Winterwohnung und Winterschlaf in unserer höheren Tierwelt

Textdaten
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Autor: Friedrich Arnold
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Titel: Winterwohnung und Winterschlaf in unserer höheren Tierwelt
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 27, S. 860, 862–864
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1899
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Winterwohnung und Winterschlaf in unserer höheren Tierwelt.

Von Friedrich Arnold.

Der rauhe Winter ist ein grimmiger Feind alles Lebens. Viele Tiere suchen ihm darum zu entfliehen; die einen, wie namentlich die Zugvögel, verändern ihre Wohnplätze, andere wieder verfallen während der Winterszeit in einen lethargischen, dem tiefen Schlafe ähnlichen Zustand. Die Schnecken, die meisten Insekten, die Kriechtiere und Lurche halten den Winterschlaf, aber auch unter den höher organisierten Säugetieren giebt es eine Anzahl von Arten, die auf diese Weise in oft kunstvoll gebauten „Wohnungen“ den Gefahren der rauhen Jahreszeit auszuweichen suchen.

Das Treiben dieser Geschöpfe zählt zu den seltsamsten und anziehendsten Abschnitten des Tierlebens, und eine kurze Uebersicht der wichtigsten Vertreter der Winterschläfer in der Heimat wird wohl vielen Tierfreunden unter unseren Lesern willkommen sein.

Zunächst wollen wir die Centralalpen Europas aufsuchen, um einen der längsten und tiefsten Winterschläfer kennenzulernen.

Das Alpenmurmeltier, mit der Schneemaus der letzte Vertreter höheren animalischen Lebens in der Eis- und Schneeregion. hält in unserer Tierwelt den längsten und starrsten Winterschlaf: acht Monate hindurch. Es muß großen Fleiß gegen Ende der kurzen, fröhlichen Sommerzeit anwenden, um sich seine Winterwohnung zu bauen. Das liebenswürdige, drollige Tier hat die Größe eines starken Hasen, ist durch zwei Paar gewaltiger, vorn goldgelber Nagezähne, kräftige Grabfüße, dichte und rauhe Behaarung vortrefflich zu seiner großenteils unterirdischen Existenz ausgerüstet. Den Sommer hat es in den höchsten, einsamsten Regionen verbracht, Ende August zieht es wieder etwas tiefer und legt, immer noch hoch über der Waldgrenze, den Winterbau an. In durchgängig größeren Gesellschaften wühlen die Murmeltiere eine meist sehr lange Hauptröhre bergein. anfangs etwas abwärts, dann geradeaus, oft aber auch in Windungen zwischen Felsen und Gestein dahinführend, am Schlusse dann stets wieder etwas nach oben steigend. Diese Röhre wird kurz nach dem Eingange schon so enge, daß man kaum eine mittlere Mannesfaust durchzwängen kann. An ihrem Schlusse nun erweitert sie sich zu einem geräumigen Kessel, der Wohnung. Die ganze Grabarbeit wird sehr sauber ausgeführt, nur wenig losgewühlte Erde herausgeschafft, zum größeren Teil wird sie in dem langen Gange und einzelnen, scheinbar zwecklosen kurzen Seitengängen verteilt und festgetreten. Die Zahl dieser Seitengänge ist sehr verschieden. Stets ist einer vorhanden, und zwar kurz nach der Einfahrt. Diesem folgen manchmal 2 bis 3, manchmal 10 und mehr kürzere und längere Seitenkanäle, offenbar haben die Tiere hier zu starken Widerstand, wie z. B. Steinboden, gefunden und den Gang dann aufgegeben. Der Kessel, die Winterschlafkammer, liegt etwa 30 bis 40 cm unter dem Erdboden, manchmal auch doppelt so tief, ist gar sauber mit kurzem, trockenem Heu ausgepolstert und enthält einen Vorrat von Gras und Kräutern aufgestapelt, welchen das Murmeltier in wochenlangem, klugem Fleiße eingetragen hat und der oft so groß ist, daß ein Mann ihn nicht wegtragen kann. Selbstverständlich trägt das Murmeltier den Vorrat mit dem Maule zusammen: Plinius ist der Erfinder des lustigen Märchens, das sich bis heute erhalten hat und heute noch geglaubt wird: „die Alpenmäuse (Murmeltiere) schaffen das Futter so in ihre Wohnungen, daß sich [862] eine auf den Rücken legt, mit Heu beladen wird und dasselbe festhält, während andere sie mit den Zähnen am Schwanze packen und in den Kessel ziehen, daher sehe der Rücken so abgerieben aus.“ – Sowie nun, meist schon zu Anfang Oktober, kaltes, rauhes Wetter eintritt, fahren die Murmeltiere ein und verstopfen die Röhre mit einer richtigen Mauer von Heu, Erde und Steinen, welches Material höchstwahrscheinlich von jenem ersten Seitengang kommt, der sich in jeder Winterwohnung findet. Nun schlafen die Tierchen ein und der Schlaf geht bald in Erstarrung über. Die Temperatur im Kessel hält sich gewißlich auf + 8 bis 9° R. Wie sehr diese bewohnte Höhle Wärme ausstrahlt, beweist der Umstand, daß der erste, leichte Schnee auf dem Rasen über ihr nicht bleibt; leider verrät der große grüne Fleck inmitten der Schneedecke dem Murmeltiergräber nun sofort die Stätte seines schlummernden Wildes. – In dieser ganz behaglichen Temperatur liegen die Murmeltiere im völligen Scheintod, es ruhen die Funktionen der Verdauung und Absonderung, schwach, kaum merklich findet Atmen und Blutumlauf statt. Die Blutwärme sinkt auf nur 71/2° R.

