Westphälische Sagen und Geschichten/Ursprung des Stifts Fröndenberg

Textdaten
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Autor: H. Stahl alias Jodocus Temme
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Titel: Ursprung des Stifts Fröndenberg
Untertitel:
aus: Westphälische Sagen und Geschichten
Seite 145–159
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1831
Verlag: Büschler’sche Verlagsbuchhandlung
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Erscheinungsort: Elberfeld
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Quelle: Commons = Google
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[145]
Ursprung des Stifts Fröndenberg.


Man hat viele recht interessante Sagen und Legenden über die Art und Weise, wie Kirchen, Klöster und Stifter in Westphalen entstanden sind. So haben wir die Entstehung des Stiftes zu Herdecke und der Kirche zu Stromberg bereits in dem ersten Bändchen dieser Sagen und Geschichten erzählt. So berichtet, um noch einige Beispiele anzuführen, die Sage von der Stiftung des Klosters zu Werden, daß der Platz, wo dasselbe gebaut worden, ehemals ein undurchdringlicher Wald gewesen, so daß Jedermann dem heiligen Ludgerus, der das Kloster allda bauen wollte, dieses, als etwas unmögliches abrieth. Allein der heilige Mann betete zu Gott, daß Er die heitere Luft verwandeln und einen wilden Sturm schicken möge. Dieses geschah, und in Einer Nacht hatte der Wind alle Bäume aus der Erde gerissen, und es war damit Platz gewonnen, und auch Holz, um das Kloster zu bauen.

Da wo jetzt das Kloster Finnenberg bey Warendorf steht, war vor Zeiten ein Schloß, auf dem ein reicher und gottesfürchtiger Edelmann wohnte, welcher zwölf Töchter hatte. In einer Nacht hatte dieser Edelmann eine heilige Erscheinung; denn, als er sich betend ins Fenster legte, sah er nicht weit von sich zwey Personen herumgehen, die einen glänzenden Schein um sich [146] hatten und die er für Jesus Maria erkannte. Beyde maßen mit einem Stricke einen Platz ab. Am andern Morgen fand er daselbst ein rothes Seil.

Da erkannte er in freudiger Demuth, den göttlichen Willen, und er ließ auf dem abgemessenen Platze ein Frauenkloster erbauen. Seine älteste Tochter wurde darin Abtissin, und die übrigen Eilf, Nonnen.

Das Stift Gevelsberg ist bekanntlich an der Stelle entstanden, wo der Erzbischof Engelbert von Cöln im Jahre 1225 von den Leuten seines Vetters, des Grafen Friederich von Isenburg erschlagen ist. Bald nach dieser That sah man daselbst nemlich mehrere Erscheinungen. Unter anderen sah ein Schmid von Schwelm, der in einer finstern, stürmischen Nacht des Weges kam, allda ein helles, glänzendes Licht, das mehrere Ellen hoch aus der Erde hervorkam und die ganze Gegend beleuchtete, und weder von dem Regen noch von dem Winde verlöscht werden konnte, sondern nicht einmal bewegt wurde. Ferner, nachdem dieses bekannt geworden, ließ ein Gichtbrüchiger aus Schwelm sich an den Ort tragen, verrichtete dort sein Gebet und fühlte sich auf der Stelle gänzlich geheilt. Dieses, und noch andere Umstände gaben den göttlichen Willen zu erkennen, daß hier eine Kirche und ein Kloster gebauet werden sollten, und man errichtete beyde im Jahre 1251.

So erzählt man sich auch viele Erscheinungen und Wunderwerke, welche die edlen Brüder Gottfried und Otto von Kappenberg bewogen haben, ihre weltlichen Kleider mit geistlichen zu vertauschen, aus ihrem Schlosse ein Kloster zu machen, das glänzendste Westphalens, und alles ihr Hab und Gut der Kirche zu schenken.

