Wie ein armer Apotheker doch noch glücklich wurde

Textdaten
<<< >>>
Autor: unbekannt
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Wie ein armer Apotheker doch noch glücklich wurde
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 5, S. 47–49
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[47]

Wie ein armer Apotheker doch noch glücklich wurde.

Wahre Geschichte.

Zu Bray, einer kleinen Stadt in der Picardie, sieht man an der Vorderwand der am Marktplatz gelegenen alten Apotheke eine eigenthümliche Schilderei, welche das Haus berühmt gemacht hat und als Wahrzeichen der Stadt gilt. Das Gemälde selbst soll nachher beschrieben werden; vor der Hand genüge, daß sich daran eine sehr romantische und merkwürdige Geschichte kettet, die wir hier mittheilen.

Zu Anfang des vorigen Jahrhunderts lebte in Bray ein reicher und gelahrter Rathsherr, welcher sogar Parlamentsmitglied der Provinz war und Michel d’Aubray hieß. Sein Ehegemahl hatte ihm eine einzige Tochter geschenkt, die sie mit Hülfe ihres Beichtvaters in großer Zucht und Frömmigkeit auferzogen hatten. Aber Madelaine d’Aubray war nicht nur das sittsamste und frömmste, sie war auch das schönste und liebenswürdigste Mädchen der ganzen Stadt, und alle Männer, die über den Markt gingen, machten die Schritte kleiner, wenn sie in die Nähe des hohen steinernen Hauses kamen, welches der Familie d’Aubray seit undenklichen Zeiten gehörte, um die schöne Madelaine am Fenster zu sehen und ehrerbietig zu grüßen. Madelaine dankte aber auf eine Weise, aus der die Herren nichts für sich hoffen durften. Wenn dagegen Niemand vorüber ging, und sie sich unbeobachtet glauben durfte, dann flog ein verstohlener freundlicher Blick über den Markt hinüber nach der Apotheke, wo ihn zuweilen ein junger hübscher Mann aufzufangen so glücklich war und schüchtern erwiederte. Es war dies der Provisor des alten Apothekers d’Ortous, Namens Jacques Senac. Er stammte aus der Normandie, stand erst seit kurzer Zeit in der Apotheke, hatte sich aber das Vertrauen seines Principals bereits in einem so hohen Grade erworben, daß dieser ihm die Besorgung der Apotheke ganz übergeben hatte. Der geschickte Provisor hatte kaum seine schöne und sittsame Nachbarin gegenüber kennen gelernt, als er auch schon sterblich in sie verliebt war. An Gelegenheit, ihr seine Leidenschaft merken zu lassen, fehlte es Herrn Senac keineswegs; denn Madelaine kam fast jeden Tag in die Apotheke, welche, wie zu jener Zeit gebräuchlich war, auch mit Material- und Specerei-Waaren handelte, um für den häuslichen Bedarf kleine Einkäufe zu machen. Man wollte bemerken, daß sie nach Verlauf einiger Wochen sogar öfter in den duftenden Laden kam, als früher. Junge Mädchen, die über das sechszehnte Lebensjahr hinaus sind, haben auch zu allen Zeiten für die Gefühle, Wünsche und Hoffnungen junger Männer eine höchst merkwürdige Divinations-Gabe besessen, und die frommen und sittsamen haben davon keineswegs eine Ausnahme gemacht. Genug, die beiden jungen Leute hüben und drüben am Markte zu Bray wußten bald vortrefflich, wie sie mit einander d’ran waren. Nun war aber Jacques Senac eine der edlen, tiefinnigen nordischen Naturen, die wenig Worte machen, aber ein gewaltiges Gefühl besitzen, und jede Sache mit heiligem Ernst und Eifer angreifen und betreiben. Ein ächter Nachkomme der Normannen und das Gegentheil eines leichtfertigen Franzosen, liebte Senac die schöne Madelaine mit einer an seinem Leben zehrenden Glut und Kraft, und diese Leidenschaft wühlte sich um so tiefer in sein Herz, je weniger er sich davon äußerlich merken lassen durfte. Denn er war blutarm, von geringem Herkommen, ohne Beschützer und Freunde, ein Fremdling in dieser Stadt. In seiner Bescheidenheit dachte er auch gar nicht an die Möglichkeit, die reiche und vornehme Madelaine d’Aubray für sich gewinnen zu können; er war nur selig im Bewußtsein, ihr nicht ganz gleichgültig zu sein, wovon sie ihm nicht selten kleine rührende Beweise gab. Dabei blieb es aber auch; zu einer eigentlichen Erklärung, zu einer heimlichen Zusammenkunft und Unterredung der beiden Liebenden kam es durchaus nicht.