Das Erwachen findet meist Ende April statt, bei spätem Frühlingseintritt gar erst Anfang Mai; es bedarf einer ziemlich hohen Temperatur, die Schläfer zu wecken; sie sind nicht sofort mobil, sondern die Glieder sind anfangs starr und steif, die Gehirnthätigkeit erwacht ebenfalls erst allmählich.

Aehnlich fest wie die Murmeltiere schlafen auch die Bilche oder Schlafmäuse, doch tritt jene völlige Erstarrung bei ihnen nicht ein. Der den Obstgärten und der Singvogelwelt so sehr schädliche Siebenschläfer, welcher dem nördlichen Deutschland fehlt, trägt seinen Namen mit vollem Rechte. Kleiner als unser Eichhörnchen, etwa von Rattengröße, ist der hübsche Bursche oben einfach blaugrau, mit dunklerem Ring um die Augen, unten milchweiß, der Schwanz ist wie beim Eichhorn dicht zweizeilig bebuscht. Der Siebenschläfer, gleich seinen Verwandten durchaus Nachttier, ist aus diesem Grunde wenig bekannt; seine gewaltigen Räubereien in den Obstgärten, in den Vorratskammern der Häuser werden meist harmloseren Dieben zugeschrieben, er selbst wird zu wenig verfolgt. Wie häufig habe ich Mäuse, allerlei Vögel, sogar Nachbarsleute und Kinder des frechen nächtlichen Obstdiebstahles verdächtigen hören, während am Boden unter den Obstbäumen die unverkennbaren Zeichen von des Siebenschläfers oder der nahe verwandten Großen Haselmaus Anwesenheit lagen: am Stiele angefressenes und durch Zerbeißen des Stieles vom Baume geworfenes Obst, das auf den benagten Flächen die Doppelfurchen der Nagezähne des Frevlers zeigte. Um ihm das Handwerk zu legen, muß man sich in den Mondnächten mit der Flinte unter dem fruchtreichsten der heimgesuchten Obstbäume regungslos aufstellen, die kleinen Körper der Bilche heben sich scharf von den Aesten ab und lassen sich leicht herunterschießen. Das Heim schlägt der Siebenschläfer in dichten Eichen- und Buchenwäldern mit viel Unterholz auf. In einem hohlen Baume oder im Gestein richtet er seine Vorratskammer ein; zuweilen wählt er auch eine dem Walde nahe gelegene Scheune oder den Dachboden eines Bauernhauses. Ohne alle Kunstfertigkeit legt er an diesen Orten auch die Winterwohnung an, in welcher er sich ein Bett aus weichem Moose zurecht macht. Er hat nicht viel Zeit hierzu, denn die Aufgabe, sich zu mästen, bis er in Fett strotzt, nimmt ihn ganz in Anspruch. Ebenso schnell fertig ist er mit der Wiege seiner Jungen, zu welcher er mit Vorliebe ein großes verlassenes Vogelnest wählt, das er aber stets bis auf das Einschlupfloch überdeckt. Die 4 bis 6 Jungen werden in der ersten Hälfte des Juni geboren. Schon Anfang Oktober beginnt der Winterschlaf, der bis April währt. Im Gegensatz zu dem Murmeltier fällt der Siebenschläfer nicht in völlige Erstarrung, erwacht bei mildem Wetter häufig stundenweise und knabbert dann an seinen Vorräten. Gleich dem Murmeltier aber liebt er es, in Gesellschaft den Winterschlaf zu verbringen.

