Weihnachtsleckereien auf dem Weltmarkte

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Titel: Weihnachtsleckereien auf dem Weltmarkte
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 52, S. 864
Herausgeber: Ernst Ziel
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1884
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[864] Weihnachtsleckereien auf dem Weltmarkte. Ein alter Scherz behauptet, ein Kostgänger könne am billigsten bei der Post leben, koste dort ein Couvert doch nur 10 Pfennig, à la Karte gebe man nur 5 Pfennig und Leckereien habe man sogar ganz umsonst. Umsonst? Wohl nicht ganz, bezahlen muß man sie schon, die echten Leckereien nämlich, mit denen wir uns zu Weihnachten allesammt so schön den Magen verderben. Aber fast umsonst liefert die Post sie uns doch, nämlich vom Laden auf den Tisch; man denke: 10 Pfund Marcipan von Königsberg nach Stuttgart für 50 Pfennig, und ebenso viel Lebkuchen von Nürnberg nach Memel – ist das nicht fast umsonst? Und dieses „fast umsonst“ hat dem Weltmarkte Artikel zugeführt, von denen er früher nie etwas „auf Lager“ haben konnte. Vor 15 Jahren noch hätten die genannten süßen 10 Pfund an Fracht das Fünffache ihres Werthes verschlungen, und so vertheuerte Artikel führt der Weltmarkt nicht, selbst aus Galanterie gegen das schöne Geschlecht nicht, dessen Vorliebe für Süßigkeiten männiglich bekannt ist. Das haben wir erst dem großen deutschen Reichspostmeister zu verdanken, der den 50-Pfennigsatz einführte. Seitdem beherrschen gewisse Weihnachtsleckereien zu ihrer Zeit den Weltmarkt, und zwar von bestimmten „classischen“ Productionsstätten aus sich in alle vier Winde zerstreuend. Basel, um als höfliche Leute Fremden den Vortritt zu lassen, versendet centnerweis seine köstlichen „Leckerli“ innerhalb des deutschen Reichspostgebietes für 50 Pfennig das Fünf-Kilo-Paket, Nürnberg hat seine Lebkuchen-Industrie um das Vierfache vermehrt, seitdem es seine verführerische Waare in den bekannten Schachteln für 50 Pfennig Porto den Leckermäulern in Nord und Süd direct zuführen kann. Königsberg nimmt zur Weihnachtszeit die Kräfte eines kleinen Postamtes lediglich für die Versendung seines Marcipans in Anspruch, Hunderte von Centnern dieses Magenbeschwerers und ach so köstlichen Verdauungsverderbers nehmen von hier aus ihren Weg, ähnlich geht es in Lübeck zu, der alten praktischen Hansestadt, welche es so vortrefflich versteht, den Leuten „was Süßes vorzumachen.“ Und Thorn, der arge Zankapfel an der Weichsel, um den sich Polen und der deutsche Orden einst unaufhörlich stritten, vertritt jetzt eine friedliche Mission im Rathe der Völker. Seine Pfefferkuchen sind weltberühmt und werden waggonweise zur Weihnachtszeit zur Befestigung des allgemeinen Friedens verladen: wirkt doch jener gewürzreiche, milde Honigkuchen so versöhnend auf den Menschen und den Weihnachtsmagen, bildet er doch das Correctiv gegen seine süßen Concurrenten, das Marcipan und die Lebkuchen. So möge man denn Eins mit dem Andern nicht entbehren, und wer in der heutigen von Colonial-, Welthandels- und Weltverkehrsfragen durchrüttelten Zeit sich kräftig an der Lösung dieser Fragen betheiligen will, greife die Sache praktisch an und sorge für einen guten Umsatz der Weihnachtsleckereien auf dem Weltmarkte. – r.