Wieder unter dem Lindenbaum
Wieder unter dem Lindenbaum!
Glück, nicht zu nennen und sagen,
Da auf der Erde lieblichstem Raum
Unsere Herzen – es ist kein Traum –
Wieder zusammenschlagen.
Halt’ ich nach bitterem Trennungsleid
Dich ja nun wieder, du herzige Maid,
Halte und küss’ dich und fass’ es doch kaum –
Wieder unter dem Lindenbaum.
„Wieder unter dem Lindenbaum!“
Sprachst du – o schwerste der Zeiten,
Da mich zum letzten dein Arm umschlang,
Trommeln dröhnten den Markt entlang,
Hörner riefen zum Streiten.
„Glück zerfließt wie der Welle Schaum,“
Klagtest du Abends beim Lindenbaum –
Fernher tönte „die Wacht am Rhein“,
Du aber saßest betrübt und allein.
Und mir, je heißer ich deiner gedacht,
Stählt’ es das Herz und die Glieder –
Beim Feuer des Lagers, auf nächtlicher Wacht,
Mitten im wilden Gewühle der Schlacht
Rief ich: Wir sehen uns wieder.
Wir sehen uns wieder, wir bleiben uns treu,
Wir küssen, wir herzen, wir kosen auf’s Neu,
Wir sehen uns wieder am Waldessaum,
Wieder unter dem Lindenbaum.
Nun denn, wir kehrten aus blutiger Schlacht
Heim in den Tagen der Rosen;
Die stehen und duften in glühender Pracht,
Das ist die Zeit wie zum Küssen gemacht,
Zum Küssen, zum Herzen, zum Kosen,
Blüthenbedeckt auch der Lindenbaum
Wiegt uns die Herzen in wonnigem Traum,
Wir können nicht froher und glücklicher sein,
Als hier versteckt und verborgen zu Zwei’n.
Aber sieht dort nicht ein Kirchlein hervor,
Thurm und geheiligter Zwinger?
Wahrlich, schon steht auch der Pfarrer am Thor,
Hebt jetzt – was soll das? – die Rechte empor,
Lächelt und droht mit dem Finger.
Ei, ei, Herr Pfarrer, was soll uns das Droh’n?
Sachte, nur sachte, wir kommen ja schon;
Ist doch für mehr als für Zweie noch Raum
Heut’ über’s Jahr unter’m Lindenbaum.