget und geschärffet worden: "Wo aber hinführo einiger Kaufmann, Schiff- oder Fuhrmann, oder jemand anders, wie der Nahmen haben möchte, den Wein mit Kalch oder dergleichen schädlichen Zusatz oder Einschlag bereiten, schmieren oder fälschen würde, der soll gleicher Weise, nach Gestalt seiner Ueberführung, nicht allein mit Verwürckung und Confiscirung des Weins, sondern auch an seinen Ehren, Leib oder Gut, härtiglich gestrafft werden." Diesem fügen wir noch nachstehendes geschärfftes Edict von Sr. Königl. Majestät in Preussen wider die Wein- und Bier-Verfälscher, auch unrichtige Bouteillen, nebst dessen rechtlichen Erläuterung bey, wie solche in Ludwigs Gelehrten Anzeigen, I Theil, p. 504. u. ff. zu befinden: "Nachdem Seine Königl. Majestät in Preussen etc. Unser allergnädigster Herr, mißfällig vernehmen müssen, daß sowohl von Fremden, als Einwohnern, über die Wein- und Bier-Verfälschung in Dero Landen noch immerhin geklaget worden, ungeachtet Dieselbe unterm 28 Januar. 1718. wider solche Verfälscher ein scharffes Edict publiciren lassen, so gar, daß solche Betrügereyen auch fast ungescheuet practiciret werden: So sind Höchst-gedachte Seine Königl. Majestät bewogen worden, darüber ein ernstliches Einsehen zu haben, und deshalb eine genaue Untersuchung anstellen zu lassen, wie und von wem obgemeldtem Edict bishero zuwider gehandelt worden. Damit aber sowohl die gewissenlose Bier und Wein-Verfälscher desto eher entdecket, als auch inskünftige von dergleichen Betrug abzustehen gewarnet werden mögen: Als verordnen Höchst-gedachte Seine Königl. Majestät hiermit, daß allen denjenigen, welche Dero in jeder Provintz bestelleten Steuer-Räthen, oder Dero Hof- und Commissariats-Fiscalen, auch Magistraten und Accis-Einnehmern in Städten von solchen geschehenen Wein- und Bier-Verfälschungen gegründete Anzeige thun, oder daß jemand rothen und weissen Landwein mittelst einiger Zutat vor allerhand guten Frantzösischen Wein, auch wohl Francken-Wein vor Rhein-Wein betrügerischer Weise verkauffe, und der Wein- und Bier-Schencke dessen würcklich überführet werden könnte, von jedem Eymer verfälschten Wein zwölf Reichsthaler, und von jeder Tonne solches Biers drey Reichsthaler, als der dritte Theil der zu dictirenden Straffe, mit Verschweigung ihres Nahmens, gegeben werden soll. Die Wein- und Bier-Verfälscher aber haben zu gewärtigen, daß sie zum ertenmahl vor jeden Eymer verfälschten Wein 36. Reichsthaler, und vor jede Tonne mit Wasser oder geringerm Geträncke vermischtes Bier 9. Reichsthaler Straffe erlegen; Zum zweytenmahl aber aller im Keller befindlichen Weine und Biere verlustig erkläret, und davon dem Denuncianten der dritte Theil gegeben, auch wenn dem Schencken das Haus, darinnen die Verfälschung geschehen, eigenthümlich zugehöret, eine schwartze Tafel daran ausgehänget, der Nahme und das Verbrechen des Wirths darauf geschrieben, und derselbe alles fernern Wein- und Bier-Schancks Zeit Lebens verlustig erkläret; Die Raths-Keller-Pächter in Städten aber, wenn sie der Verfälschung überführet, und der Wein oder das Bier ihnen nicht eigenthümlich zugehöret, des Landes verwiesen werden sollen: Wie denn auch die Fuhrleute, so unterwegens das Geträncke mit Wasser zu vermischen sich unterstehen werden, wenn sie dessen überführet, alsofort mit der Karre und Wall-Arbeit bestraffet, und dem Denuncianten, so es erweislich machet, zum Recompens zwantzig Reichsthaler aus der Accise-Casse, wann der Verbrecher nicht so viel in Vermögen hat, daß er sie erlegen kan, bezahlet, und des Denuncianten Nahme verschwiegen werden soll. Da auch mit den Bouteillen, worauf der Wein und das Bier vielfältig gezogen und also verkauffet wird, grosser Betrug vorgehet, indem die meisten nur drey Viertel Quart halten: So wird den sämmtlichen Wein- und Bier-Schencken in Seiner Königl. Majestät Landen, sie seyen, wer sie wollen, bey 8. gl. Straffe für jede Bouteille Wein, und 4. gl. für jede Bouteille Bier, auch Confiscation des darin befindlichen Getränckes alles Ernstes anbefohlen, sich a die publicationis innerhalb sechs Wochen von den unrichtigen Bouteillen völlig los zu machen, und hinführo mit lauter richtigen Quart- und halben Quart-Bouteillen zu versehen: Wie dann Seine Königl. Majestät auf Dero Glas-Hütten überall scharffe Ordre stellen lassen, solches Maaß in Verfertigung der Bouteillen genau in Acht zu nehmen, und sowohl die grossen, als kleinen, durchgehends auf halbe, gantze, anderthalb, zwey, drittehalb, auch drey und mehr Quart jederzeit zu richten. Insonderheit wird auch allen Brauern ernstlich und bey funfzig Reichsthaler Straffe, oder wann der Verbrecher es nicht in Gelde geben kan, bey Straffe der Karre verboten, kein Bier mit Post oder andern dergleichen schädlichen Dingen zu brauen. Berlin, den 1 Januarii 1722.
