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Titel: Wunderliche Heilige. 4. Joseph Smith und die Goldene Bibel
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aus: Die Gartenlaube, Heft 6, S. 89–91
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1869
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Wunderliche Heilige.
4.0 Joseph Smith und die Goldene Bibel.

Wenn Jemand uns sagen wollte, er habe eine taube Nuß gepflanzt und es sei daraus ein stattlicher Baum geworden, so würden wir lachen und antworten: wir leben im neunzehnten Jahrhundert, Freund, und da giebt’s keine Wunder mehr. Die Geschichte der Mormonen aber würde uns dann widerlegen; denn sie spielt mitten im besagten Jahrhundert und ist genau das Wunder vom Baum aus tauber Nuß.

Und wenn ferner uns Jemand erzählte, er habe ein Ding, halb Feuer und halb Wasser, ein Geschöpf aus Frosch und Nachtigall zusammengesetzt, einen Regenwurm mit Hirschgeweihen oder auch nur ein Gebilde, das oben Frauenzimmer und unten Fisch, gesehen, so würden wir ihm nur glauben, wenn er hinzufügte: im Traume. Die Biographie des Propheten der Mormonen aber zeigt uns in voller wohlverbürgter Wirklichkeit weit Seltsameres als solche Zwitter der Traumwelt. Sie führt uns einen Heiligen vor, der zugleich ein Hanswurst war, einen kleinen Muhammed, der, mit einem großen Barnum zusammengewachsen, nach einem Leben voll plumper Lüge und kecken Schwindels den Tod des Märtyrers starb, und der jetzt von mehr als hunderttausend Menschen, und zwar keineswegs wilden Mohren oder Rothhäuten, sondern Angehörigen der „erleuchtetsten“ Nationen, als eine Art Halbgott, nicht viel geringer als Jesus Christus, verehrt und angerufen wird.

Das wäre! sagt der verehrte Leser. Witz oder Uebertreibung? Keins von Beiden. Hören wir die Geschichte.

In den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts – so erzählen die Mormonen – lebte zu Manchester bei Palmyra im Staate New-York eine Familie Smith, die aus Vermont eingewandert war und sich durch Gottesfurcht und frommen Lebenswandel auszeichnete. Namentlich der jüngste Sohn derselben, Joseph, hielt seinen Sinn schon in früher Jugend auf himmlische Dinge gerichtet, und häufig geschah es, daß er bis tief in die Nacht hinein zum Herrn um Erleuchtung über den Weg zu seiner Seele Heil flehte. Da begab sich’s, als er sein sechszehntes Jahr erfüllt hatte, daß sein Gebet erhört wurde. In Verzückung gefallen, sah er am Himmel ein glorreiches Licht, welches sich allmählich auf die Stelle im Walde herabsenkte, wo er kniete, und aus dem ihm zwei strahlende Engel entgegentraten. Dieselben verkündeten ihm, daß das gesammte Christenthum in Verderbniß versunken und deshalb von Gott des Priesterthums entkleidet worden sei, daß er, Joseph Smith, aber vor dem großen Jehova Wohlgefallen gefunden und Vergebung seiner Sünden gewonnen habe und daß er den Auftrag erhalten solle, das Priesterthum auf Erden wiederherzustellen und eine Kirche wahrer Gläubigen zu gründen zum Empfange des Herrn, dessen tausendjähriges Reich nahe sei.

