Weltweisheit
[29] Weltweisheit
Wir waren Philister und merkten es, wie
Die Kräfte des Geistes erschlafften;
Da warfen wir uns auf die Philosophie,
Die tiefste der Wissenschaften.
Die Sprüche der großen Gelehrten;
Und was man im Fleisch und im Blute trägt,
Das weiß man dann auch zu verwerten.
Erschöpfe die Stunden, genieße die Zeit,
Die Reue, den Fluch und die Niedrigkeit,
Wir lernten es stoisch ertragen.
Als Stoiker lebten wir über Tag,
Kein Staubgeborner stand höher;
Dann wurden wir Epikuräer.
So flossen die Jahre der Jugend dahin,
Die Schöpfung ein blühender Garten,
Mit duftigen Blumen und Mädchen darin
[30] Und wenn uns dann schließlich die Kraft gebricht,
Zu frönen unsern Gelüsten,
Dann beugen das Haupt wir noch lange nicht,
Dann werden wir Pessimisten.
Und der Menschheit kleinliches Trachten,
Dann lernen wir, was uns zu sauer fällt,
Aus tiefster Seele verachten.
Dann hebe die Schwingen, Phantasie,
Zu jenen Gegenden, die noch nie
Ein sterbliches Auge gesehen.
Dort, wo ein rosiges Morgenrot
Den fernen Äther entzündet,
Ein neues Eden gegründet.
Es scharrte mein Musengaul vor der Tür,
Da bin ich aufgestiegen,
Da flog ich, Liebchen, zu dir, zu dir,
Und als ich mich sonnte in deinem Blick,
War Angst und Not verschwunden.
Da hab’ ich das irdische Liebesglück
Weit süßer als je gefunden.
Und jubelte Frühlingslieder.
Und mit der jungen Begehrlichkeit
Kam die junge Gesundheit wieder.
Laut jauchzt’ ich auf aus voller Brust:
In deiner unvergänglichen Lust
Auf ewig mich zu betäuben.
Da kracht der Himmel, die Erde bebt
Es donnert die Atmosphäre,
In duftige, luftige Leere.