Textdaten
<<< >>>
Autor:
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Weihnachtsmärkte
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 50, S. 824–825, 832–833, 835
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1897
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[824–825]

Am Goldenen Sonntag in Berlin.
Nach einer Originalzeichnung von W. Pape.

[832–833]

Der Kindleinsmarkt am Thomastag zu Nürnberg.
Nach einer Originalzeichnung von P. F. Messerschmitt.

[835]

Weihnachtsmärkte.

(Zu den Bildern S. 824 und 825 und S. 832 und 833.)

Wo frohe Feste große Volksmassen vereinten, dort pflegte sich seit jeher der „fliegende Kaufmann“ mit seinen Buden einzustellen. Reich an Volksfesten war aber in früheren Jahrhunderten die Zeit um die winterliche Sonnenwende. Man kannte noch nicht den im Kerzenlicht strahlenden Weihnachtsbaum, aber die Gehilfen des Christkindes, Sankt Klaus, Knecht Ruprecht und andere, gingen fleißig umher und huldigten der Sitte des Beschenkens. Umzüge aller Art wurden abgehalten und Weihnachtsspiele zur Darstellung gebracht. Dabei wurden je nach Land und Sitte besondere Gaben ausgeteilt und besonderes süßes Gebäck verzehrt. Zu solchen Zeiten hielten auch der Kaufmann und Zuckerbäcker ihre reiche Ernte ab: Weihnachtsmärkte wurden zu stetigen Vorläufern und Begleitern des Weihnachtsfestes.

In der Gegenwart sind viele der alten Bräuche verschwunden, selten nur noch begegnet man in entlegenen Dörfern den vermummten Gestalten, die einst die Phantasie des Volkes erdichtet hatte, dafür ist Weihnachten zum hohen Fest der Liebe geworden. Unter dem Christbaum dürfen die Gaben für jung und alt nicht fehlen. Die Heilige Nacht ist das große Geschenkfest der Deutschen geworden. Unter diesen Umständen haben sich die Weihnachtsmärkte wohl erhalten, ja, ihre Bedeutung ist gewachsen. Wenn sie auch im großen und ganzen alle das gleiche moderne Gepräge tragen, so haben sich doch bei diesem und jenem Spuren ihres alten Ursprungs nicht völlig verwischt.

Kaum in einer andern Stadt des Deutschen Reiches dürfte das Weihnachtsfest eine so intensive Thätigkeit hervorrufen als in dem alten mauerumgürteten Nürnberg. In vielen Häusern herrscht wochenlang vorher eine fieberhafte Thätigkeit. Muß ja doch Nürnberg einen großen Teil der schönen Sachen liefern, die der Weihnachtsmann den braven Kindern in allen Gegenden Deutschlands beschert, sendet es ihnen ja doch die knusperigen süßen Lebkuchen, welche den Leckermäulchen lieber denn Gold und Silber sind, wenn man einem alten Schriftsteller glauben darf. Auch äußerlich machen sich die herannahenden Festtage bemerkbar. Am Tage der heiligen Barbara, das ist am 4. Dezember, beginnt seit Jahrhunderten der Christkindleinsmarkt, von den Nürnbergern kurzweg der „Kindlesmarkt“ genannt. Auf dem großen Marktplatze werden lange Reihen von Buden aufgeschlagen, in welchen die Verfertiger der schönen bunten Spielwaren und Süßigkeiten, die „Professionisten“, wie man sie früher nannte, dem kauflustigen Publikum ihre schönen Sachen zugänglich machen. Schon im Mittelalter hat dieser Markt viele Fremde nach Nürnberg gezogen, die mit der einheimischen Bevölkerung wetteiferten, sich des „Nürnberger Tandes“ zu bemächtigen – natürlich gegen gute Bezahlung. Den Gipfelpunkt erreichte der Zudrang von auswärts am Thomastag – 21. Dezember. Im Jahre 1527 wurden die Zöllner an den Thoren angewiesen die Wagen und Karren aufzuzeichnen, welche in die Stadt einfuhren, wobei sich folgende Ziffern ergaben: Frauenthor 250 Wagen, 8 Karren; Spittlerthor 440 Wagen, 60 Karren; Neues Thor 207 Wagen 57 Karren Tiergärtner Thor 110 Wagen 40 Karren: im ganzen 1007 Wagen und 165 Karren, fürwahr eine sehr stattliche Wagenburg, obgleich dabei noch die Ziffern jener Fuhrwerke fehlen, die durch das Lauferthor eingezogen sind.

Zwar nicht mehr am Tage des heiligen Thomas, aber an dem darauf folgenden Sonntag, dem letzten vor dem Christabend, der nun der Thomastag genannt wird, findet diese Masseneinwanderung in Nürnberg heute noch statt, ist doch der Thomastag das letzte jener Volksfeste in Franken, die mit dem „Walperlastag“ auf der Ehrenburg in der Fränkischen Schweiz am 1. Mai alljährlich ihren Anfang nehmen. Schon am Vorabend finden sich viele Fremde ein, die Gasthäuser der Stadt sind gut besetzt, auf den Straßen herrscht reges Leben, geschäftiges Treiben. Am Sonntag aber strömt eine fröhliche Menge zu den Thoren herein, während viele Tausende durch die Eisenbahnzüge gebracht werden.

