Textdaten
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Autor: Joachim Ringelnatz
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Titel: Wien, Februar 1924
Untertitel:
aus: Reisebriefe eines Artisten, S. 100, 101
Herausgeber:
Auflage: 5.–9. Tausend
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1928 (EA 1927)
Verlag: Ernst Rowohlt
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Erscheinungsort: Berlin
Übersetzer:
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Originalherkunft:
Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
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[100]
WIEN, FEBRUAR 1924


Ich werde wohl in wenig Wochen
Bischof und Bürgermeister sein von dieser Stadt.
Nach dem, was man mir allwo hier versprochen
Und mit viel Küßdiehands beteuert hat.

5
Und andrerseits: nach dem, was man gehalten,

Und wie man mich empfehlend weiterwies
Und überhaupt – es drängt mich, einzuschalten:
Hier ißt und trinkt – – So denk ich mir Paris.

Ich lebe noch, obwohl die Trambahnwagen

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Links fahren und sich alles links

Ausweicht. Ich weiß dir mündlich allerdings
Auch vieles Gute über Wien zu sagen,
Für heute laß mich etwas neidisch klagen.

Denn Oper, Fasching, Tanz und Operette –

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Ich merkte, zählte … und ich kroch ins Bette.


Und wie sich unsereins hier vor den Läden weidet!
Und wie, was weiblich oder feminin
Ist, hier sich elegant tut und bekleidet –!
Ja Wien bleibt Wien.

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Ich seh die Tiere, die man abgeschossen

Um Pelz und Flirt.

[101]
Jedoch ich werde mählich was verwirrt.

Ich habe zuviel Heurigen genossen.
Und draußen wuchtet um den Stephansturm

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Schon seit acht Tagen böser Wind. –

Der müßte zehnmal stärker – stärkster Wind –
Hier all die Damherrn, Dummen oder Dämen
Jählings entkleiden, nackt wie Regenwurm. –
Wie sich die Zierigen wohl dann benähmen?!

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Ach wärst du hier, wär’ all das abgetan.

Schlagobers würd’ ich um dich häufen lassen.
Auch sah ich winkelschöne, arme Gassen
Und Kirchtürme ganz aus Filigran.