Zu dieser Zeit kehrte der Sohn des reichsten und angesehensten Handlungshauses der Stadt, Philipp Dubois, von Paris zurück, wo er mehre Jahre auf einem der größten Comptoire gearbeitet hatte. Es waren die Zeiten der liederlichen und abscheulichen Regentschaft des nichtswürdigen Herzogs von Orleans, jener acht Jahre, die an Sittenlosigkeit und Lascivität der carikirten Maske der frechsten Heuchelei ihres Gleichen nicht haben in der neusten Geschichte.

Der junge Dubois hatte seine Schule in Paris mit um so größerem Vortheil gemacht da der Minister, welcher denselben Namen führte, einer der verworfensten Menschen, sein Verwandter war, in dessen Hause er stets Zutritt gehabt hatte. Er kehrte als ein vollendeter Wüstling und Heuchler in das Vaterhaus zurück. Auf einem Balle erneuerte der „aimable Roué“ die Bekanntschaft der schönen Madelaine, legte ihr sogleich sein Herz zu Füßen, und traf Veranstaltung, daß sein Vater schon in den nächsten Tagen Rücksprache mit dem alten Rathsherrn wegen einer Verbindung ihrer Kinder nahm. Weder die eine, noch die andere Partei, noch sonst irgend Jemand in der kleinen, vom moralischen Pesthauche des Pariser Lebens noch nicht berührten Stadt hatte eine Ahnung von der Sittenfäulniß des durch sein angenehmes Wesen sich Allen empfehlenden Liebhabers. Es stand ihm also von Seiten der Aeltern der Jungfrau nicht nur kein Hinderniß [48] entgegen, sie hielten die eheliche Verbindung ihrer Tochter mit dem jungen Dubois sogar für ein großes Glück für sie und hatten nichts Eiligeres zu thun, als ihr Jawort zu geben. Madelaine wagte als eine gehorsame Tochter keinerlei Einwendung zu machen, obgleich ihr Herz von Stund’ an von einem unbeschreiblichen Herzweh befallen wurde. Ihre reine Seele hatte eine Ahnung von dem ihr bevorstehenden Geschick. Die feierliche Verlobung war kaum vorüber, so fühlte sie erst recht, wie theuer ihr der stille Provisor war, der von diesem Tage an nicht mehr am Fenster und an der Thüre der Apotheke gesehen wurde. Sein Schmerz war so groß und so tief wie seine Liebe, aber er wurde so wenig laut wie diese. Senac verzehrte sich in stummem Gram und widmete sich seiner Kunst mit einem Eifer und einer Beharrlichkeit, die seinen Principal in Erstaunen setzte.

Noch war kein halbes Jahr seit der Hochzeit Dubois’ und Madelaine’s verflossen, als die Letztere bereits die ganze Tiefe ihres Elends erkannt hatte. Sie verachtete ihren liederlichen Mann, der dagegen ihren Umgang sehr langweilig fand und sich in der Gesellschaft unterhaltender Frauenzimmer entschädigte. Er reisete oft in die benachbarten größeren Städte und nach Paris und bald wohnten einige Damen in Bray, die er unterhielt. Madelaine’s stiller Gram wurde täglich größer, und steigerte sich durch den Tod ihrer Aeltern, die schnell aus Herzeleid, daß sie ihre geliebte Tochter in ein solches Unglück gestürzt hatten, dahin starben. Die arme Frau weinte seit dieser Zeit schier Tag und Nacht und machte sich dadurch ihrem lebenslustigen Manne nur noch unausstehlicher. Es kam zu heftigen Scenen, und die letzte derselben hatte den tragischen Ausgang, daß Madelaine eine Fehlgeburt machte und einige Stunden darauf an Schwäche starb.