[147] Keine solcher Sagen und Legenden mag aber wohl interessanter seyn, als die von Entstehung des Stifts Fröndenberg an der Ruhr, indem wir dabey auch nicht im entferntesten das Einwirken menschlicher Leidenschaften sehen, nicht einmal ahnen können, sondern nur reine Frömmigkeit und Gottesfurcht antreffen, und daher auch von den Wundern, welche die Sage dabey nicht auslassen darf, gern annehmen, daß nicht Eigennutz oder andere Triebfedern, sondern blos ein kindlicher Volksglaube, dadurch stillschweigend, aber nicht minder schön, die Frömmigkeit der Stifter anerkennend, sie geschaffen habe.

In dem Städtchen Ahlen im Münsterlande lebte einst ein kriegerischer, aber frommer Mann, Namens Christophorus; derselbe that ein Gelübde, zum heiligen Grabe zu wallfahren, und hielt dasselbe. Wie er nun so sehr fromm und demüthig war, so gewannen die Priester, die das Grab des Herrn bewachten, ihn lieb, und sahen es gern, wenn er in ihrer Mitte seine Gebete verrichtete. Besonders war Einer unter ihnen, der Gefallen an seiner Frömmigkeit fand, und diese, als Christophorus von Jerusalem schied, dadurch belohnen und befestigen müssen glaubte, daß er demselben ein außerordentlich fein und lieblich gearbeitetes Marienbild schenkte, welches er selbst aus dem Holze des Kreuzes geschnitten, an dem unser Herr gelitten hatte.

Mit diesem Schatze kam der fromme Christophorus nach manchen Abentheuern und Gefahren, aber unversehrt, indem das Bild ihn beschützte, in seine Heimath zurück, und lebte fortan fromm und gottesfürchtig, wie er früher gethan, und noch frommer und gottesfürchtiger, und als er zum Sterben kam vermachte [148] er das Bild seinen drey Kindern, und befahl ihnen, es niemals fortzugeben. Seine beyden Söhne wurden geistlich; Einer von ihnen Namens Bertoldus, wurde Mönch im Kloster zu Scheda; der zweyte, Menrickus, ward Canonikus zu Lübeck; seine Tochter aber ward Klosterjungfrau zu Ahlen. Und weil die Letzte mit ganzer Seele an dem Marienbild hing, so ließen die Brüder es ihr, und empfahlen ihr nur an, es recht in Ehren zu halten.

Es war im Jahre 1214, als der Mönch Bertoldus in einer Nacht, von frommen geistlichen Beschäftigungen, in sein Kloster Scheda zurückkehrte. Sein Weg führte ihn über den Berg Hassey oder Haßley, und dort einem großen, breiten Lindenbaum vorbey, unter dem in Vorzeiten die Bewohner der Gegend allerley üppige Tänze und Spiele getrieben hatten. Bertoldus gedachte dessen, als er in die Gegend des Baumes kam, und es that ihm leid in seinem frommen Gemüthe, wie doch so oft, so alle Tage und Stunden, die Menschen dem Bösen, ihren üppigen Lüsten und Begierden, Tempel bauen und Opfer bringen, den ewigen Gott aber vernachläßigen und verhöhnen. Wie er noch daran dachte, sah er auf einmal unter dem Lindenbaume einen hellen Glanz, als wenn es ein Abglanz des Himmels wäre. Er erstaunte darüber und sah lange hin; weil er aber nichts weiter erblickte, so ging er endlich weiter, schwieg aber, und behielt das Gesehene für sich. Einige Zeit nachher aber führte ihn sein Amt wieder desselbigen Weges, und zwar wieder um Nachtzeit; und abermals sah er denselben hellen, klaren Glanz; und bald nachher noch mehrere Male.

