Das Geburtshaus Napoleon’s I.

Textdaten
<<< >>>
Autor:
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Das Geburtshaus Napoleon’s I
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 50, S. 838
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1887
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite

[838] Das Geburtshaus Napoleon’s I. Von dieser Casa Bonaparte in Ajaccio, welche von den Reisenden aller Länder heimgesucht wird, entwirft uns Ludwig Hevesi in seinen „Bildern aus Italien“ (Stuttgart, Adolf Bonz), denen er den italienischen Titel „Almanaccando“ giebt, ein sehr anschauliches Bild. Dies Haus ist ein Eckhaus der Straße Saint-Charles und der Straße Letizia; in der ersteren ist, seiner Stirnseite gegenüber, eine Hausstelle offen gelassen worden und der hierdurch entstandene kleine Platz heißt Place Letizia: es ist der anspruchsloseste Platz der Welt. Die Häuser, die ihn bilden, kehren ihm zum Theil die Rückseiten zu. Ein blauweiß gestrichenes Schilderhaus, dessen Schildwache jedoch die sparsame Republik eingezogen hat, ist das einzige monumentale Gebäude des Platzes; nicht einmal in einen umfriedeten Square haben die beiden Kaiserreiche diesen historischen Fleck Erde verwandelt. Nur der Hauswirth hat zwei struppige Grasrondeaus angelegt und einige magere Bäumlein darein gesetzt. In der Mitte des einen steht eine Palme, in der Mitte des andern ein Oelbaum: sie sind von dem braven Hausmann gepflanzt worden, als der kleine Lulu das Licht der Welt erblickt hat, allein die Palme ist keine Palme des Ruhmes geworden für den Helden von [838] Saarbrücken und der Oelbaum kein Oelbaum des Friedens für den Verbannten von Chislehurst. Im Hintergrunde des Platzes ragt eine hohe Maststange empor, an deren Spitze ein napoleonischer Kaiseraar sitzt, ehemals prächtig vergoldet, jetzt glanzlos und schäbig; früher hatte er noch zwei gleiche Genossen auf hohen Stangen; doch die Republikaner schlugen eines Tages das kaiserliche Geflügel herab.

Das Haus selbst hat drei Stockwerke, die in der Raumeintheilung freigebig angelegt sind. Die Fenster sind hoch und breit; die Färbung der sechs Fenster breiten Hauptfaçade ist durch eine zwischen gelb und grau schwankende Tünche sehr unentschieden; unter den Fenstern hat der Regen Fransenbehänge von langen schwarzgrauen Streifen über die Mauer gezogen. Die Jalousien sind lichtgrau gestrichen, „kaiseraugengrau“, sagte man unter Napoleon III., wie ehemals „kaiseraugenblau“ unter Joseph II. Die Thüren und Fenster im Erdgeschoß sind schwarz wie in einem Trauerhause, und das ist es ja oft genug gewesen. Eine ungeheure viereckige Marmortafel über der einfachen Hausthür kündet die Bedeutung des Hauses in großen goldenen Buchstaben an.

Mit einem einzigen Schritt durchmißt man von der Schwelle aus den ganzen Hausflur des Advokaten Karl Bonaparte und betritt die Treppe, die, aus schiefergrauen Steinstufen gebildet, in zwei Absätzen zum ersten Stock hinaufführt. Hier finden sich acht Gemächer: die Wohn- und Staatszimmer der großen Advokatenfamilie von Ajaccio; doch sind dieselben jetzt in etwas verwahrlostem Zustande. Die Tapeten, welche der schlimme Jerome einst bekritzelt, sind schon längst fort, ebenso wie die Schulbücher, aus denen Napoleon die erste Kunde von Alexander dem Großen und Julias Cäsar erhalten. Die Wände der meisten Zimmer sind heute weißgetüncht oder mit bescheidenen Streifenmustern versehen, sogar das berühmte blaue Zimmer, in dem der große Kaiser geboren wurde. Alle Räume, mit Ausnahme des großen Tanzsaales, sind gleichmäßig mit rothen Thonfliesen gepflastert; der Hausrath deutet theils auf die geschnörkelte Zeit des Rokoko, theils auf die Epoche von der großen Revolution bis zum ersten Kaiserreich. In den Damastüberzügen der Stühle und Sofas haben die Motten wenig, die Engländer aber desto ärger gehaust. Fetzenweise ist dieser historische Damast nach England gewandert, so daß eine Menge Sessel kahl dastehen und ein Theil bereits neue Ueberzüge erhalten hat; denn der echte britische Mann kann keinen Napoleon I. leiden, doch die Ueberzüge seiner Sessel nimmt er gern mit.

Von den Räumen des Hauses ist außer dem Geburtszimmer Napoleon’s der kleine Salon bemerkenswerth mit seinen halbblinden Spiegeln, dem Plafond mit den zwei Gesetzestafeln mit Wage und Richtschwertern zwischen Wolken, einem vielfarbigen Hausrath, gelbem Sofa, kirschrothen Sesseln, einigen total geschundenen Stühlen, und einem Piano von vier Oktaven, einem alten, wackligen, wurmstichigen Kasten mit abgeschlagenen Ecken und einem altkorsischen Podagra in allen Beinen. Dies ist das Piano der Madame Letizia, der Mutter der Könige. Der große Saal, der in seinen beiden Langseiten je sechs Fenster hat, ist im Laufe der Zeit bald Tanzsaal, bald Kaserne gewesen, letzteres zur Zeit der großen Revolution, als der junge Feuerkopf Napoleon sich mit Freunden und der Familie im Hause verschanzte und mit den Waffen in der Hand den Todfeinden seines Hauses, den Pozzo di Borgo und Peraldi, Trotz bot.

Bilder, Angedenken, Reliquien aus beiden Kaiserreichen finden sich im ganzen Hause verwahrt, das jetzt allerdings nur noch den Eindruck eines großen Reliquienschreins macht, nachdem die Cäsaren, die ihm entstammten, von der Bildfläche der Weltgeschichte verschwunden sind. †