Etwas später, am 23. September 1823, hatte er ein zweites Gesicht. Als er einsam auf dem Felde war, erschien ihm „eine überaus liebliche, unschuldige und herrliche Gestalt“, die ihm eröffnete, daß er zunächst berufen, ein in uralter Zeit verfaßtes heiliges Buch, welches die Offenbarungen Gottes in Amerika enthalte und von einem indianischen Propheten in der Nachbarschaft seines Wohnortes vergraben worden sei, wiederzufinden und zu veröffentlichen. Am nächsten Morgen nach dem Gipfel eines Hügels zwischen Palmyra und Canandaiqua geführt und angewiesen nachzugraben, fand er wirklich eine Steinkiste, aber der Versuch, sie zu öffnen, mißglückte wiederholt. Jedesmal schlug ihm ein Unsichtbares auf die Hand. Auf sein inbrünstiges Gebet um Erklärung dieses Räthsels empfing er die Antwort: der Schatz bleibe ihm vorenthalten, weil er, auf dem Wege vom Teufel überredet, sich vorgenommen habe, den Inhalt der Kiste zur Förderung seiner zeitlichen Angelegenheiten zu mißbrauchen. Wenn er sich bessere, solle er die Erlaubniß bekommen, die heilige Urkunde von hier abzuholen. Uebrigens solle er inzwischen Koptisch studiren, um sie entziffern zu können. Zu gleicher Zeit aber wurden ihm die Augen aufgethan, und „siehe, da stand vor ihm, der ihm jene bösen Gedanken eingegeben, der Fürst der Finsterniß, umgeben von seinen unzähligen Gesellen“.

Vier Jahre lang befleißigte sich Joseph nun eines Gott wohlgefälligen Wandels und strebte eifrig der Wahrheit nach, wobei ihm der Engel zur Hand ging. Endlich, am 22. September 1827 eröffnete dieser ihm die Steinkiste, zeigte ihm den Inhalt, der in dem Schwerte Laban’s, einem Brustharnisch, einer Prophetenbrille, Urim und Thummim genannt, und einer Anzahl von Täfelchen mit fremdartigen Schriftzeichen bestand, und gestattete ihm, einen Theil dieses Schatzes mit heim zu nehmen. Das Schwert, in der Zeit König Zedekia’s aus Jerusalem nach Amerika gelangt, war vom feinsten Stahl und hatte einen goldenen Griff. Die Brille zeigte die Gestalt eines kleinen Bogens, in dessen Oesen zwei durchsichtige Steine eingesetzt waren, und man konnte mit ihr Sprachen, die man nicht verstand, sowie in der Vergangenheit und Zukunft lesen. Die Tafeln, die wie Gold aussahen, waren „mit ägyptischen Hieroglyphen bedeckt und durch drei an der einen Seite hindurchgehende Ringe zu einem Bande zusammengehalten“. Einen Theil derselben verschloß ein Siegel.

Als der Engel sich entfernte, blickte Joseph noch einmal in das Behältniß. Da nahm er eine ungeheure Kröte wahr, die sofort heraussprang und sich in den Satan verwandelte. Derselbe sah den Propheten eine Weile starr an, dann fuhr er auf ihn los, versetzte ihm einen fürchterlichen Schlag und entriß ihm die heiligen Platten. Jener aber griff ihn, beherzt und durch übernatürliche Kraft gestärkt, an und rang mit ihm, bis er ihm den Schatz wieder abgerungen hatte, worauf er sich schleunigst entfernte. Zwar eilte ihm der böse Feind nach und verabreichte ihm noch einen Stoß, daß er hoch emporflog, die Platten dagegen vermochte er ihm nicht wieder zu rauben. Wohl aber erhoben sich jetzt andere Gegner.

Als die Nachricht von dem Funde sich in der Nachbarschaft von Manchester verbreitete, erlitt die Familie Smith von dem gottlosen Volke schwere Anfechtung. Man stellte die Sache höhnend als Betrug dar. Pöbelrotten bestürmten das Haus des Propheten und schossen ihm in die Fenster. Mehrmals wurden Versuche gemacht, ihm die kostbaren Platten zu entreißen. „Da er nun stets in Gefahr war,“ so erzählt der Mormonenapostel Pratt, „von einer Bande verworfenen Gesindels ermordet zu werden, so entschloß er sich endlich, den Ort zu verlassen und nach Pennsylvanien auszuwandern, wo sein Schwiegervater wohnte.

