Weihnachtssingen in Luzern
[839] Weihnachtssingen in Luzern. (Mit Illustration S. 824 und 825.) Für die Gemälde-Ausstellung im Krystallpalast zu London, welche zu Ehren des Herrscherjubiläums der Königin Viktoria veranstaltet war, wurde eine große goldene Jubiläumsmedaille geprägt, um damit das beste seit 1879 gemalte Bild, abgesehen von Nationalität, Stoff und Schule, zu krönen. Diese hervorragende Auszeichnung wurde dem Gemälde von Hans Bachmann „Das Weihnachtssingen“, welches unsere Holzschnittreproduktion vorzüglich wiedergiebt, mit vollem Recht zuerkannt. Der junge Meister entnahm den Stoff zu demselben dem Leben seiner schweizerischen Heimath. Es stellt nämlich einen alten Brauch im Kanton Luzern dar. Alljährlich in der Zeit von Weihnachten bis Dreikönigen zieht dort der Schulmeister, der zugleich die Stelle des Organisten bekleidet, mit den Kirchensängern und Musikern, die er zum Theil aus seiner Schuljugend bildet, von Gehöft zu Gehöft, frohe Weihnachtslieder zum Vortrag bringend. Diese klingen gewöhnlich in den Neujahrswunsch aus:
„Wir kommen hier an,
Zu wünschen Euch an,
Ein gutes glückselig
Gesund auch und fröhlich
Ein gutes Neujahr!
Gott mache es wahr!“
Von den durch solchen Gesang geehrten Hausbewohnern werden dann die Musiker und Sänger beschenkt und bewirthet, wobei in der Regel die gemüthlichste Geselligkeit mit Tanz und Jubel sich entwickelt.
Diesen sinnigen Brauch hat Bachmann in seinem Bilde sehr anschaulich geschildert; man sieht, daß er Land und Leute gründlich studirt hat; denn beide hat er mit treuer Wiedergabe der eigenartig frischen Alpennatur zur Darstellung gebracht. Und zugleich trägt das Gemälde den Stempel des echten Kunstwerks, da es neben der strengen Wahrheit auch eine poetische Auffassungsweise bekundet, welche dem Vorgange eine tiefere Weihe verleiht. Mit der feierlichen Fröhlichkeit der an der Thür des Gehöfts Versammelten klingt die Abendstimmung des klaren Wintertags bei aufgehendem Mond harmonisch zusammen.
Hans Bachmann wurde 1852 in Winikon, Kanton Luzern, geboren. Um sich zum Maler auszubilden, besuchte er zunächst die Kunstakademie zu Düsseldorf; dann wurde er Privatschüler von Eduard von Gebhardt und später von Karl Hoff. In seinen ersten Bildern war namentlich der Einfluß des letzteren Lehrers bemerkbar. Doch bald strebte der junge Künstler mit allen Kräften danach, sich zu einer besonderen Eigenart durchzuringen. Da zwang ihn eine tückische Krankheit, ein paar Jahre in seiner Heimath zuzubringen. Und hier nun, mit der Wiederherstellung seiner Gesundheit, fand er auch den rechten Boden für seine künstlerische Schaffenskraft. Er kehrte nach Düsseldorf zurück mit einem reichen Material, mit einer Menge origineller Naturstudien, die von dem gediegenen Ernst einer schlichten, aber durchaus gesunden Auffassungsweise beredtes Zeugniß ablegten. Sein nächstes Bild, ein Begräbnißzug in den Alpen, „Zur letzten Ruhe“ betitelt, bekundete demgemäß eine volle kräftige Individualität und erhielt auf der internationalen Ausstellung in Antwerpen eine wohlverdiente ehrenvolle Erwähnung. Der Künstler war zum selbständigen Manne gereift. Sein neuestes Bild, das in London prämirt worden ist, zeigt einen wesentlichen Fortschritt auf dem klar erkannten Wege, und so darf von dem strebsam schaffenden Vertreter eines echt künstlerischen Naturalismus für die Zukunft noch Bedeutendes erwartet werden.