Im streitsüchtigen, beutegierigen und naschhaften Wesen ihm ganz gleich, in der Gestalt ähnlich, doch etwas kleiner, ist die Große Haselmaus, auch Gartenschläfer genannt. Sie ist oberhalb rötlichbraungrau, unten weiß; von der Oberlippe um die Augen, unter den Ohren bis an die Halsseiten zieht sich ein schwarzer Streifen, vor und hinter den Ohren steht ein weißer, an der Schulter ein schwarzer Fleck. Der buschige Schwanz ist oben rötlich und schwarz, unten weiß. Bei aller Gleichheit der Lebensweise ist die Große Haselmaus viel gewandter als der etwas plumpe Siebenschläfer, auch viel kunstfertiger im Wohnungsbau. Sie erbaut an den gleichen Orten wie der Siebenschläfer ihr Winternest, doch stellt sie dasselbe in der Form einer nur unten abgeplatteten Kugel recht sauber aus Moos, Reiserchen und Würzelchen, Eichen- und Buchenlaub her, polstert es darauf innen weich und tief mit Tierwolle aus. Größere Gesellschaften liebt sie offenbar nicht, meist scheint sie paarweise zu überwintern.

Ganz im Gegensatze zu diesen schädlichen, höchst unliebenswürdigen Bilchen lernen wir eine dritte Schlafmaus in Gestalt der allerliebsten, harmlosen, zutraulichen Kleinen Haselmaus kennen, die merklich kleiner als unsere Hausmaus ist. Von ihrem Sündenregister ist in erster Reihe der Mord junger Singvögel und Eierdiebstahl zu streichen, sie läßt sich beides nicht zu Schulden kommen; ihre Diebereien im Obstgarten sind geringfügiger Natur, nur bei zahlreichem Auftreten kann sie dort empfindlich schaden; ihr nächtliches, fröhliches Leben verbringt sie größtenteils im dichten Haselgebüsch. Hier allerdings haust sie unter den Nüssen, als wären diese nur für die kleinen Haselmäuschen geschaffen. Von Nüssen, wie von Eicheln, sammelt sie auch einen Wintervorrat, versteckt ihn unter dürrem Laub, in Gestein, Erdlöchern. Jedes Mäuschen für sich allein baut sich dann in der Nähe dieses Vorrats, sowie des Oktobers rauhe Tage kommen, ein sehr hübsches Winternest. Das Nestchen hat höchstens 10 cm im Durchmesser, liegt in einer muldenförmigen Erdvertiefung und ist kugelrund, ungemein sauber, nett und zierlich ausgearbeitet. Bandgras, feinzerschlitzte Bastschnüre von weichen Hölzern, fest verkittet mit dem Speichel des Tierchens, halten die Kugel aus Laub, Moos und Tierhaaren zusammen, in welcher gar warm, selbst zu einer kaum 3 cm starken Kugel zusammengeballt, das Mäuschen liegt. Wiederum zeigt dieser Winterschlaf merkwürdige Abweichungen. Obschon das kleine Geschöpf sehr tief schläft und sicher nur in den seltensten Fällen erwacht, hört es doch alles und giebt dies – im tiefsten Schlafe, scheinbar erstarrt – durch sehr wohl vernehmbares Pfeifen kund. Dieses Pfeifen verrät sogar oft den winzigen Schläfer. Setzen wir die schlafende Maus einer Kälte unter 0 Grad aus, vor welcher sie naturgemäß in ihrem warmen Neste geschützt ist, so erwacht sie und frißt sofort; steigern wir die Kälte, so stirbt das Tier. Am