Er packte also seine Sachen ein, verbarg die Platten in einem Faß mit Bohnen und trat die Reise an. Noch war er indeß nicht weit gekommen, als ihn ein Gerichtsdiener mit dem Befehl, sein Gepäck zu untersuchen und die Platten in Beschlag zu nehmen, einholte. Aber wie sorgfältig er auch nachsah, dieselben waren nicht zu entdecken.

Smith zog nun weiter. Ehe er jedoch sein Ziel erreicht hatte, hielt ihn ein zweiter Beamter mit einem ähnlichen Auftrag an, war aber ebensowenig im Stande, das Gesuchte zu finden, und so langte der Prophet endlich bei seinem Schwiegervater am Susquehanna an.“

Hier übertrug er mit Hülfe der Urim und Thummim und eines Schreibers, Namens Cowdery, den unversiegelten Theil des Urkundenbuchs in’s Englische, und diese Uebersetzung erschien 1830, ein Jahr nach ihrer Vollendung, unter dem Titel: „Die goldene Bibel“, der später in „Das Buch Mormons“ verwandelt wurde, in Newyork im Druck.

So die Ueberlieferung der Mormonen. Anders die profane Geschichte, die Folgendes berichtet:

In den zwanziger Jahren lebte zu Manchester bei Palmyra eine Yankeefamilie Smith, deren Glieder sämmtlich im Rufe von leichtsinnigen Tagedieben und lügenhaften Taugenichtsen standen. Namentlich der jüngste Sohn, Joseph, hielt seinen Sinn schon in früher Jugend auf allerlei Schwindel und Nichtsnutzigkeit gerichtet. Statt zu lernen, trieb er als Knabe Possen. Statt zu arbeiten, streifte er als junger Mann lieber in der Gegend umher, um Schätze zu suchen, wobei er sich bisweilen einer Wünschelruthe oder eines Siebes, gewöhnlich aber eines von ihm beim Graben eines Brunnens gefundenen durchsichtigen Kiesels bediente, den er am Hute trug und der ein „Seherstein“ sein sollte. Er war ein Bursch von stattlicher Figur und angenehmen Zügen, der mit [090] viel natürlichem Verstand ein gewisses einnehmendes Wesen und eine gewisse Beredsamkeit verband und mit dreister Anwendung dieser Eigenschaften manchen Einfältigen täuschte. In der Regel ließ er sich von denen, welchen er einen Schatz zu heben versprach, ein schwarzes Schaf liefern, das er alsdann unter Beschwörungsformeln schlachtete. Das Blut wurde den Geistern geopfert, das Fleisch und das Fell behielt er für sich. Spötter sagten deshalb, sein Schatzgraben habe zwar kein Gold und Silber, aber viel Hammelfleisch gebracht. Im Jahre 1825 entführte er dem Farmer Hale zu Harmony in Pennsylvanien, der ihn gastfreundlich aufgenommen, seine Tochter und ließ sich heimlich mit ihr trauen. Um dieselbe Zeit schwatzte er einem gewissen Lawrence unter dem Vorwand, er habe am Susquehanna eine reiche Silberader entdeckt, eine Summe Geldes ab. 1826 betrog er in ähnlicher Weise einen Deutschen, Namens Stowell, indem er in einer Höhle bei Manchester einen ungeheuren Goldklumpen wissen wollte.

Mit der „Goldenen Bibel“ aber, die Smith, von Engelshand geleitet, in jenem Hügel bei Palmyra (die Mormonen nennen ihn Cumorah) gefunden haben soll, verhielt sich’s folgendermaßen.