[149] Da gedachte er, daß es der Wille des Herrn sey, diesen, früher nur Lastern und Sünden gewidmeten Ort von den vorigen Gräueln zu reinigen, und denselben nur zum Dienste des Himmels zu weihen. Er faßte daher den Entschluß zu bewirken, daß daselbst zur Ehre Gottes und der heiligen Jungfrau ein Kloster errichtet werde. Diesen Entschluß theilte er seinem Probste zu Scheda mit, und bat denselben, da er sein Vorgesetzter war, um seine Erlaubniß zu diesem Unternehmen. Allein der Probst, ein hochmüthiger Mann, der ihm zuwider war, verweigerte ihm diese Erlaubniß ein für allemal, und verbot ihm zuletzt bey scharfer Strafe, je wieder zu ihm ein Wort über die Sache zu sprechen. Den frommen Bertoldus schmerzte dieß sehr; aber seinem Oberen, dem er Gehorsam geschworen, mußte er gehorchen. Er schwieg daher, und that seinem gottesfürchtigen Herzen nur dadurch Genüge, daß er, so oft als es ihm möglich war, unter den Lindenbaum ging, und daselbst sein Gebet verrichtete.

Als aber der zeitliche Probst zu Scheda nach einem halben Jahre plötzlich starb, wagte Bertoldus es, dessen Nachfolger, einem durchaus frommen Manne, seine Bitte wieder vorzulegen. Dieser gewährte sie ihm auf der Stelle.

Die erste Schwierigkeit, die Bertoldi Unternehmen entgegenstand, war also nun besiegt; er hatte von seinem geistlichen Oberen die Erlaubniß zur Errichtung des Klosters. Aber wie wenig war dieß in Betracht dessen, was noch alles zur Vollendung seines ganzen Plans erforderlich war! Wie gewiß hätte ein jeder der nicht von wahrer, ausdauernder Frömmigkeit beseelt war, von der Last aller der Schwierigkeiten und [150] Hindernisse, die noch aus dem Wege zu räumen waren, sich besiegen lassen, und das Ganze aufgegeben! Nicht so Bertoldus, der wahrhaft gottesfürchtig war. Wohl erkannte er das Schwierige seines Unternehmens, wohl sah er ein, daß er keine Mittel habe, ein Hüttchen zu bauen, geschweige eine Kirche und ein weites Klostergebäude, daß ihm selbst das Land nicht einmal gehöre, auf dem das Kloster erbauet werden solle, und daß er keine Lebensmittel und keine Einkünfte habe, um die geistlichen Jungfrauen, die das Kloster künftig bewohnen sollten, zu unterhalten. Doch dieß alles schreckte ihn nicht ab, und muthig und ganz allein setzte er seinen zur Ehre Gottes und der heiligen Jungfrau gefaßten Plan fort.

Zuerst reisete er zu seiner Schwester in Ahlen, und bat sie, ihm des Marienbild zu geben, das ihrer Beyder Vater aus dem gelobten Lande mit sich gebracht hatte. Sie weigerte sich zwar anfänglich, und wollte lange in sein Begehren nicht willigen, weil sie sich von dem theuren Bilde nicht trennen zu können glaubte; allein eines Morgens, als über Nacht plötzlich die Erkenntniß des heiligen Werks, das ihr Bruder vorhabe, ihr gekommen war, willigte sie ein, und gab ihm unter Thränen das heilige Bild.