Dubois, froh, „die Betschwester“, wie er sie nannte, los zu sein und die reiche Erbschaft anzutreten – im Ehecontract hatten sich die beiden Gatten ihr Vermögen gegenseitig vermacht – ließ sie schon am Abend des folgenden Tages in dem Familiengrabgewölbe ihrer Familie, welches sich unter der Salvatorkirche am Gottesacker befand, beisetzen.

Kaum war das Leichenbegängniß vorüber, als er nichts Eiligeres zu thun hatte, als jede Spur von der Verstorbenen in seinem Hause zu vertilgen, mit der Nacht Thüren und Läden zu schließen, seine Zimmer aufzuputzen und mit Kerzenlicht freundlich erhellen und ein leckeres Mahl bereiten zu lassen. In der Dunkelheit der Nacht führte er sodann seine Pariser jungen Freundinnen in’s Haus und hielt mit ihnen ein schwelgerisches Mahl, um sich für den Zwang zu entschädigen, den er sich zeither hatte anthun müssen.

Dem Provisor Senac war Madelaine’s Schicksal nicht verborgen geblieben, und die öftere Kunde, die er von einer Zofe der unglücklichen Frau einzog, vermehrte nur sein eigenes Leid. Als er ihren schnellen Tod vernahm, wurde er zwar von ungeheurem Schmerz fast niedergeworfen, aber er dankte doch Gott für die Erlösung der armen Dulderin. In seinen Mantel gehüllt, folgte er von fern dem Leichenzuge, und hegte jetzt für sein Leben nur noch einen Wunsch: Madelaine’s liebliche Hülle noch einmal zu sehen. Seit sie verheirathet war, hatte er ihren Anblick als sündhaft vermieden. Jetzt war sie Gottes Eigenthum, und das Verlangen, seine Seele noch einmal an den theuern, milden Zügen zu weiden, so groß, daß er ihm nicht widerstehen konnte. Er versah sich daher mit Geld und ein Paar Wachskerzen und begab sich zum Sacristan der St. Salvatorkirche. Das Gold öffnete die Hand des Mannes und die Hand die Thüren der Kirche und des Grabgewölbes. Es war noch lange nicht Mitternacht, als Senac mit einer brennenden Kerze in die schauerliche Gruft hinabstieg. Ohne Furcht und Grauen – die heiligste Liebe erfüllte ja sein Herz so ganz und gar, daß kein andres Gefühl darin Platz greifen konnte – schritt er an der Reihe der aufgestellten Särge vorüber bis zu dem vor wenig Stunden hierhergebrachten und nahm den Deckel ab. Da lag sie schön wie ein Engel im weißen Brautkleide, das höchste Gut seines Lebens und Seins, für dieses Leben verloren für ihn. Die Kerze, die er neben ihr Haupt gestellt hatte, beleuchtete die schönen verklärten Züge; er stand lange in ihr Anschauen versunken mit verschränkten Armen vor ihr, und große Thränentropfen rollten langsam über seine Wangen, ohne daß er es merkte. Endlich bog er sich zu ihr hinab; er that es unwillkürlich. Die Natur forderte ihr heiliges Recht. Nie hatte er auch nur an die Kühnheit gedacht, einen Kuß auf die keuschen Lippen der Geliebten drücken zu dürfen. Jetzt, da diese Lippen vom Tode kalt geküßt waren, konnte er es sich nicht versagen ihnen den einzigen, den ersten und letzten Kuß aufzudrücken. Und er küßte sie mit der Seele. Erschreckt fuhr er zurück. Was ist das? Das ist nicht die eisige Kälte des Todes! In diesen Lippen ist die warme Welle des Bluts noch nicht erstarrt. Barmherziger Gott, wär’s möglich? Sollte Madelaine nicht todt sein? Senac hat die ausgedehntesten ärztlichen und wundärztlichen Kenntnisse. Im Nu reißt er die Gewande hinweg und forscht mit kundiger Hand nach den Anzeichen des Lebens. Die Seele ist ihm in die Fingerspitzen getreten; der eigne Athem stockt ihm vor Erwartung. Er stößt einen Schrei der Ueberraschung aus; er hat die leise Wärme und Bewegung des Bluts entdeckt. Die Geliebte ist nicht todt. Rasch umschlingt er sie und trägt die köstliche Last aus dem Gewölbe, dem in der Kirche harrenden Sacristan seine Entdeckung verkündend. Die beiden Männer bringen die Scheintodte in des Sacristans Wohnung, legen sie in ein Bett, und der Apotheker giebt zweckmäßige Verordnungen auszuführen, während er selbst nach Hause eilt, die nöthigen Mittel herbeizuholen. Er fliegt und zurückgekehrt, reibt er den schönen Körper mit den kräftigsten Essenzen ein und tropft ihr andre zwischen die Lippen. Eh’ eine Stunde vergeht, athmet sie und ein leichter Schweiß tritt aus den Poren. Er öffnet ihr eine Ader: das köstliche Blut fließt in die Schale. Sie schlägt die Augen auf. Verwundert schaut sie um sich, und ihr Auge ruht mit stillem Entzücken auf dem geliebten Manne. Sie hält Alles für einen schönen Traum. Aber Senac’s Seligkeit bricht in Worten aus. „Gelobt sei Gott und alle Heiligen!“ ruft er. „Sie ist gerettet! – Könnt Ihr sprechen, theure Frau? Wie fühlt Ihr Euch?“