In den Jahren 1809–1812 hatte der Eisenwerksbesitzer Spaulding zu Conneauct in Nordohio in seinen Mußestunden eine Art historischen Roman verfaßt, den er „Die entdeckte Handschrift“ nannte und in welchem er die Ansicht durchgeführt hatte, daß die Ureinwohner des westlichen Continents Nachkommen der Kinder Israel seien. Dieses Buch bot er später dem Drucker Lambdin in Pittsburg zum Verlag an, und derselbe behielt es mehrere Jahre in Verwahrung und betrachtete es, als Spaulding 1816 starb, als sein Eigenthum. In dieser Eigenschaft gedachte er es, als er mit seiner Druckerei Bankerott gemacht, zu einer Speculation, die ihm wieder aufhelfen sollte, zu verwenden, denn es war trotz vieler Mängel im Stil immerhin ein Werk, welches Aufsehen erregen mußte. So übergab er es zur Feilung einem Bekannten, dem ehemaligen Setzer Sidney Rigdon, der in der Mitte der zwanziger Jahre zu Pittsburg als Prediger der Disciples, einer Wiedertäufersecte, wirkte. Der Tod Lambdin’s machte Rigdon zum alleinigen Besitzer des Geheimnisses, und ohne Verzug ging er an die Ausbeutung desselben. Zunächst prägte er den Roman in eine Bibel um. Dann traf er Vorbereitungen, um das Buch vom Glanz des Wunderbaren umgeben erscheinen zu lassen. Zu diesem Zweck setzte er sich heimlich mit dem damals auch in der Gegend von Pittsburg bekannt gewordenen Schatzgräber Joseph Smith in Verbindung, auf den die zu jener Zeit sich verbreitende Nachricht, in Canada sei ein altes Buch auf goldenen Tafeln ausgegraben worden, hinwies und der, wenn man ihn den Fund thun ließ, den Verdacht von Rigdon ablenken mußte. Sodann aber zog der Anfertiger der Indianerbibel von seinem bisherigen Aufenthaltsorte weg nach dem Städtchen Mentor im nördlichen Ohio, um sich dort eine Gemeinde zu gründen, der er hierauf ähnliche Dinge von der Verderbtheit des gesammten Christenthums, von der nothwendigen Erneuerung des Priesterthums und von der nahebevorstehenden Wiederkunft Christi vortrug wie die, welche der Engel seinem Gehülfen Smith verkündet hatte.

Soweit war Alles nicht ungeschickt eingefädelt. Nur fehlte es den beiden Schwindlern noch an den Mitteln zur Veröffentlichung des angeblichen Fundes durch den Druck. Indeß wußte Smith hier bald Rath zu schaffen, indem er sich an den Farmer Martin Harris, einen leichtgläubigen Tropf, der schon verschiedenen Secten angehört, mit dem Vorgeben machte, Gott habe ihm offenbart, er, Harris, werde ihm fünfzig Dollars zur Herausgabe der Goldenen Bibel vorstrecken. Harris war bereit dazu, und als die verlangte Summe natürlich nicht genügte, so gab er nach und nach gegen dritthalbtausend Dollars her, obwohl er dabei lebhaftem Widerstand von Seiten seiner Frau begegnete.

Nun ging man an’s Werk. Da Smith damals im Schreiben wenig bewandert war, so dictirte er seine Uebersetzung des Textes auf den Goldplatten oder, wie wir uns jetzt ausdrücken müssen, das ihm von Rigdon gelieferte Manuscript, erst diesem Harris, dann dem oben erwähnten Cowdery, der seines Zeichens ein verdorbener Schulmeister war. Weshalb der Prophet dabei hinter einem Vorhang saß, bedarf keiner Erklärung, und wenn er sich bei der Entzifferung der angeblichen Urkunde – es war nach den Mormonen „Neuägyptisch“ – die Prophetenbrille vor die Augen hielt, so werden die Leser ebenfalls nicht im Zweifel sein, was er damit beabsichtigte.

Daß etwas der Art, wie die oben beschriebenen Platten, existirt haben, ist nicht glaublich. Zwar sind der Ausgabe des Buchs Mormons, die mir vorliegt, zwei Documente vorausgeschickt, in denen elf Zeugen erklären, dieselben gesehen und in Händen gehabt zu haben. Aber diese Zeugen gehören, mit Ausnahme von Zweien, sämmtlich der Familie des Propheten und der ihres Nachbars Whitmer an, der 1838 von der Secte als Lügner, Dieb und Falschmünzer denuncirt wurde. Ein andrer Zeuge ist der wiederholt erwähnte Amanuensis Smith’s, Oliver Cowdery, später gleichfalls aller denkbaren Schlechtigkeiten angeklagt. Der letzte endlich, jener Harris, scheint ziemlich unklare Begriffe von der Bedeutung eines Zeugnisses gehegt zu haben, indem er einerseits durch Namensunterschrift erklärte, jene goldartigen Täfelchen gesehen und betastet zu haben, andrerseits aber dem Professor Anthon in Neuyork versicherte, Bruder Joseph habe sich geweigert, ihm dieselben zu zeigen, da „er nicht hinreichend rein von Herzen sei“.

