Weihnachtswanderung
Vom bewölkten Himmel schwebt
Aschefahler Dämmrungsschleier;
In der Stadt, die um mich lebt,
Wirkt das Volk die Weihnachtsfeier.
Aus den weißen Dächermassen
Lockt und winkt ein Summen, Klingen,
Will mich in die hellen Gassen
Noch ein kurzes Stündchen zwingen.
Wohl: mir steht der Baum geschmückt,
Dran die Früchte golden reifen,
Und ich mag so gern beglückt
Als ein Weihnachtswandrer schweifen.
Aus der Enge steig’ ich nieder,
Daß mein Herz sich mög’ erweitern,
An der Lust der Menschenbrüder
Sich die eigne Lust verbreitern.
Märchenwonne, Weihnachtsglanz!
Welch ein Drängen, eifrig Regen!
Im Gewühl verloren ganz,
Wall’ ich über feuchten Wegen.
Durch die Lichtfluth, rings zu schauen,
Tauch’ ich, ein verklärter Schwimmer,
Und aus Augen, braunen, blauen,
Trink’ ich heißer Wünsche Schimmer.
Weiter treibt’s und weiter fort,
Kinderlachen führt mich munter.
Aus den Fenstern hier und dort
Strahlt schon Christbaumglanz herunter.
Enger wird’s; die Füße tragen
Bald den Träumer sonder Willen,
Wo der Vorstadt Häuser ragen,
Die verschneiten, winterstillen.
Bei der Brücke wach’ ich auf:
Ist die Weihnachtswelt zu Ende?
Drüben über’m Grabenlauf
Wärmt ein Weib die frost’gen Hände –
Tannen kauft man, wo im Becken
Röthlich dort die Kohlen glos’ten:
Bis in’s nächt’ge Feld erstrecken
Sich der Weihnacht letzte Posten.
Dann beginnt das kahle Land;
Schnee und Dämmrung, weit zurücke!
Und mich zieht’s, wie eine Hand,
Fort von der belebten Brücke:
In das frostig ernste Schweigen
Tret’ ich ein mit leisem Schauer.
Was bewegt dich, Herz, so eigen
In dem Feld voll Tod und Trauer
Abgeschieden hält mein Fuß;
Ferne summt der Weihnachstrubel;
Gleich versagter Freuden Gruß
Klingt herüber Kinderjubel.
Mich ergreift ein fremdes Sehnen;
Melancholisch krächzen Raben – –
Und mir wird zu Muth, wie Jenen,
Welche keine Weihnacht haben.