Textdaten
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Titel: Wein, Weib und Gesang
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 14, S. 228, 229, 236, 237, 243
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1884
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originaltitel:
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[228–229]

„Wer nicht liebt Wein, Weib und Gesang, der bleibt ein Narr sein Leben lang.“
Mittelbild aus C. Röhli[ng]’s gleichnamiger Composition.

[236]

Allegorische Seitenfigur
aus Röhling’s Composition „Wein, Weib und Gesang“.

[237]

Allegorische Seitenfigur
aus Röhling’s Composition „Wein, Weib und Gesang“.

[243] Wein, Weib und Gesang. (Mit Illustrationen Seite 228 und 229, 236 und 237.) Die sonnige, Lebensfreude und heitere Sinnlichkeit athmende Composition C. Röhling’s, die wir den Lesern der „Gartenlaube“ im Holzschnitt heute vorführen, knüpft an einen Kernspruch Martin Luther’s an. Der große Reformator hatte bekanntlich trotz seiner überstrengen Erziehung, trotz der harten Seelenkämpfe im Erfurter Kloster und bei seiner ernsten und schweren Reformationsarbeit nie die volle gesunde Freude am Leben und die kräftige Empfänglichkeit für die Annehmlichkeiten des Daseins verlernt; er hatte sich stets den offenen Weltsinn zu erhalten gewußt, ohne welchen seine Bibelübersetzung unmöglich ihre unvergleichliche Frische und Volksthümlichkeit im Ausdruck hätte gewinnen können. Leider kommt diese, die menschlich interessanteste Seite von Luther’s Person selten recht zur Geltung, weil das Leben und Wirken des großen Mannes dem deutschen Volke zumeist in Darstellungen geistlicher Verfasser vorgeführt wird, die aus einer gewissen Scheu den Menschen Luther gegenüber dem Reformator zurückzudrängen suchen. Aber es ist wohl bekannt, daß Martin Luther fröhlichen Herzens war, wie ein zielbewußtes und gutes Streben zumeist die Seele zuversichtlich und heiter stimmt; er erwähnt selbst des Oefteren, daß ein guter Trunk mit seinem Freunde Philippo ihm wohl gemundet habe; eine gute Hausmusik war der Sonnenschein im Heim des Doctor Martin, und was ein züchtig und lieblich Weib für ein köstliches Ding sei, darüber ist uns mancher gute Spruch von ihm erhalten geblieben. So wies er die drei Freuden des Daseins, Wein, Weib und Gesang, durchaus nicht in ascetischer Einseitigkeit von sich, sondern erklärte vielmehr den für einen Narren, der dies thäte.

Der Berliner Künstler Carl Röhling hat es nun unternommen, das Luther’sche Kernsprüchlein zum Gegenstand einer großen bildlichen Composition zu machen, und der Leser kann sich selbst davon überzeugen, wie prächtig ihm seine Absicht gelungen ist. Die beiden allegorischen Figuren des Gesangs und der Weiblichkeit, welche der Leser auf S. 236 und 237 findet, und die bei Röhling das große auf S. 228 und 229 dargestellte Mittelbild flankiren, sind Gestalten von sinniger, charakteristischer Auffassung, während das große Gruppenbild sich durch eine effectvolle Anordnung auszeichnet. Verstehen wir den Künstler recht, so ist es die Wirkung des Weines, welche dieses Mittelbild zum Gegenstande hat. Die Geister des Weines und des Lautenspieles haben die Gemüther heiter und harmonisch gestimmt, eine ungezwungene Fröhlichkeit herrscht in dem geselligen Kreise. Dem Ritter und der zärtlich zu ihm aufblickenden Edeldame ist es zu eng geworden in dem vom Weindufte durchzogenen Gemach; sie sind im Begriffe, an die Balustrade hinauszutreten, von wo sich ein weiter Blick aufthut auf die Stadt mit ihrer alterthümlichen Architektonik, auf den blauen Fluß und das lachende Gelände. Ihnen hat Gott Amor das Herz gerührt; der alte dicke Rathsherr dort an der Tafel lacht herzlich über den Streich, den der lustige Gott da wieder begangen hat, aber vielleicht besitzt er zum Spott am allerwenigsten ein Recht, denn seine Nachbarin zur Linken sieht ihm so überaus freundlich in das vom Weine und vom Lachen geröthete gutmüthige Gesicht, daß er sich wohl selbst bald von der „Linken umgarnen“ läßt. Das ihm gegenübersitzende Paar, das ganz in die süße Weise eines Volksliedes versunken scheint, und der übermüthige Gesell, welcher die Schenkin keck um die Hüfte faßt, illustriren in anderer Weise die Wirkung des Weines.

Für den eigenthümlichen Entwickelungsgang Carl Röhling’s ist diese Composition entschieden charakteristisch. Der im Jahre 1849 zu Berlin geborene Künstler fühlte von jeher den Drang in sich, in großen Zügen zu gestalten; so übte er sich schon, als er zu zeichnen begann, mit Vorliebe im Entwerfen und machte seine Studien auf der Berliner Akademie (während der Jahre 1865 bis 1868) als Bildhauer. Besonders wandte er sein Interesse der Reliefcomposition zu. Obgleich aber verschiedene Preise, die er auf der Akademie davontrug, ihn eigentlich hätten bestärken sollen, auf dem betretenen Wege weiter zu schreiten, entsagte Röhling nach Beendigung seiner Studienzeit der Bildhauerei ganz. Angeregt durch die damals eben erschienenen Grote’schen Classiker-Ausgaben, widmete er sich der rasch aufblühenden Bücher-Illustration, später erst der Malerei, dem decorativen Gemälde. Ein außerordentlich vielseitiges Talent, hat Röhling sich seit einigen Jahren mit großer Begeisterung der so vornehmen und interessanten Technik der Kupferradirung zugewandt und beabsichtigt sogar, in derselben künftig ausschließlich thätig zu sein. Wir wollen bei dieser Gelegenheit nicht versäumen, die im Verlag von Rudolf Schuster in Berlin erschienene Kupferradirung der Composition: „Wein, Weib und Gesang“ unseren kunstverständigen Lesern angelegentlich als künstlerisch werthvollen Zimmerschmuck zu empfehlen.