Wundfieber
Wundfieber.
„Berggeist, ich höre deine Ströme rauschen –
Gieb mir Gehör! Wir wollen Rede tauschen!
Du von der Firne mondenhellen Hängen,
Ich aus der Krankenkammer schwülen Engen!
Und lasse den geknickten Flügel hangen.
Ich ächz’ und stöhne, den gelähmten, wunden,
Gebrochnen Arm dicht an den Leib gebunden.
Zwei kurzer Wandertage süßes Träumen –
Vom Tische stießest du den freud’gen Zecher,
Entrissest mir den eisgewürzten Becher
Und rolltest mich hohnlachend durch die Klüfte
Hinunter in des Fieberlagers Grüfte.
Hast du mich leise rufend nicht gezogen?
Warst du mir lange Jahre nicht gewogen?
Und wann in deinem Reich ich mich verirrte,
Schritt nicht, wie Zufall, mir voran ein Hirte
Bergab mich – ungerufen, ungebeten?
Du bist mir gram geworden? Laß dich fragen!
Muß ich der führerlosen Fahrt entsagen?
Des hohen Irreganges mich entwöhnen?“
Im Flutensturz und in der Laue Dröhnen,
Es klang wie Droh’n und wieder klang’s wie Höhnen:
„Ein junger Wand’rer kam zu mir gefahren
Mit hast’gen Schritten und mit weh’nden Haaren.
Auf meinen schmalen Gräten umgegangen,
Und über Klüften, schwindelnd abgrundtiefen,
Aus welchen jubelnd ihn die Wogen riefen,
Ist er gewandelt auf gestürzten Föhren
Ein dumpfer Ton in meinen dumpfen Chören –
Du warst’s! Und gingst an eines Abgrunds Saume,
Unkundig der Gefahr, in wachem Traume,
Doch mir gefiel der Kühne und der Blinde,
Jetzt, lieber Herr, bist leidlich du vernünftig,
Hast Weib und Hof, bist in der Gilde zünftig,
Verlaß dich nicht auf meine Flügel künftig!“