allerruhigsten, in 30 Minuten etwa vierzigmal, atmet es bei 12° C. Wärme, dies scheint also die normale Temperatur im Neste zu sein. Bei 18° C. Wärme erwacht das Mäuschen, wird munter, sogar lustig, legt sich aber nach einigen Stunden auf lange Zeit wieder schlafen, doch ist der Schlaf jetzt leise; er vertieft sich, sowie die Wärme sinkt. Den Sonnenstrahlen ausgesetzt, verfällt die schlafende Maus bald in nervöses Zittern, dann bietet sie ihnen, ohne zu erwachen, den Rücken und schläft weiter. Auch im tiefsten Schlafe ist das Empfindungsvermögen, das Schmerzgefühl rege, schon auf Nadelstiche hin äußert sich dasselbe durch Knurren und Zucken.

Eine große Anzahl Sagen, Schwänke, Vorurteile, kräftigstes Jägerlatein knüpfen sich an einen der größten Winterschläfer in der deutschen Tierwelt, an den Dachs. Und dieser Märchenkranz hat sein naturgeschichtliches Bild sehr getrübt. Grimmbart ist wirklich ein „verkannter Freund“; der starke Geselle, einem kräftigen mittleren Hunde an Größe gleich, nährt sich nahezu ausschließlich von Engerlingen, Regenwürmern, Schnecken, gräbt die Hummel- und Wespennester aus, um zu deren larvenreichen Waben zu gelangen, fängt Wald- und Feldmäuse in sehr großer Zahl. Schädlich könnte er nur zur Herbstzeit in Weinbergen werden, da er die reifen Trauben über alles liebt. Vogelnester an der Erde raubt er ohne Zweifel aus, doch nur im Vorübergehen; sicher sucht er nicht nach ihnen. Für diese wenig lohnende Suche ist er zu bequem; höchstens in zahlreichen Rebhühnerbeständen könnte er größeren Schaden anrichten, doch das Rebhuhn liebt die Ebene, der Dachs meidet sie, so kommen sie schwerlich sich zu nahe. Dagegen frißt er im Vorübergehen auch jede Schlange, insbesondere die Kreuzotter; im äußersten Notfalle sucht er Wurzeln. Zu den Märchen gehört, daß er in Waldsaaten Schaden anrichte: der Dachs sucht dort nicht Eicheln und nicht Bucheln, ganz gewiß niemals Fichtensamen; was er [863] nächtlicherweile in der Waldsaat jagt, das sind Würmer, Engerlinge und Mäuse. Jägerlatein ist, daß der Dachs mit seiner Schnauze die Regenwürmer aus der Erde steche, er gräbt sie natürlich mit den scharfen, langen Nägeln der Vorderpfoten aus der Erde, sowie sein scharfer Geruchssinn sie und anderes Gewürm, insbesondere Engerlinge, entdeckt. Im Herbste sammelt der Dachs auch einen nicht sehr großen Vorrat abgefallenen Obstes in seine unterirdische Burg, in die er gewaltige Haufen dürren Laubes für ein möglichst behagliches Ruhebett trägt. Während uns nun Grimmbart in seinem – meist nächtlichen – Lebenswandel den Eindruck eines herzlich stumpfsinnigen, mürrischen, dabei sehr faulen Gesellen macht, ändert sich dies Bild völlig, betrachten wir die Glanzleistung seines Daseins, seine Burg. Mit Ausnahme der sehr kurzen Liebeszeit, die bei jüngeren Dachsen Ende Juli, Anfang August, bei alten Dachsen in den Oktober, niemals später, fällt, lebt der Dachs als Einsiedler.