- Fr. Wilhelm.
Ob nun wohl dieses Königliche Edict vornemlich auf die Waaren- Maas- und Gewicht-Verfälscher überhaupt gerichtet ist, so sind doch dergleichen Wein-Brauer und Bier-Verderber noch viel schädlichere Diebe, als die Maas- und Gewicht-Verfälscher. Denn die letzteren zwacken nur dem Neben-Menschen etwas von seinem Gut ab; aber die erstern bringen ihn öfters um Leben und Gesundheit. Im Jahr 1698. war im Reich eine fast gemeine Kranckheit und Glieder-Seuche eingerissen und wurde man gewahr, daß ein Weinhändler daran Schuld wäre. Dahero sind vielen hundert Fässern, wo man dergleichen vermuthet, die Boden ausgeschlagen worden. Und wurde gegen die Verfälscher die Peinlichkeit und endlich die Todes-Straffe billig erkannt. Im Jahr 1715. wurde in Mayntz ein anderer Weinhändler, der nur seinen Wein für Rhingauer fälschlich ausgegeben, zum Staupenschlag verdammet, den derselbe mit etlichen Tausenden abkauffen müssen, weil die Stadt Mayntz den guten Ruf behalten will, daß in die Stadt keine andere Weine gelassen werden, mithin die grossen Handelsleute aus denen Niederlanden u. a. um so viel sicherer seyn mögen, daß sie vor ihr Geld reines, ob gleich an Jahren ungleiches, Geträncke bekommen. So bald auch in denen dortigen Städten ein Gastwirth ein Stückfaß Wein aufthut; so darf er den Kannen-Preis nicht selber setzen, sondern es wird ihm derselbe von denen so genannten Ohmgiltern gewürdert, bey welchem Preis er schlechterdings verbleiben muß. Und weil alle Weine im Keller ihre Taxe haben, so wird dem Betruge doch einiger massen gesteuert, weil die vereideten Weinkoster genau die Jahrgänge, den Ort des Gewächses, sodenn, ob damit ein Gebräude oder Gemenge vorgegangen, bey ihren Pflichten, zu sagen wissen und eine eigene Profeßion und Wissenschafft daraus zu machen pflegen. Es ist und bleibet also dieses an andern Orten, wo dergleichen noch nicht eingeführet, ein grosser und schädlicher Mangel, daß 1) jeder seine Weine und Geträncke selbst taxiret; 2) damit menget und brauet, wie er nur will; dahero 3) denn geschiehet, daß Leute Burgunder-Wein und andere fremde Weine verkauffen, welche niemahls einen solchen Nahmen in der Accise angegeben, und wenn sie ja etwa ein Stückfaß Rhein-Wein eingeleget, sie unter solchem Nahmen hundert Fasse Francken- oder andere Landweine verzapffen. Und wie viele tausend Fasse von rothem Landweine gehen die Elbe hinunter, die als Burgunder-Weine umgetauft wieder zurücke kommen? Es kan auch nicht wohl anders seyn, weil z. E. die Champagner und andere gute Weine an dem Orte, da sie wachsen, theurer, als bey uns seyn. In Ulm schrieb eine anzügliche Hand über eines Bierschencken, der hundert tausend Rthlr. hinterlassen, seinen Sarg: Wie kan Wasser solche grosse Dinge thun? Denn es ist noch keine Kunst in der Natur erfunden, dardurch man denen Verfälschungen der Weine und Biere abhelffen könnte. Dannenhero die Straffe gegen die überführten Uebertreter, in dem vorherstehenden Königl. Edict, billig geschärffet worden. Uebrigens besiehe hierbey den Artickel: Verfälschte Waaren, im XLVII Bande, p. 530 u. ff. wie auch Waaren-Handel, im LII Bande, p. 79. u. ff. desgleichen Wein-Händler, und Weinschanck.
Was Wein verfälschen in der Heil. Schrifft bedeute, siehe in dem Artickel: Wein, im Abschnitte: Betrachtung des Weins nach der H. Schrifft.