Eine Probe der Schrift auf den Platten, die Harris dem Professor auf einem Blatt Papier brachte, bezeichnete dieser als einen Mischmasch alterthümlicher Alphabete und Phantasiebuchstaben. „Es war,“ so sagt er in seinem Gutachten, „augenscheinlich von Jemand angefertigt, der (man erinnere sich hier, daß Sidney Rigdon ursprünglich Buchdruckergehülfe gewesen) vor sich ein Buch mit verschiedenen Schriftgattungen hatte.“0 „Lateinische, griechische und hebräische Buchstaben, Kreuze und Schwänzchen, auf den Kopf gestellt oder umgelegt, waren in senkrechte Säulen geordnet, und das Ganze endigte mit der Figur eines Kreises, der in mehrere Felder geschieden, mit zahlreichen seltsamen Zeichen ausgefüllt und – zweifelsohne nach dem von Humboldt mitgetheilten mexicanischen Kalender copirt war.“

Das Buch Mormons, welches rasch fünf starke Auflagen erlebte und jetzt in englischer, französischer, walisischer, italienischer, spanischer, dänischer und deutscher Sprache zu haben ist, ist ein starker Band, der ungefähr so viel Stoff enthält wie das Alte Testament ohne die Apokryphen. Es zerfällt in die Bücher Nephi 1 und 2, Jacob, Enos, Jarom, Omni, Mosiah, Alma, Helaman, Nephi des Jüngeren, Mormon, Ether und Moroni. Der Inhalt hat nicht das Mindeste mit der geschichtlichen Wahrheit zu thun, ja er verstößt fast durchgehends gegen die Möglichkeit. Die Form ist mit ihrem unaufhörlichen „Und es begab sich, daß“ eine ungeschickte Nachahmung des biblischen Stils. Das Ganze ist durchgehends langweilig, trocken, eintönig und für Nichtmormonen ungenießbar. So unterlasse ich’s, eine Probe davon zu geben, und begnüge mich mit einer kurzen Uebersicht über den Inhalt.

Um das Jahr 600 v. Chr. wurde eine jüdische Familie vom Stamm Josephs, der fromme Lehi mit seinem Weibe Sariah und seinen vier Söhnen Laman, Lemuel, Sam und Nephi, von Jerusalem, wo damals der König Zedekia herrschte, zuerst an die Ostküste des Rothen Meeres, dann durch Asien an die See Irrkantum und zuletzt über das Meer nach der Westküste Südamerika’s geleitet, und elf Jahre später brach ein anderer Zug israelitischer Auswanderer, stärker als der frühere und meist aus Angehörigen vom Stamm Juda bestehend, gleichfalls nach dem großen Festlande jenseits des Stillen Oceans auf. Sie landeten in Nordamerika, begaben sich indeß später nach der Gegend der Landenge von Panama, wo man sie nach ihrer Hauptstadt die Leute von Zarahemla nannte und wo sie nach Verlauf von etwa vierhundert Jahren von dem einen Theile der Frühergekommenen entdeckt wurden und mit ihnen zu einem Volke verschmolzen.