Die Straßen der Stadt werden allgemach zu eng, es kostet Mühe, sich durch die Menschenmenge hindurchzuwinden, die sich hier zusammengefunden. Wenn auch kaum Einer Nürnberg verlassen wird, ohne etwas gekauft zu haben, so ist bei vielen der Gäste doch nicht mehr der Einkauf der Hauptzweck, der sie hierher geführt. Es ist vielmehr bei manchem die Aussicht und Gewißheit, alte Schulkameraden und Studiengenossen, liebwerte Freunde und Kollegen treffen, und einige angenehme, anregende Stunden mit ihnen verleben zu können. Forstleute, Geistliche und Lehrer, Beamte aller Art aus kleinen Orten sind daher zahlreich vertreten. Besonders zahlreich finden sich aber regelmäßig die Erlanger Studentenschaft, dann neuerdings auch viele farbentragende Musensöhne aus Würzburg, München und Aschaffenburg ein, die in ihren bunten Mützen das Straßenbild anmutig beleben; gar freundliche Grüße winken ihnen Nürnbergs schöne Töchter aus ihren malerischen Chörchen zu.

Und abends vereinigen fröhliche Festkneipen Aktive und Alte Herren; manch lustiges Lied erklingt, manch schönes Wort wird gesprochen, voll Freude erinnern sich die Aelteren an der Jugend goldene Zeit. Der Mittelpunkt all des Lebens und Treibens am Thomastage ist aber der Kindleinsmarkt, der eine vorzügliche Staffage des prächtigen malerischen Marktplatzes bildet, zu dem die Türme von St. Sebald und des Rathauses grüßend herüberblicken. Trefflich hat diese Scenerie P. F. Messerschmitt auf unserm Bilde S. 832 und 833 dargestellt. Manch alter Knabe wird hier wieder jung, und oft sind es schon recht ausgewachsene Kinder, die, mit Waldteufel und Ratsche, Trommel und Pfeife, Trompete und Mundharmonika ausgerüstet, hier ihre ebenso liebliche wie ohrenzerreißende Musik ertönen lassen. Alles atmet eitel Lust und Freude, jeder ist schon jetzt in der richtigen Feststimmung, voll Ahnung der schönen und herrlichen Dinge, die das schönste aller Feste bringen wird. Auch die Geschäftsleute sind vergnügt und reiben sich die Hände, denn schon der Nürnberger Lokaldichter und ehrbare Flaschnermeister Grüber hat in seinem „Kindleinsmarkt am Thomastag“ gesagt:

„Dös g'häiert mit zon Kindlesmark
Und mit zon Thomestog,
Dau sucht a jeder, wos'n g'fällt
Und kafft si, wos er mog.“

Mitten in das rege Treiben der Reichshauptstadt versetzt uns das Bild W. Papes auf S. 824 u. 825. In den letzten Wochen und Tagen vor Weihnachten wird wohl die ganze Stadt zu einem großen Weihnachtsmarkt. Auf Plätzen und Straßen reihen sich die duftenden Tannenbäume zu Hainen und Wäldchen zusammen. Buden wachsen empor und die Schaufenster aller Läden prangen im schönsten Schmuck. Am Sonntag vor Weihnachten erreicht dieses Treiben seinen Höhepunkt, da bestürmt eine Flut von Käufern die Verkaufsstände und Läden, und der Volksmund hat diesen Tag den „Goldenen Sonntag“ genannt, da er Geld unter die arbeitsamen Leute bringt wie sonst kein Tag im Jahre!

W. Pape hat ein treffliches Momentbild dieses Hastens und Treibens geliefert. Sein Schauplatz ist die belebte Ecke der Leipziger- und Friedrichstraße. Im Vordergrunde sehen wir einige der kindlichen Hausierer, die auch eine Kleinigkeit für den Weihnachtsabend verdienen möchten. Da stehen die Mädchen mit Schäfchen und Ruten, dem „haarigen Mann“ und anderem Weihnachtstand, während ein Junge an die elegante Modedame sich wendet: „Scheene junge Frau, vielleicht noch 'n paar Walddeibel jefällig?“ Die Menge auf der Straße rennt und drängt, alles mit Weihnachtseinkäufen bepackt. Den Mittelpunkt der bewegten Scene bildet eine Droschke, in die, obgleich selbst der gutmütige Rosselenker schon über und über bepackt ist, immer noch „ein paar Kleinigkeiten“ hinein müssen.

Einen derart von Kauflust belebten Weihnachtsmarkt mit leichter Schneedecke und klarem sonnigen Himmel möchten wir für alle deutschen Städte zum kommenden Fest erwünschen. In tausend und aber tausend Familien, die hart um den Lebensunterhalt ringen müssen, hängt ja die Freude am Heiligen Abend von dem Ausfall des Weihnachtsgeschäftes ab. Wen das Schicksal günstig gestellt und mit Mitteln gesegnet hat, der möge darum vor dem Christfest ein wenig zum Verschwender werden und reichlich einkaufen nicht nur in den Prunkgeschäften, sondern auch in den kleinen stillen Läden und den Buden im Freien.