Hiedurch war Bertoldus wieder um einen großen Schritt auf seinem beschwerlichen Wege vorangerückt. Denn mit dem Bilde durchzog er jetzt das Münsterland und die angrenzenden Länder, und zeigte es den Leuten vor, und bat sie, um dieses aus dem Kreuze Christi verfertigten Heiligthums willen, ihm Gaben für sein Unternehmen zu geben. Das thaten die Leute denn auch willig und reichlich; Bertoldus scheute dabey [151] aber auch keine Beschwerden und keine Verfolgungen, an welchen Beyde es ihm nicht fehlte. Denn nicht nur mußte er die beschwerlichsten Gänge machen, Hunger und Durst, Kälte und Nässe ertragen, um nur immer seinen Zweck verfolgen zu können, sondern auch von manchen Seiten fand er Anfeindungen gegen sein frommes Vorhaben. So z. B., als er einst auf einem schmalen Steg über die Ruhr gehen wollte, verhöhnte ihn Jemand als einen Schwärmer, faßte ihn an, ergriff sein Marienbild und warf es in den Fluß Da gerieth der fromme Mann in große Angst, und glaubte, nun sey sein Unternehmen und alles verloren. Doch rief er inbrünstig die Mutter Gottes um ihren Schutz an, und in demselben Augenblicke sah er das Bild gegen den Strom an wieder auf sich zu schwimmen, wo er es denn mit freudiger Danksagung wieder ergriff, und nun, nach Bekehrung der Spötter, mehr Gaben erhielt, als vorher. Ein ander Mal, als er sich in dem Städtlein Menden aufhielt, und daselbst an der Straße ein Gezelt errichtet hatte, in welchem er sein Bild aufstellte, und durch dessen liebreiches Antlitz die Vorübergehenden zu reichlichen Gaben bewog, trat ein gewisser Bürger der Stadt auf, welcher die Aufsicht über die Kirchengüter hatte, schmähete den Bertoldus, daß er die Einkünfte der Kirchen der Stadt verringere, schimpfte ihn, und unterwand sich sogar, sein Gezelt nebst dem Marienbilde umzustoßen. Aber für diesen Frevel wurde der Verwegene auf der Stelle bestraft; denn indem er wieder weiter gehen wollte, konnte er das nicht, und der Fuß, mit dem er das Bild umgestoßen, war ihm gänzlich verdorret. Da vergalt Bertoldus nicht Böses mit Bösem, sondern [152] erbarmte sich seiner, legte das Muttergottesbild auf den verdorreten Fuß, und heilte ihn also augenblicklich; wodurch er denn abermals sich viele Freunde und neue Gaben erwarb.

Nachdem nun Bertoldus auf diese und ähnliche Weise genug Gaben gesammelt zu haben vermeinte, um vorläufig eine Capelle für sein Bild, und eine Hütte für sich daneben erbauen und darin nothdürftig leben zu können, kehrte er auf den Berg Haßley zurück, und bauete daselbst in der Nähe der vorhin besagten Linde zuvörderst ein kleines Hüttchen, worin er sein Marienbild setzte und dasselbe verehrte, auf den Herrn vertrauend, daß dieser im folgenden Jahre reichlichere Spenden verschaffen werde, um Kirche und Kloster[WS 1] zu bauen. Die geistlichen Herren zu Scheda verlachten ihn zwar sehr dieser Handlung halber, erinnerten ihn an das schöne und ruhige Leben, das sie in ihrem reichen Kloster, in der Mitte des Ueberflusses führten, und das er mit ihnen führen könne, und schalten ihn einen Thoren, daß er sein ärmliches Daseyn in der kalten, feuchten Reiserhütte, jedem Regen und jedem Froste ausgesetzt, führe; ja sie gingen in ihrem Hohne und im Kitzel ihrer frechen Launen sogar so weit, daß sie mehrere Male sein armseliges Hüttchen verwüsteten. Allein der fromme Bertoldus ließ sich durch dergleichen, das er als eine Prüfung des Herrn betrachtete, nicht irre machen, richtete sein Hüttchen jedesmal geduldig wieder auf, und befand sich in seiner frommen Armuth und Unbequemlichkeit unendlich wohler, als jene im Schooße des Ueberflusses, aber auch der Sünden. Er trachtete nur danach und machte neue Pläne, in dem kommenden Frühjahre wieder auszuziehen [153] und neue Gaben für sein Unternehmen zu sammeln.