Das Gebirge, wie das waldbesetzte Hügelland, wo felsige Halden mit zerklüftetem Gestein ihm anziehende Punkte sind, bilden des Dachses Heimat. Dort treibt er, an möglichst wenig gestörten Orten, seinen Bau gewöhnlich 2 bis 3, aber auch 6 bis 8 m weit in die Tiefe. Vorsicht und Tapferkeit sind des Dachses Tugenden, in der Anlage seiner Burg waltet nur die erste. Er kann nicht genug Röhren haben, die in die Tiefe und aus derselben führen, damit ihm ein sicherer, unbemerkter Rückzug aus seiner Burg gewährt sei. Die Röhren führt er auch noch sehr gewunden und verzweigt, um dem Feinde das Eindringen zu erschweren. Außer diesen Einfahrtsröhren legt der Dachs auch noch einen Luftschacht, in sehr großen Bauen deren mehrere, in Gestalt einer engen, senkrechten Röhre an. Der Kessel selbst, „die Burg“, ist sehr geräumig, glatt und sauber ausgearbeitet und weist einen thatsächlichen – Abtritt, ein eigens hierzu gegrabenes Nebenkabinett, auf. Wo viele Dachse sind, entsteht Bau um Bau, die sämtlich durch eigene Röhren miteinander verbunden sind und mit ihren vielen Haupt- und Nebengängen ein unterirdisches Straßennetz bilden. Die als feinsinnige Beobachter des Tierlebens wohl bekannten Gebrüder Müller, denen die älteren Jahrgänge der „Gartenlaube“ so manchen wertvollen Beitrag verdanken, haben den Dachs des öfteren bei seinem Grabgeschäfte beobachtet, sie schreiben darüber: „Er gräbt die Erde kreuzweise mit seinen stark nägeligen Pfoten, mit welchen er, so lange er noch oberflächlich arbeitet, die losgekratzte Erde erst mit den Vorder-, sodann mit den Hinterläufen hinter sich schleudert. Mehr in die Tiefe gedrungen mit der Anlage der Röhre, schiebt er mit seinem breiten Hinterteile den angehäuften Schutt der Röhre rückwärts hinaus. Besondere Mühe und Arbeit verwendet er auf Formgebung und Ausstattung des Kessels. Zur Anlage desselben kommt er beim Graben einer neuen Burg erst nach Wochen. Die durch Graben, Schaufeln und Glätten gehörig ausgeweitete Stelle versieht er im Spätherbste mit einer Auspolsterung von Laub, Moos, Gras und Farrenkräutern, welche Stoffe wir ihn auf die umständlichste und oft possierlichste Weise in den Bau schaffen sahen. Er bringt auf ebenem Terrain gewöhnlich dieses Material mit den Vorderpfoten unter Bauch und Hinterläufe, schreitet so beladen rückwärts nach der ersten Röhre, dreht sich dann um und schiebt die Ladung mit dem Vorderteile vor sich den Bau bis zum Kessel hinunter. An abhängigem Boden verfährt er anders, indem er das vorher zusammengescharrte Laub zwischen die armartig zusammengehaltenen Läufe bringt und damit rücklings nach einer Röhre des Baues rutscht.“