„Wohl! Sehr wohl! haucht sie ihm zu. Aber wo bin ich? Was ist mit mir vorgegangen?“

„Es ist Euch ein kleiner Unfall zugestoßen. Euer Zustand erlaubt nicht, daß ich Euch jetzt Alles mittheile. Ihr werdet es erfahren, wenn Ihr ganz genesen seid.“

„Aber warum bin ich nicht in meinem Hause, in meinem Zimmer, in meinem Bette?“

„Ein seltsamer Zufall hat Euch demselben entführt. Morgen sollt Ihr das Ereigniß kennen lernen. Jetzt ruht. Ein wohlthätiger Schlaf wird Euch erquicken.“

„Aber nicht hier. Die fremde Umgebung ängstigt mich. Ich bitt’ Euch, Herr Senac, bringt mich nach Hause. Hier kann ich nicht bleiben.“

„Bleibt nur bis morgen. Die Rückkehr in Euer Haus könnte Euerm Leben gefährlich werden.“

„Nein! nein! Ich beschwör’ Euch: laßt mich heim. Mir wird hier unwohl. Auch ist’s unziemlich, daß ich hier in Eurer Gesellschaft verweile. Ich gehöre in das Haus meines Gatten.“

Senac vermag ihren rührenden Bitten nicht zu widerstehen. Der Sacristan schafft eine Sänfte herbei, die Kranke wird wohlverwahrt hinein gesetzt, und die beiden Männer tragen sie durch die stille Nacht ihrer Wohnung zu, der Apotheker voll verzweifelten Schmerzes, daß er es ist, welcher das theure Kleinod seinem gewissenlosen Peiniger selbst überliefern muß. Einen Augenblick hat er daran gedacht, sich vor Madelainen niederzuwerfen, ihr Alles zu entdecken und sie zu beschwören, und mit ihr zu entfliehen. Aber der Streit in ihm ist bald geschlichtet. Er weiß, daß die gottesfürchtige Frau nicht einwilligen wird wider göttliche und menschliche Gebote zu handeln, und er schämt sich selbst seiner sündhaften Gedanken.

So langen sie bei Dubois Hause an und klopfen an die Thür. Nicht lange, und es wird geöffnet. Dubois tritt ihnen mit einer Kerze in der Hand selbst entgegen, berauscht und schimpfend ob der unwillkommenen Störung.