Allein diese Zeit sollte er nicht mehr erleben; denn ehe noch der Winter zu Ende ging, warf ihn eine heftige Krankheit, die Entbehrung und Strapazen ihm zugezogen hatten, auf das Sichbette, und auch bald auf die Bahre. Sein Leichnam wurde in dem Klosterbegräbniß zu Scheda beigesetzt. Das Hüttchen mit dem Marienbilde aber stand jetzt leer, und Niemand bekümmerte sich darum.

Da hatte der Canonicus Menrikus in Lübeck in einer Nacht einen Traum, daß sein Bruder todt, und das Muttergottesbild, welches sein Vater aus dem gelobten Lande mitgebracht, verlassen sey, und es war ihm, als ob eine Stimme ihm zurufe: Menrikus, mache Dich auf, und begib Dich in Dein Vaterland, um allda das zu vollbringen, was Dein Bruder Bertoldus angefangen hat. Anfangs hielt er alles für eine Täuschung seiner aufgeregten Sinne; nachdem er aber zum zweyten Male den nemlichen Traum gehabt, begab er sich alsbald auf die Reise und kam auf den Berg Haßley, wo sein Bruder das Hüttchen erbauet. Er hatte dasselbe aber kaum erblicket, so gereuete ihn sein Entschluß, und er war willens, nach Lübeck zurückzukehren. Da sah er aber bald das Bild an, und er trat näher zu demselben, und schauete es lange an, und wurde wunderbar bewegt, indem es ihm wieder war, wie in den Tagen seiner Kindheit, als er fromm und gläubig und demüthig vor dem Bilde gelegen hatte, und neben ihm seine Eltern und seine Geschwister, und Alle hatten so inbrünstig gebetet, und sich so glücklich, so selig gefühlt. Und je länger er das Bild betrachtete, [154] desto andächtiger wurde er, und mit solcher Freude erfüllt, daß er viel lieber armselig in diesem Hüttlein bleiben, als zu seiner reichen Präbende nach Lübeck zurückkehren wollte.

Er schlug seine Wohnung in dem Hüttchen auf, und betete fromm und demüthig; und als der Frühling kam, fing er, wie auch sein verstorbener Bruder gethan, Wanderungen in allen benachbarten Gegenden an, um für die zu erbauende Kirche und Kloster neue Gaben einzusammeln. Doch er bekam nicht viel, so viele Mühe er sich auch gab. Von dem Gesammelten bauete er unter der Linde eine Capelle zu Ehren der Jungfrau Maria, des Erzengels Michael und aller heiligen Engel, stellte darin sein Bild auf und ließ auch den Leichnam seines Bruders von Scheda dahin bringen.

Unterdeß war der Ruf von der Frömmigkeit der beyden Brüder, und von ihrem wunderthätigen Marienbilde immer mehr und weiter verbreitet worden; und von allen Seiten war jetzt ein großer Zulauf von Menschen zum Berge Haßley, um das Bild daselbst zu verehren, und dem Menrikus Gaben zu bringen. Darüber ärgerten sich die benachbarten Geistlichen, sonderlich die zu Scheda. Als daher eben um solche Zeit der Erzbischof zu Cöln, Heinrich von Mollenark, sich in diesen Gegenden aufhielt, baten sie ihn um einen Befehl, die errichtete Capelle wieder zu zernichten, und dem Menrikus die fernere Ausführung seines Vorhabens zu verbieten. Doch gerade dieser Neid und Mißgunst sollte dem frommen Unternehmen am meisten förderlich seyn. Denn der Erzbischof, nachdem ihm die ganze Sache erzählet worden, trug ein Verlangen, den [155] frommen Mann, der mit so vieler Standhaftigkeit nur auf seinen Plan bedacht war, kennen zu lernen. Er ließ ihn deshalb zu sich rufen, und unterhielt sich lange mit ihm, versuchte auch nebenbey, ob er ihn von seinem Vorhaben nicht abbringen könne. Als aber Menrikus ihm erklärte, lieber die Tage seines Lebens Steine tragen zu wollen, als des Angefangenen nicht fortzusetzen; freute der Erzbischof sich sehr hierüber, und erkundigte sich, für welches Geschlecht und für welchen Orden Menrikus das zu erbauende Kloster bestimmt habe. Menrikus gab ihm hierauf Bescheid, haß er es für den weiblichen Cistercinesen Orden bestimmt habe: und versprach ihm der Erzbischof dann, am anderen Tage ihm Bescheid geben zu lassen.