Ist auch diese Arbeit vollendet, so ist der Dachs „eingemoost“, wie der Weidmann sagt; nun braucht nur des Winters Strenge einzusetzen, so verfällt auch der Dachs in Winterschlaf. Er liegt, zusammengerollt, auf der Stirn, den Sohlen und den Fersen seiner Hinterläufe. In strengen Wintern schläft er vom November bis zum Februar, braucht dann keine oder nur wenig Nahrung, die er bei kurzem Erwachen dem aufgestapelten Obstvorrate entnimmt. In milden Wintern unterbricht er seinen Schlaf sehr oft, insbesondere um zu trinken; er kommt dann auch tags zum Vorschein, säuft am Bach oder an einer nahen Quelle und sucht auf nahen Wiesen nach Regenwürmern und Engerlingen. Gesättigt, schläft er wieder tagelang, um, sobald Kälte eintritt, ganz fest weiterzuschlafen.

Des Zigeuners Lieblingsbraten, der treffliche Igel, als Vertilger der Kreuzotter ein gar nützliches Geschöpf – wo diese nicht mehr vorkommt, immer noch als Verzehrer von Mäusen, Engerlingen, allerlei Würmern und Insekten recht nützlich, hat unter unserem Klima schwer zu leiden. Strenge Winter haben ihn schon örtlich ausgerottet, wenn sie früh eintraten. Denn der Igel entschließt sich erst spät zum Winterschlaf, Ende Oktober beginnt er mit der Herrichtung der Winterwohnung. Mit Vorliebe wählt er hierzu einen verlassenen Fuchsbau, die Seitenröhre einer Dachsburg, einen hohlen Baum oder ein Loch im Steingeklüfte – kann er das alles nicht finden, recht dichte Hecken. Und nun wälzt der drollige Kamerad sich auf seinem Stachelrücken im dürren Waldlaube, bis alle Stacheln mit aufgespießtem Laube gefüllt sind, und trägt diese leichte Last zu seiner Ruhestätte. Dort senkt und sträubt er den Stachelpanzer einige Male auf und nieder, und rasch hat er durch dieses Manöver sich seiner Last entledigt. Er trägt in ziemlich kurzer Zeit einen großen wirren Haufen Laub und Moos herbei. Plinius behauptete schon, daß der Igel auch auf Obst sich wälze und so dasselbe heimtrage, in den meisten Naturgeschichten finden wir diese Behauptung wiederholt. Ich habe sehr viele Igel sowohl gefangen gehalten, als auch in den Garten „verpflanzt“ und durch möglichste Verhinderung der Wiederauswanderung oft lange Zeit hier festgehalten, allein ungeachtet der reichlichsten Gelegenheit konnte ich das Anspießen des abgefallenen Obstes nie beobachten, stets fraßen es die Igel ohne weiteres. Auch habe ich in den Winterwohnungen des Igels keinerlei Vorräte entdeckt. Bei kaltem Wetter schläft er sehr fest wie die Schlafmäuse, sowie aber gelindes Wetter eintritt, auch mitten im Winter, entsteigt er seinem sehr warmen Laubbette und sucht eifrigst nach Nahrung, insbesondere nach Mäusen, die er auch ausgräbt; eine schlafende Haselmaus, welche ich Ende Januar in einem großen Obstgarten (am Starnberger See) dem munter herumschnüffelnden Igel in den Weg legte, entdeckte dieser sofort und fraß sie völlig auf. Er schläft wie der Dachs, zusammengerollt, auf der Stirn liegend. Junge Igel erfrieren sehr leicht, jeder Winter tötet viele. –