Die Nachkommen Lehi’s nämlich schieden sich einige Zeit nach ihrer Ankunft auf amerikanischem Boden in zwei Stämme, indem einige von ihnen die übrigen wegen ihrer Gottesfurcht anfeindeten und verfolgten. Diese Frommen, die sich nach dem sie führenden Propheten Nephiten nannten, wanderten nach Centralamerika und von da nach dem Norden aus, während jene Gottlosen, nach ihrem Feldherrn Lamaniten geheißen, im Süden zurückblieben. Der Fluch Gottes verwandelte später ihre weiße Farbe in ein schmutziges Roth, dagegen ruhte der Segen des Himmels auf den Nephiten und führte sie zu Gedeihen und Ausbreitung.

Nachmals wichen jedoch auch sie von den Wegen des Herrn, verfielen in Sünden und tödteten die Propheten, die sie davon abmahnten. Da ergrimmte der große Jehova über sie und suchte sie mit harten Strafen heim. Finsterniß sank auf die Erde herab, ein grauenvolles Erdbeben wüthete von [091] einem Meeresstrande bis zum andern, Berge sanken zu Thälern ein, Thäler schwollen zu Bergen auf, Seen flutheten an der Stelle verschlungener Ortschaften, und der größte Theil der Nephiten und Lamaniten wurde vernichtet. Die aber, welche diese furchtbare Katastrophe überlebten, wurden mit einer persönlichen Erscheinung Christi, der kurz vorher zu Jerusalem gekreuzigt worden und gen Himmel gefahreu war, begnadigt. Er zeigte ihnen Seitenwunde und Nägelmale, predigte ihnen das Evangelium, setzte die Sacramente ein, heilte Lahme und Blinde, erweckte einen Todten und machte dem Volke alle Dinge bis an das Ende der Tage bekannt.

Nachdem der Erlöser sein Werk in Amerika vollendet, stieg er wieder in den Himmel. Die zwölf Jünger aber, die er gewählt, zogen durch das Land, verkündeten überall die frohe Botschaft, thaten Wunder und bekehrten nicht nur alle bis dahin dem Gesetz Mosis unterthanen Nephiten, sondern auch viele Lamaniten. Der dadurch hervorgerufene gottselige Zustand des amerikanischen Volkes erhielt sich länger als dreihundert Jahre in seiner Reinheit.

Allmählich jedoch rissen wieder Unglauben und Ungerechtigkeit ein, und gegen das Ende des vierten Jahrhunderts der christlichen Zeitrechnung hatte die Ruchlosigkeit einen solchen Grad erreicht, daß die Langmuth des Herrn sich in strafenden Zorn verwandelte. Ein schrecklicher Krieg brach zwischen den Lamaniten im Süden und den jetzt nur noch in Nordamerika wohnenden Nephiten aus, und dessen Ausgang war die fast gänzliche Vertilgung der letzteren auf dem Berge Cumorah, wo sich der Rest der Nation in einem meilenlangen Lager verschanzt hatte. Die Wahlstatt dieser ungeheuren Schlacht, welche im Jahre 384 n. Chr. stattfand, war mit nicht weniger als 230,000 Leichen bedeckt.

Unter den Ueberlebenden befanden sich der Prophet Mormon und dessen Sohn Moroni, von denen jener einen Auszug aus den Ueberlieferungen seiner Vorväter gemacht hatte, den er vor seinem Tode dem Sohne zur Vollendung übergab, während jene Traditionen von ihm auf Gottes Geheiß im Berge Cumorah verborgen wurden. Moroni führte die Chronik seines Vaters noch etwa vierzig Jahre fort, und wir erfahren von ihm, daß die unversöhnlichen Lamaniten die wenigen von den Kindern Nephi, welche jener Vertilgungsschlacht entronnen waren, so lange verfolgten, bis das ganze Geschlecht, ihn ausgenommen, vernichtet war. Er berichtet ferner, daß die Lamaniten nach Ausrottung ihrer Gegner unter sich selbst in Streit geriethen und daß ganz Amerika lange Zeit nichts als ein großer Schauplatz von Gewaltthat, Raub und Blutvergießen war. Er schließt endlich seine Geschichte im Jahre 424 nach Christi Geburt, um die Platten, auf die sie geschrieben, ebenfalls in den heiligen Berg zu vergraben.