Zedler:Göttingen
Göttingen, oder wie es in denen alten Urkunden auf mancherley Art geschrieben wird: Goddingen, Guttingen, Gvottingam, Chotingen, Gothingen, Gotingen, Gottingen, eine Chur-Braunschweigische Stadt und Festung in dem Fürstenthum Calenberg, soll nach einiger Meynung den Namen haben von Gut Ding, oder Gutes Geding, oder nach andern von denen Gothen, welche in dem 5. Jahr-Hundert aus Italien gegangen, und sich hieselbst niedergelassen haben sollen. Modius Pandect. Triumphal. Conring de antiquissimo Statu Helmst. Andere sind auf die Gedancken gerathen, als wenn dieser Name von denen Göttern herzuleiten sey, daher Henricus Bodo Chronic. Clusin. ausdrücklich die Einwohner Theopolitanos siue Gottingenses nennet. Die neueste und wahrscheinlichste Meynung ist, daß sie von dem Worte Godinck, davon ein besonderer Articel nachzusehen, den Namen erhalten, zumahl, da [85] noch jetzo, nicht allein so offt eine Exsecution auf Leib und Leben vorgehet, sondern auch alljährlich den Montag nach Michaelis ein peinlich Hals- und Criminal-Gerichte, fast mit eben denen Formalien, die unter dem Articel Godinck angeführet worden, gehalten wird.
Einige wollen die Stadt sehr alt machen, und geben vor, sie sey das alte Tuliphurdium, dessen Ptolemaeus III. 2. gedencket, Gesner. Onomastic. oder erzählen, die Gothen hätten an. 445. oder 448. diese Stadt erbauet; allein man kann von diesem allen nichts gewisses sagen. So viel aber ist nun fast ausgemacht, daß unter der Villa Goddinga, welche in einem Bestätigungs-Briefe Kayser Caroli M. beym Mabillon de Re Diplomat. VI. p. 500. vorkömmt, nichts anders als dieses Göttingen zu verstehen sey. Nach diesem hat Henrich der Vogler angefangen den Ort mit Mauren, Thürmen und Gräben einzufassen, um die Hunnen von einem Einfall abzuhalten, und an. 988. soll Kayser Otto III. die Neu-Stadt gegen Abend der Stadt Göttingen erbauet haben. An. 1362. bekam die Stadt von Herzog Ernsten die Freyheit, Macht und Gewalt, sich nach eignem Gefallen auszudehnen, zu zieren und zu befestigen, welcher Freyheit sie sich nachgehends trefflich bedienet, und die Stadt nach und nach schön befestiget und erweitert. Um selbige Zeit ist diese Stadt in den Hanseatischen Bund getreten, hat auch nachgehends mit unterschiedenen vornehmen Städten Bündnisse und Verträge aufgerichtet, daher auch gekommen, daß sie mit schönen Commercien und Manufacturen ein ansehnliches erworben, und vor eine gute Handel-Stadt passiret. Obwohl falsch, daß sie ie Mahls eine Reichs-Stadt gewesen, wie Schneider Beschreib. Sachsen-Landes p. 219. Pfeffinger ad Vitriar. Institut. Jur. Publ. I. 18. p. 772. und andere vorgeben wollen: so ist doch nicht zu läugnen, daß sich die Sächsischen Kayser derselben wieder ihre Feinde, und die Sächsischen Herzoge wieder die Schwäbischen Kayser zum öftern bedienet; es ist ihrer auch im 30jährigen Kriege nicht verschonet worden, doch hat sie an. 1632. sich wieder den Grafen von Pappenheim, und an. 1641. wieder den Piccolomini tapfer gewehret, wie denn das Andencken der letzten Belagerung und Erlösung noch jährlich gefeyert wird.
Uebrigens ist die Stadt so groß als Lüneburg, und braucht man eine Stunde, sie auf dem Walle umzugehen. Die Kirchen daselbst sind die St. Johannis-Kirche, allwo eine kleine Statue anderthalbe Elle hoch, welche man insgemein vor eine Rolands-Säule hält, zu sehen; Gryphiander de Weichbildis Saxon. 71. und 74. Speidelius Thesaur. Practic. voc. Ruland. St. Jacobs-Kirche, St. Albani-Kirche, welche S. Bonifacius soll gebauet haben, St. Nicolas-Kirche und St. Marien-Kirche. Das Gymnasium ist an. 1586 vom Herzog Julio gestifftet, und an. 1734. in eine Vniversität verwandelt worden. Es gehöret dazu das Paullinum, auch einer schönen Kirche dieses Namens, auch einer guten Bibliothec, welche im 1734. Jahr ansehnlich vermehret worden, indem Johann Henrichs, Freyherrn von Bülow, auserlesener und bey nahe aus 10000. Stück bestehender Bücher-Vorrath dazu gekommen, auch der Chur-Fürst von Hanover diejenigen Bücher, die in seiner Cammer-Bibliothec doppelt, [86] in der Vniversitäts-Bibliothec aber gar nicht anzutreffen, derselben geschencket. Die Gegend der Stadt ist überaus anmuthig, fruchtbar und Wasser-reich, und hat eine gesunde Lufft. Vormahls florirte sonderlich das Tuchmacher-Handwerck hieselbst, so daß sich an. 1475. 800. Meister daselbst befunden, welches zwar ziemlich abgenommen, doch also, daß sich nichts desto weniger die Stadt wegen der guten Gelegenheit zur Kaufmannschafft in gutem Stand befindet.
Zeiller Topograph. Brunsuic. p. 92. sqq. Reichs-Geograph. X. p. 1451 Modius Pandect. triumphat. Tom. II. L. I. p. 1. Schneider Beschreibung Sachsen-Landes p. 219. sq. Müller Abbildung der Stadt Göttingen. Dransfeld Prodrom. Monumentor. Gottingens. Gudenii Comment. epist. de Origine et Progressu Inspectionis Goettingensis, eiusdemque Ephoris, Hanover 1733. Zeit- und Geschicht-Beschreibung der Stadt Göttingen, Hanover und Göttingen 1734. in 4.