In ganz anderer Weise als unser guter, drolliger Igel sorgt sein Feind, der so sehr schädliche Hamster für des Leibes Notdurft im Winter. Dieser kurzschwänzige, plumpe Geselle, der schon so manche örtliche Hungersnot verschuldet hat, erreicht nur eine Länge von 20 bis 30 cm, speichert aber Getreidevorräte bis nahe an einen Centner auf! Der Hamster ist das denkbar unliebenswürdigste Tier, voll Bosheit, Niedertracht und Blutgier. Obschon er sich hauptsächlich an die keimende Saat, dann an zarte Pflänzchen und endlich an das Getreide hält, ist er doch Allesfresser und liebt Fleischnahrung sehr. Er fängt gewandt die Mäuse weg, plündert die Nester der Lerchen, Rebhühner, wie überhaupt aller Bodenbrüter, frißt Eidechsen, Blindschleichen, Frösche, alle Käfer, Raupen und Würmer, die ihm in den Weg kommen. Nach herzlich kurzer Liebeszeit fällt das Männchen oft über das Weibchen her und – frißt es nach scharfem Kampfe auf; dieses ist eine lieblose Mutter, sobald ihre Kleinen selbst fressen können. Es baut sich jeder Hamster sein eigenes Heim. In seine eirunde, schön geglättete, mit Stroh ausgelegte Wohnkammer unter der Erde führen zwei Einschlupfröhren: die Hauptröhre führt sanft schräg hinab, ihr entgegengesetzt liegt das Fallloch, das ziemlich tief senkrecht hinabgeht, dann wagrecht zur Wohnung führt. In dasselbe läßt sich der Hamster, insbesondere bei Gefahr, rasch hinabfallen. Mit der Wohnkammer durch eine kurze Röhre in Verbindung steht die viel größere Vorratskammer; alte Hamster legen deren zwei und drei an. Der Hamster trägt seine sprichwörtlich großen Vorräte in den Backentaschen ein, er kann in denselben bis zu 10 g Gewicht tragen. Begegnen sich zwei Hamster, so leeren sie sofort die Taschen und beginnen einen wahrhaft rasenden Kampf, denn jeder will ein bestimmtes Gebiet. Mit vollen Taschen ist er absolut wehrlos, man kann ihn dann ruhig greifen, er sucht sich aber mit den Vorderpfoten möglichst rasch der Last durch Herausstreichen zu entledigen, dann geht er zum Angriff gegen Hunde und Menschen über und beißt sie, „klein, aber teufelhäftig“, ganz gewaltig in die Beine. Von allen Feldfrüchten, die er einträgt, zerbeißt er den Keim; der Inhalt seiner Schatzkammer ist also sehr wohl als Futter noch verwendbar, dagegen für die [864] Aussaat verloren. Ende Oktober, Anfang November verstopft er seine beiden Röhren, frißt sich in der Vorratskammer bis zum Platzen voll und versinkt dann, zusammengekugelt, in den tiefsten Schlaf. Jetzt wird er ausgegraben – ein recht lohnendes Geschäft – seiner Vorräte beraubt, getötet und ihm das schmucke Fell abgezogen, das nicht ohne Wert ist. Südwestdeutschland ist von der Hamsterplage ganz verschont, dagegen haust er oft böse in der mitteldeutschen Ebene und am Rhein.

Wiederum ein sehr schädlicher Geselle, aber ein ganz besonders hübsches Tierchen ist das baumzerstörende, Vögelchen und Vogelbrut vernichtende Eichhörnchen. Wir lieben es alle, und doch muß der Naturkenner seine allzugroße Schonung bedauern; die Jäger dürften ihm schärfer aufpassen, die Herren Sonntagsschützen könnten durch seine Vertilgung sogar nützlich werden. Ein eigentlicher Winterschläfer ist das Eichhorn nicht; der Forstmann kennt die doppelfurchigen Wunden, die es spiralförmig in der Baumrinde zieht, sobald winterliche Nahrungssorge eintritt. Im Frühjahre aber ist der so elegante und gewandte Turner der allergefährlichste Plünderer aller Vogelnester. Einen je nach der Witterung mehrere Wochen, meist aber nur mehrere Tage hintereinander anhaltenden Schlaf hält das Eichhorn aber doch; es baut sich hierzu, insbesonders gern auf verlassenen Krähennestern, oft mehrere, mindestens zwei kugelige Nester, die aus Reisig, Laub und Moos völlig dicht und undurchlässig für Wasser und Schnee ausgestopft sind und während der anhaltenden Regenschauer und Schneestürme, bei Nebel und arger Kälte wohlige Zufluchtsorte bilden. In ihnen verträumt der lustige Geselle des Winters böseste Zeit, in ihnen finden sich auch Vorräte von allerlei Nüssen. Kommt dann der Frühling, wird solch ein Bau auch die Wiege der Jungen (im April und das zweite Mal im Juni).