Stumm schreiten die Träger in das Haus und öffnen die niedergesetzte Sänfte. Madelaine erhebt sich. Dubois stößt einen furchtbaren Schrei aus und stürzt zu Boden. Die herbeigeeilte Dienerschaft flieht entsetzt. Ein wildes Geheul erschallt durch das Haus. Die leichtfertigen Pariserinnen rasen, wie von einem Engel mit dem Flammenschwert verfolgt, aus dem Hause. Senac und der Sacristan bringen die vom Tode erstandene Frau in ihr Zimmer, betten sie weich und gewähren ihr alle nöthige Hülfeleistung, da Niemand im Hause sich hören oder sehen läßt. Senac holt aus der Apotheke neue Medikamente herbei und giebt sie ihr ein. [49] Endlich versinkt sie in Schlaf. Nun wollen sich die Männer nach der geflüchteten Dienerschaft umsehen, da finden sie den gottvergess’nen Dubois auf der Hausflur liegen. Keiner seiner Diener, keine seiner Freundinnen hat sich um ihn bekümmert; Alle sind sie über ihn hinweggestürmt, um das Freie zu gewinnen. Die beiden Männer heben ihn auf und tragen ihn in sein Zimmer. Sie halten ihn für ohnmächtig, aber er ist kalt und steif. Die Medikamente, die Rettungsversuche werden nun bei ihm angewandt. Vergebens! Sie müssen sich bald überzeugen, daß er todt ist. Der Schrecken hat den betrunkenen Wüstling mitten in seinen Lüsten getödtet.

Senac trifft genaue Vorsorge, daß Madelaine durch nichts gestört werde. Mit einem seltsamen Gemisch von Freude und Schmerz holt er Aerzte und andere Leute herbei. Dann bewacht er ängstlich eifersüchtig Madelainen’s Schlaf.

Dubois ist und bleibt todt! Seltsamer Wechsel des Geschicks!

Am zweiten Tage nimmt er den Sarg ein, in welchem seine unglückliche Gattin gelegen. Sie erfährt nichts von ihrer wunderbaren Erlösung, nicht daß sie im Grabe gelegen und daß ihr unwürdiger Gatte nun ihre Stelle eingenommen hat. Aber sie erstarkt schnell unter des geliebten Senac’s sorgsamer Pflege. Nun erst berichtet er ihres Gatten Tod. Sie faltet die Hände und flüstert ein Gebet für das Heil seiner Seele. Aber ihr Auge leuchtet dankbar für die Befreiung von ihrem Peiniger.

Erst als sie vollkommen genesen, erfährt sie den ganzen Zusammenhang, und ihr feuchter Blick hängt dankbar an den selig lächelnden Zügen ihres Retters.

Madelaine wurde nun die Erbin des Mannes, der eben mit Frohlocken im Begriff gewesen war, ihr reiches Besitzthum als Erbschaft einzustreichen. Niemand lebte mehr, der ihr hinderlich sein konnte, der Stimme ihres Herzens zu folgen. Nach dem gesetzlichen Trauerjahre wurde sie die Gattin ihres geliebten glücklichen Senac, der unterdessen die Apotheke von seinem alten Prinzipal käuflich erworben hatte. Die ganze Stadt nahm freudigen Antheil an der Vereinigung des edlen Paares.

Die Wiedererweckung Madelainen’s durch Senac’s Hand hatte aber noch eine andere glückliche Folge, an die Niemand vorher gedacht hatte. Senac ließ an der Borderwand der Apotheke zum ewigen Angedenken an die wunderbare Begebenheit, die ihn zum glücklichsten Manne gemacht hatte, ein Gemälde anbringen. Man sah da die schöne Madelaine, wie sie noch halb in den Armen des knöchernen Sensenmannes liegend und halb daraus emporstrebend von Senac, der vor ihr stehend ihr die Hand und ein Heilkraut reicht, dem Tode entrissen wird.

Dieses Gemälde vollendete, was die Rettung selbst begonnen hatte, nämlich sie pflanzten der Bevölkerung der Stadt und der Provinz einen unerschütterlichen Wunderglauben an die Geschicklichkeit Senac’s und die Heilkraft seiner Medicamente ein. Niemand zweifelte daran, daß er die geliebte Frau wirklich vom Tode auferweckt habe. Er ließ sich zum Arzt promoviren, und der Zulauf zu ihm wurde weit und breit her ungeheuer, zumal er wirklich als geschickter Arzt glückliche Kuren machte. Man glaubte nun einmal steif und fest, in seinen Medikamenten sei eine größere Heilkraft als in andern. Er wurde dadurch zum steinreichen Manne, und seine blühende Nachkommenschaft wußte das günstige Vorurtheil der Menge für die Apotheke geschickt zu erhalten.