Wie nun Menrikus am folgenden Morgen zaghaft in seinem Hüttchen saß, indem er befürchtete, von seinem geistlichen Oberhaupte auf einmal[WS 2] seinen schönen Plan zerstört zu sehen; sah er plötzlich eine Menge Herren und Ritter auf sich zu kommen; an deren Spitze war der Erzbischof selbst, gefolgt von den Grafen Gottfried von Arnsberg, Otto von Altena, dem Herrn von Ardey und vielen anderen Rittern. Sie naheten sich voll Huld dem Menrikus, und der Erzbischof forderte ihn auf, noch einmal zu erzählen, welch frommes Werk er zu stiften gedenke, und was alles er dafür schon gethan habe. Dann fragte er ihn, wie viel Platz er nöthig habe, um darauf eine Kirche und ein Kloster zu errichten. Doch kaum hatte Menrikus angefangen, diese Frage zu beantworten, so ließ sich eine helle Wolke gerade neben den Umstehenden vom Himmel herunter, in deren Mitte ein hohes goldenes Kreuz von allen Anwesenden erblickt wurde. Da erkannten [156] Alle, daß diese Wolke den erforderlichen Platz anzeige; und die Herren, welche allda zu gebieten hatten, schenkten dem Menrikus nicht nur den angezeigten Ort, sondern versprachen ihm auch zu Vollführung des Werks allen nöthigen Beystand. Insonderheit hat Graf Otto von Altena die Kirche auf seine Kosten erbauen lassen. Der Kayser Friederich II. aber, sobald er durch den Erzbischof von Cöln alles geschehene erfahren, hat ebenfalls dem Menrikus nicht nur reichlichen Vorschub gethan, sondern ihm auch einen Brief über die immerwährenden Freiheiten des anzulegenden Klosters gegeben.

So sah sich Menrikus also auf einmal aus der größten Angst, alles mißlungen zu sehen, an das Ziel seiner Wünsche gebracht. Herrlich erhob sich alsbald die neue Kirche, und hell und geräumig das Kloster daneben. Und bald darauf sandte der Erzbischof aus dem Kloster Hoven eine Abtissin und zwölf Jungfrauen dahin. Allein wenn auch auf solche Art der Plan des Bertoldus und späterhin des Menrikus zur vollständigen Ausführung gekommen war, so war damit die Reihe der Beschwerden und Prüfungen, die des Letzteren warteten, noch lange nicht zu Ende, sollten vielmehr erst recht eigentlich wieder eröffnet werden.