Ohne alle Vorräte, ohne Wohnungsanlage, lediglich nur nach denkbar klügster Auswahl passender Plätze, verfallen in Höhlen, auf Kirchtürmen, mehr noch in Kellern, Gängen, in Ruinen, in tiefen Ziehbrunnen unsere Fledermausarten in Winterschlaf. Wir haben noch 18 Arten dieser uralten Tierform in Deutschland, finden aber weit mehr und sehr große Arten versteinert im Schwäbischen und Fränkischen Jura aufbewahrt. Die Fledermäuse wandern zu passenden Winterschlafstätten, je nach Verhältnissen recht bedeutende Strecken. Die meisten hängen, wie im sommerlichen Tagschlafe, so auch in der Wintererstarrung, angekrallt am Gebälk, andere aber verkriechen sich zu dem langen Schlafe. Alle sind sie fett von der reichen Insektennahrung, welche der Herbst noch bot, und zehren nun, in fast völliger Erstarrung, langsam von diesem Fette, ohne der Ernährung zu bedürfen. Wohl aber müssen sie einen bestimmten Feuchtigkeitsgrad haben, um dem Tode nicht zu verfallen. Viel zu sehr bedroht dieser die so nützlichen und so merkwürdigen Geschöpfe während des Winters. Starke Kälte räumt ganz fürchterlich unter ihnen auf. Denn sie beschleunigt den Blutumlauf, erweckt das Tier, dasselbe wechselt seinen Platz; wo Hunderte schlafen, entsteht ein verzweifeltes Flattern, viele fliegen in das Freie, eine um die andere fällt tot zu Boden. Solche Lücken schließen sich schwer, denn die Vermehrung der Fledermäuse ist sehr langsam: ein bis zwei Junge, mehr sind nicht möglich, da sie sich gleich nach der Geburt an dem Muttertiere festsaugen und dieses nun mit den Kindern herumfliegen muß. Leider verfolgt auch noch der Unverstand der Menschen sie, die an Nützlichkeit noch die Schwalben übertreffen! Wo Fledermäuse sind, da kommen die schädlichen Nachtfalter nicht auf, unter den Maikäfern wüten sie enorm. Milde Wintertage unterbrechen den Schlaf der kleineren Arten, sie fliegen aus und finden unzweifelhaft Nahrung, wohl Aas- und Mistkäfer, Fliegen und ähnliches. Die harte kleine Mopsfledermaus, ein sanftes, kluges und wirklich liebenswürdiges Geschöpfchen (Plecotus barbastellus), hält die kürzeste und am häufigsten unterbrochene Winterruhe, sie fliegt schon im Februar und verfällt selten vor Mitte November in Dauerschlaf.

Mit den Handflatterern haben wir die Zahl unserer deutschen Winterschläfer aus den Reihen der Säugetiere erschöpft.

Vielleicht findet mancher der freundlichen Leser bei einer aufmerksamen Wanderung durch den wintersstillen Wald, durch verschneite Flur und weißes Feld eine Stätte des geheimnisvoll schlummernden Lebens, die er früher nicht beachtet hätte. Gewährt ihm ihre Erforschung die gleiche hohe Freude wie mir, so fände ich darin den besten Erfolg dieser Zeilen.