Das neue Kloster hatte nemlich nicht das geringste Eigenthum, das Unterhalt und Lebensmittel hätte geben können, und eben so wenig Einkünfte und Renten, woraus man diese nehmen konnte. Die neuen Nonnen lebten daher sehr kümmerlich und armselig, und droheten dem Menrikus oftmals, wenn sich das nicht bessere, in ihr Kloster zurückkehren zu wollen. Das verursachte dem frommen Manne viel Leid, und doch [157] konnte er ihnen nur kümmerlich und auf kurze Zeit helfen, besonders weil die sämmtliche Geistlichkeit der Gegend noch immer einen großen Haß auf das neue Kloster hatten. Einmal aber war die Armuth des Klosters so weit gekommen, daß sowohl Menrikus als die Nonnen schon seit mehrerrn Tagen nichts genossen hatten. Mit Thränen kamen die Letzteren zu Menrikus, und stellten ihm ihre Noth vor, und baten ihn um Brod, daß es ihm das Herz zerschnitt. Vergeblich suchte er sie zu trösten; sie wollten das Kloster verlassen, wenn er ihnen nicht in einer Stunde Brod schaffe. Doch er verzweifelte nicht. Er forderte sie auf, sämmtlich mit ihm in die Kirche zu gehen, und zu Gott und der heiligen Jungfrau um Schutz und Rettung zu beten. Und wie sie ihre Gebete geendigt hatten und aus der Kirche zurückkamen, da war ein ganzer Wagen voll Getraide von Soest gekommen, wovon sie geraume Zeit leben konnten, bis reichlichere fromme Gaben sie vor aller ferneren Noth schützten.

Das neue Kloster hatte noch keinen Namen erhalten, und hieß nur das Kloster am Haßley. Durch folgende Begebenheit erhielt es seinen Namen, den es bis auf den heutigen Tag behalten hat. Ungefähr ein halbes Jahr nach seine Erbauung verkaufte ein Ritter der Gegend einen Zehnten. Menrikus kaufte solchen für sein Kloster, dem er dadurch eine gute Einnahme verschaffen konnte, für vierzig Mark, und versprach das Geld auf die bestimmte Zeit richtig zu bezahlen, indem er bis dahin soviel an Gaben zu erwerben hoffte. Allein schon war der Zahlungstag da, und Menrikus hatte von seinem Gelde noch nichts beisammen. In dieser Noth begab er sich in aller Frühe des Tages [158] mit seinem Marienbilde nach Soest, um daselbst das Mitleid frommer Leute in Anspruch zu nehmen. Vorher ging er aber daselbst in die Kirche des heiligen Stephanus und las allda eine Messe, und bat die heilige Muttergottes, ihm sein Unternehmen gelingen zu lassen. Kaum trat er dann aber wieder aus der Kirche, so kamen ihm schon seine Gläubiger entgegen, die ihn hatten hinein gehen sehen, und forderten ihr Geld von ihm, und droheten ihm, ihn in Banden zu werfen, wenn er nicht sofort bezahle. Darüber gerieth Menrikus in große Angst und Verlegenheit. Doch in demselben Augenblicke nahete sich ihm eine Frauensperson, die ihn fragte, wer er sey und ob er von dem neu angelegten Kloster Vründenberg komme? – Dieser antwortete daß er Menrikus hieße, und von einem neuen Kloster herkomme, aber den Namen Vründenberg habe dasselbe nicht. Da sagte die Frau: Du bist der Mann, den ich suche, und zu Deinem Kloster ziele ich, denn dasselbe wird zuwege bringen, daß Alle, die es künftig besuchen, zu Freunden Gottes werden. Nimm mich daher zu allererst darin auf. Dabey streckte sie ihre Hand aus; darin waren gerade vierzig Mark; die gab sie dem Menrikus, der sie sofort den Gläubigern bezahlte, und nun entschied, daß sein Kloster fortan wirklich Vründenberg heißen solle, woraus späterhin der Name Fröndenberg entstanden ist.

Menrikus stand noch lange Jahre dem Kloster treu vor, und starb endlich sanft und selig. Er wurde neben seinem Bruder Bertoldus begraben, und sind sowohl bey seiner Beerdigung, als an seinem Grabe viele Wunder geschehen.

[159] Sein wunderthätiges Marienbild aus dem Holze des Kreuzes Christi befindet sich noch in der Kirche zu Fröndenberg.

Späterhin ist das Kloster zu Fröndenberg der Begräbnißplatz vieler Grafen von Mark und Altena geworden. So ruhen hier Eberhard II. † 1308. Engelbert II. † 1328. Adolph V. und Engelbert III.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Klosier
  2. Vorlage: eimal